06.06.2024 | Öffentliches Recht
Hintergrund
Bis zum Jahr 2030 soll nach den Plänen der Bundesregierung der Strom aus erneuerbaren Energien verdoppelt werden. Der Ausbau von Windenenergieanlagen kann einen wesentlichen Beitrag leisten, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen. Das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanalgen an Land, das sog. „Wind-an-Land-Gesetz“, das bereits zum 1. Februar 2023 in Kraft getreten ist, verfolgt das Ziel einer Transformation zu einer nachhaltigen und treibhausneutralen Stromversorgung durch den beschleunigten Ausbau von Windenergie an Land und schafft für die Länder verbindliche Flächenziele. In Bayern müssen bereits bis zum Ende des Jahres 2027 insgesamt 1,1 Prozent der Landesfläche für Windenergieanlagen ausgewiesen werden.
Sollen zukünftig deutlich mehr Windenergieanlagen geschaffen werden, ist nicht ausgeschlossen und sogar wahrscheinlich, dass sich auf der Ebene der Genehmigungserteilung die Frage stellt, welchem von zwei konkurrierenden Vorhaben zur Errichtung von Windenergieanlagen Vorrang gebührt.
Prioritätsprinzip als Mittel zur Konfliktlösung
Mit dieser Frage hat sich das Bundesverwaltungsgericht zuletzt in der Entscheidung vom 21. März 2024, Az. 7 B 12.23, sowie in der Parallelentscheidung desselben Datums mit dem Az. 7 B 13.23 befasst. Sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene begehrten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage, die Standorte beider Anlagen lagen nur rund 137 m voneinander entfernt.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die bereits im Urteil vom 25. Juni 2020, Az. 4 C 3.19, ergangene Entscheidung, wonach in einem Fall echter Konkurrenz zur Konfliktlösung auf das sog. „Prioritätsprinzip“ zurückgegriffen wird, da das Immissionsschutzrecht selbst nicht regelt, welcher genehmigungspflichtigen Anlage Vorrang vor einer gleichartigen genehmigungspflichtigen Anlage einzuräumen ist.
Eine echte Konkurrenzsituation ist immer dann anzunehmen, wenn sich zwei Genehmigungsanträge gegenseitig ausschließen, sich also beide Anlagen sowohl in der Rolle des Störers als auch des Gestörten befinden und die Art der Störung übereinstimmt.
Nach dem Prioritätsprinzip kommt dann demjenigen Vorhaben der Vorrang zu, für das der prüf- und genehmigungsfähige Antrag zuerst eingereicht wurde. Prüffähig ist der Antrag, wenn die eingereichten Unterlagen die Behörde in die Lage versetzen, das Vorhaben unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorhaben zu prüfen.
Zu beachten ist, dass der Grundsatz der zeitlichen Priorität auch im Verhältnis von immissionsschutzrechtlichem Vorbescheidsantrag und Genehmigungsantrag gilt. Handelt es sich bei dem zuerst eingereichten prüf- und genehmigungsfähigen Antrag also um einen Vorbescheidsantrag, setzt sich ein solcher auch gegenüber einem im Anschluss gestellten Genehmigungsantrag durch. Voraussetzung ist lediglich, dass der Vorbescheidsantrag (auch) darauf abzielt, mit verbindlicher Wirkung den Vorrang einer Anlage an einem bestimmten Standort hinsichtlich eines Konflikts zu sichern.
Praxishinweis
Für die Praxis bedeutet dies, dass besonders genau darauf geachtet werden sollte, einem Genehmigungsantrag für Windenergieanlagen sämtliche erforderlichen Unterlagen beizufügen und sicherzustellen, dass diese nicht noch einer Anpassung oder Ergänzung bedürfen. Denn nur so lässt sich vermeiden, dass ein zeitlich später eingereichter Genehmigungsantrag vorrangig behandelt wird und ein an sich genehmigungsfähiges Vorhaben letztlich nicht wie geplant verwirklicht werden kann.