Sperrwirkung der förmlichen Abnahme nach VOB/B

 Steffen Krämer

Steffen Krämer

Hinsichtlich der Fälligkeit der Werklohnforderung streiten der Bauherr und das ausführende Bauunternehmen regelmäßig um die Frage der Abnahme. Entscheidende Voraussetzung zum Umgang mit dieser Thematik ist ein Verständnis für die einzelnen Abnahmealternativen und deren Wechselwirkungen zueinander.

Sperrwirkung der förmlichen Abnahme nach VOB/B
Sperrwirkung der förmlichen Abnahme nach VOB/B

03.03.2020 | Bau- und Immobilienrecht

Ein Grund für die regelmäßigen Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Abnahme einer Bauleistung ist auch die Komplexität der Abnahmeregelungen des § 12 VOB/B und deren Konkurrenz zueinander.

Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang regelmäßig stellt, ist, ob durch Vereinbarung einer förmlichen Abnahme, die Möglichkeit einer fiktiven oder konkludenten Abnahme tatsächlich gesperrt wird.

Nach der Entscheidung des OLG München vom 22.08.2017 – Az.: 9 U 1847/17, steht dem Auftragnehmer mangels förmlicher Abnahme kein Anspruch auf Werklohnzahlung zu.

Sachverhalt

In dem vom Oberlandesgericht zu entscheidenden Fall, begehrte die klagende Auftragnehmerin vom beklagten Bauherrn Restwerklohn nach Stellung ihrer Schlussrechnung. In dem zugrundeliegenden Bauvertrag bezogen die Parteien die VOB/B mit ein. Die Klägerin führte sodann die Leistungen aus und zeigte dem Beklagten die Fertigstellung an. Auf die gestellte Schlussrechnung leistete die Beklagte dennoch keine Zahlung, woraufhin die Klägerin den noch offenen Betrag im Klagewege geltend machte.

Entscheidung

Das LG München I verneinte die Fälligkeit der Werklohnforderung und wies die Klage daher als derzeit unbegründet ab. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin mit dem Ziel, die Beklagte doch auf Zahlung zu verurteilen, wies das Oberlandesgericht wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit nach § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zurück.

Nach Ansicht beider Instanzen sei die Schlussrechnung mangels der im Bauvertrag ausdrücklich vereinbarten förmlichen Abnahme nicht fällig und die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen. Mit ihren Entscheidungen setzen die Gerichte die Systematik der Vorschriften zur Abnahme im Sinne des § 12 Abs. 4, 5 VOB/B konsequent um.

Nach § 12 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B hat eine förmliche Abnahme dann stattzufinden, wenn eine der Vertragsparteien das verlangt.

§ 12 Abs. 5 VOB/B regelt hingegen die Möglichkeiten der fiktiven Abnahme. Nach dessen Nr. 1 gilt eine Leistung als abgenommen mit Ablauf von 12 Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über deren Fertigstellung. Nr. 2 regelt die fiktive Abnahme durch konkludentes Handeln. Danach wird die Abnahme einer Leistung auch nach Ablauf von 6 Werktagen nach deren Inbenutzungnahme fingiert.

Gemäß dem Wortlaut der beiden Alternativen des § 12 Abs. 5 VOB/B, kommt eine fiktive Abnahme allerdings nur in Betracht, wenn nicht gleichzeitig eine förmliche Abnahme vereinbart oder von einer Partei verlangt wurde. Denn der Wortlaut der Nummern 1 und 2 des Absatzes 5 setzt einleitend jeweils ausdrücklich voraus, dass gerade „keine Abnahme verlangt“ wird.

Im zuvor beschriebenen Fall hatten die Parteien eine förmliche Abnahme allerdings ausdrücklich im Bauvertrag vereinbart. Die Möglichkeit einer fiktiven Abnahme nach § 12 Abs. 5 Nr. 1, Nr. 2 VOB/B war danach grundsätzlich ausgeschlossen.

Diese Systematik wurde vom LG München I zutreffend angewendet und vom OLG bestätigt.

Auch wenn die Entscheidungen der Münchener Gerichte – ohne Frage – zutreffend sind, indem sie den Wortlaut der Abnahmealternativen des § 12 VOB/B konsequent umsetzen, finden sich in der sonstigen Rechtsprechung auch hiervon Ausnahmen.

So hat beispielsweise das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 18.12.2018 – Az.: 22 U 93/18 im Grundsatz zwar noch den Münchener Gerichten zugestimmt. Darüber hinaus aber ist das OLG Düsseldorf der Ansicht, dass eine Schlussrechnung auch ohne Erklärung über die zuvor vereinbarte förmliche Abnahme fällig sein kann.

Nach dieser Entscheidung besteht die Möglichkeit, dass beide Parteien auf die vereinbarte förmliche Abnahme einvernehmlich verzichten und so die Fälligkeit der Schlussrechnung bewirken. Einen solchen Verzicht sieht das OLG Düsseldorf insbesondere dann, wenn der Auftragnehmer die Schlussrechnung stellt und der Auftraggeber die fertige Bauleistung in Benutzung nimmt, ohne dass eine der Parteien dabei deutlich macht, dass sie noch auf die vereinbarte förmliche Abnahme zurückkommen will, wobei das OLG es für unerheblich hält, ob sich die Parteien der Tatsache bewusst waren, dass eine förmliche Abnahme eigentlich vorgesehen war, oder ob sie das nur vergessen haben.

Praxishinweis

Die beiden Entscheidungen machen deutlich, dass sich weder aus der VOB/B noch aus der Rechtsprechung eine einheitliche und klare Linie im Zusammenhang mit der Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung der Schlussrechnung ableiten lässt. Eine pauschale Beantwortung der einleitend gestellten Frage ist damit nicht möglich. Vielmehr verbleibt es dabei, dass im Einzelfall zu klären ist, ob die Abnahmewirkungen nun eingetreten sind oder eben nicht.