Änderung des WEG zum 01.12.2020

 Vera Lederer

Vera Lederer

Der Gesetzgeber hat die Frage, welche Ansprüche der Gemeinschaft und welche dem einzelnen Eigentümer zugewiesen sind, neu geregelt. Das hat Auswirkungen auf anhängige Verfahren: Es droht die Unbegründetheit der Klage mangels Aktivlegitimation.

Änderung des WEG zum 01.12.2020
Änderung des WEG zum 01.12.2020

25.03.2021 | Bau- und Immobilienrecht

1. Hintergrund der Reform des WEG

Der Modernisierung des WEG war eine jahrelange Diskussion vorausgegangen, die nunmehr in das aktuelle Gesetz mündete. Immer wieder wurde durch die Praxis moniert, dass die Regelungen des WEG mit der gelebten Wirklichkeit innerhalb der Eigentümergemeinschaften kaum etwas zu tun haben. Auch unklare Zuständigkeiten zwischen Gemeinschaft und Eigentümern führten immer wieder zu erbitterten Streitigkeiten.

Dem daraus resultierenden Modernisierungsbedürfnis ist der Gesetzgeber nunmehr nachgekommen. Während die Änderungen, die der Hausverwaltung mehr Kompetenzen zuweisen und das Allstimmigkeitserfordernis bei baulichen Maßnahmen aufgeben, begrüßt und vielfach besprochen werden, wird oftmals übersehen, dass der Gesetzgeber auch die zentrale Frage, welche Ansprüche der Gemeinschaft und welche dem einzelnen Eigentümer zustehen und wie diese durchzusetzen sind, grundlegend neu geregelt hat. Da der Gesetzgeber sich für eine sofortige Wirksamkeit der materiellen Neuregelungen entschieden hat, hat das weitreichende Konsequenzen für bereits anhängige, aber auch für zukünftige Prozesse.

Anhand einzelner Beispiele soll dieser Beitrag kurz die Änderungen im Hinblick auf die Aktivlegitimation (d.h. die materielle Berechtigung zur Durchsetzung eines Anspruchs) skizzieren und Handlungsempfehlungen für laufende und zukünftige Prozesse aufzeigen.

2. Abschied von der sog. „gekorenen“ Ausübungsbefugnis

a) Alte Rechtslage – Der Vergemeinschaftungsbeschluss

Nach der bisherigen Rechtslage spielte die sog. „gekorene“ Ausübungsbefugnis der Eigentümergemeinschaft, insbesondere im Hinblick auf Bauträgerfälle, eine entscheidende Rolle. So war es der Gemeinschaft möglich, Ansprüche, die dem einzelnen Erwerber aus dem Bauträgervertrag hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums zustanden, im Wege des Mehrheitsbeschlusses an sich zu ziehen. Mit einem solchen Vergemeinschaftungsbeschluss wurde die Eigentümergemeinschaft zur Durchsetzung der ursprünglich den Erwerbern zustehenden Mängelansprüche berechtigt. Der einzelne Eigentümer verlor die Möglichkeit, seine Ansprüche selbstständig durchzusetzen, sofern er sich hierbei in Widerspruch zur Gemeinschaft setzte (vgl. BGH, Urteil vom 06.03.2014, Az.: VII ZR 266/13).

Die Vergemeinschaftung erlaubte es den Eigentümern, einheitlich gegen den Bauträger vorzugehen, um Mängelansprüche in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum kosteneffizient geltend zu machen. Da sowohl Rechtsvertretungs- als auch Verfahrenskosten über die Gemeinschaft zu erbringen waren, konnten hier erhebliche Kosten eingespart und Abläufe gestrafft werden.

b) Neue Rechtslage

Mit der Neuregelung des WEG verabschiedet sich der Gesetzgeber ausdrücklich von dem Konzept der sog. „gekorenen“ Ausübungsbefugnis; Vergemeinschaftungsbeschlüsse sind ab dem 01.12.2020 nicht mehr zulässig. Nach § 9a Abs. 2 WEG nF gibt es nur noch eindeutig der Gemeinschaft zugeordnete, sog. „geborene Ansprüche“, die zwingend gemeinsam zu verfolgen sind, oder aber individuelle Ansprüche einzelner Eigentümer.

