Anna Zaprutckaja
Expertise
- Gesellschaftsrecht
- Recht der GmbH und Personengesellschaftsrecht
- Gesellschafterstreit
- Prozessführung, Litigation/Arbitration
- Organhaftung
Ausbildung / beruflicher Werdegang
- Studium der Rechtswissenschaften in München und Oxford, Großbritannien
- 2015–2017 Rechtsreferendariat in München und Toronto, Kanada
- 2018 Zulassung als Rechtsanwältin
- Seit 2018 Rechtsanwältin bei LUTZ | ABEL
Aktuelles
BMJV plant Modernisierung des Personengesellschaftsrechts
Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) plant eine grundlegende Reform des teilweise über 100 Jahre alten Personengesellschaftsrechts, insbesondere des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts.I. Hintergrund der geplanten Reform
Im Jahr 2001 sprach der Bundesgerichtshof der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR oder auch BGB-Gesellschaft) in einer vielbeachteten Grundsatzentscheidung erstmals Rechtspersönlichkeit zu (Urteil des BGH vom 29.01.2001, Az. II ZR 331/00). Seitdem steht fest, dass eine GbR, die nach außen am Rechtsverkehr teilnimmt (sog. Außen-GbR), selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann und selbst klagen und verklagt werden kann.
In den folgenden Jahren war die Rechtsprechung und Praxis damit beschäftigt, die Folgen dieser Rechtsprechung mit dem geltenden Recht in Einklang zu bringen. Nun beabsichtigt das BMJV eine grundlegende Reform des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. §§ 705 ff. BGB), um die Folgen der vorgenannten Grundsatzentscheidung in Gesetzesrecht zu gießen und den Charakter der GbR als Grundform der Gesellschaft zu untermauern.
II. Vorschlag der Expertenkommission
Beachtlich ist insbesondere die geplante Einführung eines Beschlussmängelrechts für die Personengesellschaften. Das Recht betreffend die Mängel von Gesellschafterbeschlüssen ist bislang nur im Recht der Aktiengesellschaft gesetzlich geregelt. Die Bestimmungen der §§ 241 ff. AktG werden im Recht der GmbH entsprechend herangezogen. Im Recht der Personengesellschaften fehlen aktuell gesetzliche Regelungen. Dies soll sich nach dem Vorschlag der Expertenkommission nunmehr ändern. Geplant ist eine befristete Anfechtungsklage und eine Nichtigkeitsklage. Entsprechende Regelungen sind in §§ 714a bis 714e BGB-Entwurf vorgesehen.
Über § 105 Abs. 2 HGB, § 161 Abs. 2 HGB und § 1 Abs. 4 PartGG würden diese Regelungen auch für das Recht der Offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der Partnerschaftsgesellschaft Anwendung finden.
Eine weitere Neuerung soll ein Gesellschaftsregister bringen, in das Gesellschaften bürgerlichen Rechts eingetragen werden können (§ 707 BGB-Entwurf). Die Eintragung ist freiwillig. Dies soll insbesondere zur Transparenz im Rechtsverkehr mit Gesellschaften bürgerlichen Rechts beitragen. Allerdings kann eine GbR nach dem neuen Entwurf zu § 47 Abs. 2 GBO nicht als Inhaberin eines Rechts im Grundbuch eingetragen werden, solange sie nicht im Gesellschaftsregister eingetragen ist.
Zudem soll dem Charakter der GbR als Grundform der Gesellschaft Rechnung getragen werden. Daher ist in § 707c BGB-Entwurf ein sogenannter Statuswechsel vorgesehen, wenn die GbR im Gesellschaftsregister eingetragen ist. Hierdurch soll ein transparenter Formwechsel zwischen einer GbR einerseits und einer Offenen Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und Partnerschaftsgesellschaft andererseits ermöglicht werden.
Erstmals soll das Gesetz nunmehr ausdrücklich zwischen der sogenannten Außen-GbR und der Innen-GbR unterscheiden. Für die Innen-GbR, also eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nach dem Willen der Gesellschafter nicht am Rechtsverkehr teilnehmen soll, sind in § 740, § 740a, § 740b und § 740c BGB-Entwurf besondere Regelungen vorgesehen.
Ferner soll entgegen der bisherigen gesetzlichen Regelung die GbR nicht aufgelöst werden, wenn ein Gesellschafter die Gesellschaft kündigt oder verstirbt. Vielmehr wird die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt; der kündigende bzw. verstorbene Gesellschafter scheidet aus der Gesellschaft aus (§ 723 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB-Entwurf). Damit soll das Recht der GbR an das Recht der Offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft angenähert werden (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 HGB i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB).
