18.12.2017 | Compliance & Internal Investigations, Gesellschaftsrecht
Das OLG München hat in seiner Entscheidung vom 22.06.2017 (Az.: 23 U 3769/16) entschieden, dass die Haftung des Geschäftsführers für masseverkürzende Leistungen gem. § 64 Satz 1 GmbHG nur dann entfallen kann, wenn der Gesellschaft ein dem Gläubigerzugriff unterliegender Vermögenswert zufließt. Das hat Auswirkungen insbesondere auf Zahlungen, mit denen Arbeitsleistungen abgegolten werden. Das OLG München sieht diese Zahlungen als masseschmälernde Zahlungen im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG und stellt sich damit gegen die Ansicht des OLG Düsseldorf vom 01.10.2015 (Az.: I-6 U 169/14). Das OLG Düsseldorf hatte entschieden, dass sich Vergütungszahlungen nicht als Zahlungen im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG masseschmälernd auswirken, wenn Arbeitsleistungen abgegolten werden, die der Gesellschaft in den letzten drei Monaten erbracht worden sind. Hintergrund ist letztlich, dass damit vom OLG Düsseldorf ein Gleichklang mit dem Recht der Insolvenzanfechtung herbeigeführt werden sollte.
Für den Geschäftsführer ist die Vorschrift des § 64 Satz 1 GmbHG (entsprechendes ist in § 92 AktG in Verbindung mit § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG geregelt) äußerst gefährlich. Anders als sonst im Recht der ohnehin schon sehr scharfen Organhaftung führt die Vorschrift zu einer verschuldensunabhängigen Haftung für masseverkürzende Leistungen. Nach Dafürhalten des OLG München in oben genannter Entscheidung eben auch dann, wenn Arbeitsleistungen abgegolten werden. Diese Haftung kann bei einem größeren Unternehmen schnell schwindelerregende Höhen erlangen.
Besondere Brisanz hat diese Vorschrift und die auf ihr beruhende Rechtsprechung auch deshalb für die handelnden Organe, weil die derzeit bestehenden D&O-Policen oftmals eine Haftung der Organe aufgrund dieser Vorschrift nicht abdecken, zumindest dann, wenn nur aufgrund dieser Vorschrift und nicht auch noch aufgrund Verschuldens gehaftet würde. Hintergrund ist, dass in den D&O-Policen oftmals geregelt ist, dass für „Schadensersatzansprüche wegen Vermögensschäden“ Versicherungsschutz besteht. Nachdem in der rechtswissenschaftlichen Literatur auch vertreten wird, dass die Vorschrift des § 64 Satz 1 GmbHG ein Anspruch eigener Art ist und damit kein Schadensersatzanspruch, stellen sich manche auf den Standpunkt, dass D&O-Policen, die nur Schadensersatzansprüche wegen Vermögensschäden abdecken, eine Haftung nach § 64 Satz 1 GmbHG nicht umfassen. Zusätzliches Wasser auf diese Mühlen wurde durch eine Entscheidung des OLG Zelle, Az. 8 W 20/16, gegossen, in der das OLG Celle – viel zu knapp, um eine derart bedeutende Frage abschließend zu entscheiden – ausführt, dass die gängigen wordings der D&O-Policen, die Schadensersatzansprüche wegen Vermögensschäden abdecken, Ansprüche nach § 64 GmbHG nicht abdecken.
Vor diesem Hintergrund ist dringend zu empfehlen, bestehende D&O-Policen von einem Experten prüfen zu lassen, ggf. bestehende Deckungslücken zu schließen und im Falle eines Neuabschlusses auf entsprechenden wordings zu bestehen. Auch unter Berufung auf die oben genannte Entscheidung des OLG Celle haben erste D&O-Versicherer bereits Deckung verweigert. Für Manager, die sich in einer Situation befinden, in der Haftungsansprüche gegen sie geltend gemacht werden, zumal von Insolvenzverwaltern, die oftmals zusätzlich Druck aufbauen, eine Situation, in der man sich „schutzlos ausgeliefert“ fühlt. Die D&O-Police ist oftmals entscheidend dafür, dass ein hochqualifizierter Manager sich überhaupt bereit erklärt, eine bestimmte Managementposition zu bekleiden. Der vorstehende Fall ist indes ein gutes Beispiel dafür, dass die Police stets genauestens beleuchtet werden muss, weil oftmals unerkannte Deckungslücken oder bestimmte Haftungsrisiken (fort-)bestehen. Insoweit kann nur dringend angeraten werden, nicht am „falschen Ende zu sparen“ und die Police im Vorhinein mit entsprechenden Experten zu besprechen.