22.05.2023 | Arbeitsrecht
Der Fall
Die Klägerin ist seit dem 1.3.2017 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Bruttomonatsgehalt betrug zunächst 3.500,00 Euro. Ab dem 1.8.2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag. Die Klägerin erhielt danach ein Grundentgelt i.H.v. 3.620,00 Euro brutto, das in jährlichen Schritten angehoben werden sollte. Seit 1.1.2017 war neben der Klägerin auch ein männlicher Arbeitnehmer als Außendienstmitarbeiter im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte bot dem männlichen Arbeitnehmer zunächst ebenfalls ein Grundentgelt i.H.v. 3.500,00 Euro brutto an, was dieser jedoch ablehnte. Der männliche Arbeitnehmer verlangte bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung ein Grundentgelt i.H.v. 4.500,00 Euro brutto. Die Beklagte gab dieser Forderung nach. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage von der Beklagten die Zahlung der monatlichen Differenzbeträge sowie einer einmaligen angemessenen Entschädigung.
Die Entscheidung
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Sowohl das Arbeitsgericht Dresden (Urt. v. 4.10.2019, Az. 5 CA 638/19) als auch das LAG Sachsen (Urt. v. 3.9.2021, Az. 1 SA 358/19) sahen in diesem Fall keinen Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot. Das LAG Sachsen vertrat die Auffassung, dass die unterschiedliche Entlohnung im Interesse der Gewinnung des Bewerbers erforderlich und durch objektive Faktoren gerechtfertigt gewesen sei. Das Interesse der Beklagten, einen geeignet erscheinenden Mitarbeiter einzustellen, sei legitim. Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts habe die Klägerin dadurch nicht erfahren.
Das BAG widersprach dieser Ansicht. Nach der Auffassung des BAG hat die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt als ihr männlicher Kollege erhalten habe, begründe die Vermutung, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei. Der Beklagten sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe oder dass er einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt sei.
Darlegungs- und Beweislast
Im zu entscheidenden Fall war streitig, ob die Ungleichbehandlung bei der Entlohnung durch objektive Kriterien gerechtfertigt und somit nicht im Geschlecht begründet war.
Nach der Darlegungs- und Beweislast muss der Arbeitgeber grundsätzlich die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Entlohnung sicherstellen und beweisen, dass keine geschlechtsspezifische Diskriminierung vorliegt. Wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin konkrete Anhaltspunkte vorgelegt hat, die auf eine Diskriminierung des Geschlechts hindeuten, liegt es in der Verantwortung des Arbeitgebers, die Gleichbehandlung zu beweisen. Dazu muss er darlegen, dass die Unterschiede in der Bezahlung auf objektiven Gründen beruhen, wie beispielsweise auf Unterschieden in der Ausbildung, der Erfahrung oder den erbrachten Leistungen.
Fazit
Auch wenn die Entscheidungsgründe noch nicht bekannt sind, steht trotzdem fest, dass die Bezahlung einer unterschiedlich hohen Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit weiterhin zulässig sein dürfte, jedoch durch objektive Faktoren gerechtfertigt werden müsste. Nach § 3 EntgTranspG können insbesondere arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien ein unterschiedliches Entgelt rechtfertigen, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde. Verhandlungsgeschick allein soll ein höheres Gehalt jedenfalls nicht legitimieren können.