III. Fazit
Mit der Modernisierung des Rechts der GbR wäre eine Änderung von insgesamt 39 Gesetzen verbunden. Ob letztlich alle Vorschläge der Expertenkommission umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Sollte das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts in der geplanten Form in Kraft treten, wird eine Überprüfung und ggf. Anpassung von Gesellschaftsverträgen in vielerlei Hinsicht unumgänglich werden.
Goodbye, Großbritannien!
Nach langem Hin und Her und zähen Verhandlungen hat Großbritannien zum 1. Februar 2020 die Europäische Union verlassen. Das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Großbritannien wird nunmehr vorübergehend durch das sog. Austrittsabkommen geregelt. Doch was bedeutet das?Das Austrittsabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien sieht eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2020 vor. Diese Übergangsfrist kann um maximal zwei Jahre verlängert werden. In dieser Zeit soll Großbritannien im Verhältnis zur Europäischen Union in vielen Punkten wie ein Mitgliedstaat behandelt werden. Anders ist aber, dass Großbritannien keine Vertreter in die Europäischen Institutionen mehr entsendet. Bis zum 31. Dezember 2020 haben die Parteien des Austrittsabkommens nun Zeit, über ihre Beziehungen nach Ablauf der Übergangsfrist zu verhandeln.
Doch welche Konsequenzen hat das Austrittsabkommen für die Anwendung des deutschen Rechts? Nicht selten finden Bestimmungen des deutschen Rechts ausdrücklich nur im Verhältnis zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union Anwendung. Derartige Reglungen sind streng genommen im Verhältnis zu Großbritannien nicht mehr anwendbar, da es kein Mitgliedstaat der Europäischen Union mehr ist.
Zur Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hat der Deutsche Bundestag am 17. Januar 2019 das sogenannte Brexit-Übergangsgesetz (BrexitÜG) gebilligt. Das Gesetz wurde am 3. April 2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es entfaltet seit Inkrafttreten des Austrittsabkommens am 1. Februar 2020 Rechtswirkung. Der sehr knappe Gesetzesentwurf sieht vor, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland während der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2020 (vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen) im Bundesrecht als Mitgliedstaat der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft gelten sollen. Obwohl einige Stimmen vor dem Hintergrund des Austrittsabkommens dieses Gesetz für überflüssig halten, könnte es geeignet sein, die letzten Zweifel über die weitere Anwendung des Bundesrechts im Verhältnis zu Großbritannien auszuräumen.
Gesellschafter Ahoi! Eine Segelfahrt mit Folgen?
Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung kann unter Umständen auch bei formell ordnungsgemäßer Ladung wegen Rechtsmissbrauchs nichtig sein.Sachverhalt
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inzident darüber zu entscheiden, ob die formell ordnungsgemäße Ladung zur GmbH-Gesellschafterversammlung im konkreten Fall rechtsmissbräuchlich war und so zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führte (Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.04.2018, Az. I-6 W 2/18).
Der Kläger war ursprünglich Geschäftsführer und Gesellschafter der beklagten GmbH. Er hatte eine Mitgesellschafterin und Mitgeschäftsführerin Frau B., zu der eine private Beziehung bestand. Später nahmen die beiden Gesellschafter eine in Abu Dhabi ansässige Gesellschaft als dritte Gesellschafterin auf, deren Geschäftsführer Herr D. zum Mitgeschäftsführer der Beklagten bestellt wurde. Aufgrund des Scheiterns der privaten Beziehung zu Frau B. und damit einhergehender persönlicher Differenzen gab der Kläger Anfang des Jahres 2015 das Geschäftsführeramt bei der Beklagten auf, zog aus der gemeinsamen Wohnung mit Frau B. aus und begab sich mit einem Segelboot „auf große Fahrt“. Einen festen Wohnsitz hatte der Kläger seitdem nicht mehr. Allen Beteiligten war bekannt, dass sich der Kläger nun für längere Zeit auf Segelreise befinden würde.
Am 31.08.2016 fand eine Gesellschafterversammlung statt, zu der der Kläger mit einem Schreiben vom 28.07.2016 unter einer Postfachanschrift in Abu Dhabi geladen wurde. Der Kläger nahm an dieser Gesellschafterversammlung nicht teil. Mit den Stimmen der beiden anderen Gesellschafterinnen wurden in dieser Gesellschafterversammlung die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers, der Untergang dieser Geschäftsanteile und die Schaffung neuer Geschäftsanteile, die von der Beklagten als eigene Anteile übernommen und gehalten werden sollten, beschlossen. Vor dem Hintergrund dieser Beschlussfassungen wurde eine geänderte Gesellschafterliste beim Registergericht hinterlegt.
