25.01.2019 | Arbeitsrecht
Worum geht es?
Die Erfurter Richter haben ihre bisherige Rechtsprechung zur Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 S. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) nunmehr „offiziell“ aufgegeben (BAG v. 23.01.2019, 7 AZR 733/16). Die Entscheidung kommt wenig überraschend. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bereits im vergangenen Jahr die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gekippt und entschieden, dass das Verbot der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 S. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) nicht auf drei Jahre beschränkt sei (BVerfG v. 06.06.2018, 1 BvL 7/14). Nach dieser Vorschrift ist eine (erneute) sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses unzulässig, sofern zwischen den Parteien bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das BAG hatte den Terminus „bereits zuvor“ bisher im Sinne von maximal drei Jahren vor Beginn des neuen befristeten Arbeitsverhältnisses ausgelegt. Das BVerfG hat diese Auslegung für nicht haltbar erklärt, allerdings (wenig konkrete) Ausnahmen vom Vorbeschäftigungsverbot zugelassen. Das Vorbeschäftigungsverbot soll beispielsweise dann nicht gelten, wenn die Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt. Unklar bleibt, wann diese Voraussetzung erfüllt sein soll.
Bisher schien es, als würde diese Rechtsunsicherheit nicht lange währen, sieht der Koalitionsvertrag der „GroKo“ doch eine Neuregelung des § 14 TzBfG vor. Die Bundesregierung hat sich ausdrücklich darauf verständigt, hinsichtlich des Vorbeschäftigungsverbots eine gesetzlich geregelte Karenzzeit von drei Jahren einzuführen und damit die bisherige Rechtsprechung des BAG umzusetzen. Auf eine Gesetzesänderung wird allerdings weiterhin vergeblich gewartet. Das aktuelle Urteil des BAG soll hier zum Anlass genommen werden, die Auswirkungen der Verschärfung des Vorbeschäftigungsverbots durch die Rechtsprechungsänderung für die arbeitsrechtliche Praxis darzustellen.
Der Sachverhalt
Der Kläger war für die Beklagte in den Jahren 2004 bis 2005 für knapp 1 ½ Jahren tätig. Im Jahr 2013 vereinbarten die Parteien die erneute (sachgrundlos) befristete Wiedereinstellung des Klägers. Dieser befristete Arbeitsvertrag wurde im Anschluss mehrmals verlängert, zuletzt bis zum 18. August 2015.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die letzte Befristung sei unwirksam und erhob entsprechende Entfristungsklage.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung des BAG
Die Klage hatte nicht nur in den Vorinstanzen, sondern auch vor dem BAG Erfolg. Die erneute sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses sei wegen Verstoßes gegen das Vorbeschäftigungsverbot gemäß § 14 Abs. 2 S.2 TzBfG unwirksam. Unerheblich sei, dass zwischen früherem Beschäftigungsverhältnis und dem Beginn des neuen Beschäftigungsverhältnisses mehr als drei Jahre vergangen sind. Zwar habe das BAG wiederholt entschieden, dass eine Vorbeschäftigung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG dann nicht gegeben sei, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Gleichwohl könne dieser Rechtsprechung seit der Entscheidung des BVerfG vom 06.06.2018 nicht mehr gefolgt werden. Die bisherige Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG durch das BAG überschreite die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung und sei mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen daher nicht vereinbar. Entsprechend löse grundsätzlich jede Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung aus. Eine Ausnahme vom Vorbeschäftigungsverbot sei nicht gegeben, weil das vorangegangene Arbeitsverhältnis lediglich acht Jahre und damit nicht „sehr lang“ zurückliege.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil des BAG setzt konsequent den Beschluss des BVerfG in die Praxis um. Offen bleibt allerdings weiterhin, unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen vom Vorbeschäftigungsverbot zuzulassen sind. Nach der aktuellen Entscheidung des BVerfG soll zwar eine sachgrundlos befristete Wiedereinstellung ausnahmsweise dann wirksam vereinbart werden können, wenn die Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt. Ab welcher Dauer ein „sehr langer“ Zeitraum gegeben ist, wird indes vom BVerfG nicht näher bestimmt. Auch die Entscheidung des BAG ist zur Konkretisierung dieser Ausnahme wenig hilfreich. Es stellt lediglich ohne weitere Begründung fest, dass ein Zeitraum von acht Jahren keinen „sehr langen“ Zeitraum darstelle. Arbeitgebern ist daher zu raten, kein unnötiges Risiko einzugehen und bis aus weiteres bei jeder Vorbeschäftigung von einer erneuten sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses abzusehen. Eine Befristung mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG ist hingegen weiterhin möglich.
Es wäre wünschenswert, würde der Gesetzgeber schon aus Gründen der Rechtssicherheit – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – in § 14 TzBfG eine Karenzzeit von drei Jahren ausdrücklich regeln. Derzeit ist allerdings noch nicht konkret absehbar, wann mit einer Neuregelung in § 14 TzBfG zu rechnen ist. Die günstige Gelegenheit, mit der Einführung von „Brückenteilzeit“ gemäß § 9a TzBfG auch das Vorbeschäftigungsverbot in § 14 TzBfG zu überarbeiten, ließ der Gesetzgeber jedenfalls ungenutzt verstreichen.
Im Ergebnis ist Arbeitgebern zu empfehlen, vor jeder sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses eine etwaige Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers sorgfältig zu prüfen. In der Praxis ist diese Prüfung jedoch datenschutzrechtlich nicht ganz unproblematisch. Grundsätzlich sind Daten des Arbeitnehmers – ggf. nach Ablauf einer angemessenen Frist - nach dessen Ausscheiden zu löschen. Hieran dürften auch die Entscheidungen des BVerfG und des BAG zum Vorbeschäftigungsverbot nichts ändern. Arbeitgebern steht es aber frei, den jeweiligen Bewerber bereits im Vorstellungsgespräch nach etwaigen Vorbeschäftigungszeiten zu fragen. Sollten gleichwohl (Rest-) Zweifel bestehen, sollte die Befristung des Arbeitsverhältnisses aus Gründen der Rechtssicherheit nur noch bei Vorliegen von sachlichen Gründen gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG erfolgen.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die „neue Rechtslage“ zum Vorbeschäftigungsverbot nicht nur für zukünftig sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse gilt. Auch „Alt-Verträge“ sind grundsätzlich hiervon erfasst. Ein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen ist in der Regel nur unter besonderen Umständen anzunehmen. Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber in jedem Fall ihre Alt-Verträge auf die Wirksamkeit der Befristungsabrede überprüfen und nach Möglichkeit mit dem betroffenen Arbeitnehmer eine erneute Befristung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren, wobei diese nur bei Vorliegen von Sachgründen im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG in Betracht kommt.