Einseitige Leistungsbestimmung kann wesentliche Vertragsänderung sein

Dr. Christian Kokew

Dr. Christian Kokew

Das OLG Schleswig hat in seinem Beschluss vom 28.08.2015 (1 Verg 1/15) festgestellt, dass eine vergaberechtsrelevante Vertragsänderung auch dann vorliegen kann, wenn das bisherige Auftragsvolumen durch eine einseitige Leistungsbestimmung oder Option erweitert wird.

Einseitige Leistungsbestimmung kann wesentliche Vertragsänderung sein
Einseitige Leistungsbestimmung kann wesentliche Vertragsänderung sein

18.11.2015 | Vergaberecht

Inhalt

Das OLG Schleswig hat in seinem Beschluss vom 28.08.2015 (1 Verg 1/15) festgestellt, dass eine vergaberechtsrelevante Vertragsänderung auch dann in Betracht kommen kann, wenn das bisherige Auftragsvolumen durch eine einseitige Leistungsbestimmung oder Option in einem solch "großen Umfang" erweitert wird, dass es nicht mehr von dem ursprünglich geschlossenen Vertrag erfasst wird. Einer ausdrücklich zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Änderung der bestehenden Verträge bedarf es dafür nicht.

Das Gericht geht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von einer wesentlichen Vertragsänderung u. a. dann aus, wenn der Auftrag im großen Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert wird. Eine solche Erweiterung liege nicht nur bei einer Vergrößerung des Vertragsgebiets oder dann vor, wenn der Vertrag der "Art" nach auf Dienstleistungen erstreckt werde, die bisher nicht beauftragt waren, sondern auch dann, wenn eine „große quantitative Erweiterung der bisher beauftragten Dienstleistung“ erfolge. Auch in einem solchen Fall werde das (früher) bereits Vereinbarte nicht allein näher ausgestaltet, sondern etwas geregelt, was von den früheren Vereinbarungen nicht umfasst war.

Im vorliegenden Fall nimmt das Gericht eine „große quantitative Erweiterung der bisher beauftragten Dienstleistung“ an. Zum einen sei das einseitige Leistungsbestimmungsrecht im Ursprungsvertrag weder vereinbart noch qualitativ oder quantitativ hinreichend definiert oder begrenzt gewesen. Zum anderen überschreite der Wert der "Aufstockung" den maßgeblichen Schwellenwert deutlich, was bereits die Wesentlichkeit der Vertragsänderung indiziere (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2009, 13">http://www.vpr-online.de/VPRNavigator/dokumentanzeige-body.php?zg=20&amp... Verg 8/09). Dieses Ergebnis stimme im Übrigen mit der neuen EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU überein, die in Art. 72 Abs. 2 Satz 1 (i) eine Vertragsänderung, deren Wert die maßgeblichen Schwellenwerte übersteigt, nicht von einer Ausschreibungspflicht freistelle. Weiter sei vorliegend der Leistungsumfang um fast 16 % erweitert worden, was auch nach Art. 72 Abs. 2 Satz 1 (ii) der EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU eine Ausschreibungspflicht nicht entfallen lasse.