Der Kläger beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der das Amtsgericht angewiesen werden sollte, der Gesellschafterliste der Beklagten seinen Widerspruch gegen die Gesellschafterstellung der Beklagten zuzuordnen.
Entscheidung
Das OLG Düsseldorf entschied in zweiter Instanz zugunsten des Klägers. Nach Ansicht des Gerichts war die Einladung des Klägers zur Gesellschafterversammlung vom 31.08.2016 zwar formell ordnungsgemäß, sie war jedoch rechtsmissbräuchlich, da sie einer Nichtladung des Klägers gleichstand.
Die Satzung der Beklagten verlangte eine Ladung zur Gesellschafterversammlungen mit eingeschriebenem Brief an die der Gesellschaft zuletzt mitgeteilte Anschrift des Gesellschafters. Die Ladung des Klägers unter der Postfachanschrift in Abu Dhabi war formell nicht zu beanstanden, da es sich dabei um die der Gesellschaft zuletzt mitgeteilte Adresse handelte. Die Unerreichbarkeit unter dieser Anschrift habe sich der Kläger selbst zuzuschreiben, so das OLG Düsseldorf. Es sei grundsätzlich Sache eines jeden Gesellschafters, sich um seine Gesellschafterangelegenheiten zu kümmern. Hierzu gehöre auch die Mitteilung einer neuen bzw. abweichenden Anschrift an die Gesellschaft. Daher sei die Ladung zunächst als formell wirksam anzusehen.
Allerdings sah das OLG unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles die konkrete Ladung als rechtsmissbräuchlich und folglich die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung als nichtig an. Die Besonderheit des Falles bestand nach Ansicht des Gerichts darin, dass die Geschäftsführer der Beklagten wussten, dass die satzungskonform versandte Einladung den Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erreichen würde, da der Kläger seine Angelegenheiten in Abu Dhabi abgewickelt hatte. Zugleich verfügten die Geschäftsführer der Beklagten über die Möglichkeit, den Kläger per E-Mail über die anstehende Gesellschafterversammlung zumindest in Kenntnis zu setzen. Die Parteien hatten bereits zuvor in anderem Zusammenhang über E-Mail korrespondiert.
Schließlich gab die beklagte Gesellschaft selbst an, dass bis zum Zeitpunkt des Zerwürfnisses mit dem Kläger zu den Gesellschafterversammlungen im Widerspruch zur Satzung der Beklagten stets „formlos“ geladen worden sei. Der Kläger wurde ferner nach dem Zerwürfnis, aber noch vor dem Antritt seiner Segelreise über eine andere Gesellschafterversammlung per E-Mail informiert. Hinzu kam, dass der Geschäftsführer der in Abu Dhabi ansässigen Gesellschafterin, Herr D., grundsätzlich per E-Mail zu Gesellschafterversammlungen der Beklagten geladen wurde.
Praxishinweis
Das Oberlandesgericht bestätigt den bekannten Grundsatz, dass jeder GmbH-Gesellschafter für seine Gesellschafterangelegenheiten grundsätzlich selbst verantwortlich ist und daher sicherzustellen hat, dass ihm die Ladungsschreiben der Gesellschaft an der zuletzt mitgeteilten Anschrift zugehen können. Zugleich verpflichtet es allerdings die Geschäftsführer dazu, die erkannte Nachlässigkeit eines Gesellschafters durch zusätzliche Anstrengungen aufzufangen, um die Wirksamkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung zu gewährleisten.
Diese Entscheidung führt uns deutlich die Flexibilität unseres Rechtssystems und seine Fähigkeit vor Augen, auch ohne Gesetzesänderungen auf den immer schneller stattfindenden technischen Fortschritt zu reagieren. In seiner Entscheidung vom 09.11.1989, Az. 6 U 21/89, hatte das OLG Düsseldorf über einen ähnlich gelagerten Fall zu entscheiden. Auch in diesem Fall war der Gesellschafter mit einem Segelboot auf Weltreise und war für die Gesellschaft postalisch kaum zu erreichen. Das OLG Düsseldorf verneinte die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses unter Berufung auf die Sorgfaltspflichten des Gesellschafters. Doch damals steckte die Erfolgsgeschichte der E-Mail noch in den Kinderschuhen.