Nach der Gesetzesbegründung widerspricht eine durch Beschluss begründete, im Außenverhältnis wirkende Ausübungsbefugnis dem berechtigten Interesse des Rechtsverkehrs an einer klaren Zuordnung von Rechten und Pflichten. Bereits gefasste Vergemeinschaftungsbeschlüsse, das stellt der Gesetzgeber zudem klar, verlieren nach allgemeinen Grundsätzen mit Inkrafttreten der Neuregelung für die Zukunft ihre Wirkung nach § 134 BGB.

Für Eigentümergemeinschaften, die aufgrund eines solchen Beschlusses gegen den Bauträger wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums bereits gerichtlich vorgehen, stellt sich damit die Frage, ob die Klage wegen des nichtigen Vergemeinschaftungsbeschlusses als unbegründet abgewiesen werden muss. Gleichzeitig müssen sich auch Eigentümergemeinschaften, die ein einheitliches Vorgehen gegen den Bauträger planen, fragen, wie eine Geltendmachung der Ansprüche durch die Gemeinschaft ohne einen solchen Beschluss zu bewerkstelligen ist.

Hier hat es der Gesetzgeber versäumt, eine eindeutige und belastbare Regelung zu treffen und Rechtssicherheit zu schaffen. Zwar verweist die Gesetzesbegründung darauf, dass die Rechtsprechung zum Bauträgervertragsrecht unberührt bleibe. Wie allerdings vor dem Hintergrund der eindeutigen Absage an die gekorene Ausübungsbefugnis die Geltendmachung durch den Verband möglich bleiben soll, verrät sie nicht. Aus dogmatischer Sicht ist das Zulassen einer Vergemeinschaftung allein im Bereich des Bauträgerrechts kaum herzuleiten (vgl. BeckOK WEG/Müller, 43. Ed., Stand: 1.1.2021, § 9a WEG Rn. 146 ff.). Ob die Rechtsprechung dennoch aus Gründen der Praktikabilität diesen Weg gehen wird, bleibt abzuwarten.

c) Handlungsempfehlung

Da es zu dieser Frage bislang, soweit ersichtlich, keinerlei Rechtsprechung gibt, sind die klagenden Eigentümergemeinschaften gut beraten, einen Hinweis des Gerichts nach § 139 ZPO einzufordern. Je nach Inhalt des Hinweises ist prozessual zu reagieren: Bei einer laufenden Klage ist diese ggf. für erledigt zu erklären. Im Rahmen dieser Prüfung muss das Gericht dann die Erfolgsaussichten der ursprünglichen Klage bewerten. Auch ein Parteiwechsel von dem Verband auf den einzelnen Eigentümer, dessen Ansprüche mit Nichtigkeit des Vergemeinschaftungsbeschlusses wieder aufleben, kommt in Betracht. Ob sich allerdings ein einzelner Wohnungseigentümer bereit erklärt, die Ansprüche mit dem entsprechenden Kostenrisiko allein geltend zu machen, dürfte zu bezweifeln sein.

Eigentümergemeinschaften, die in nächster Zeit aus Mängelrechten gegen den Bauträger vorgehen wollen oder aufgrund von drohender Verjährung sogar müssen, stellt die neue Rechtslage vor ein großes Problem. Rechtssicher wäre es, den Verband zur Prozessführung zu ermächtigen. Für die gewillkürte Prozessstandschaft bedarf es aber der Ermächtigung sämtlicher Eigentümer, was dieses Instrument wenig praxisrelevant macht. Auch die Klageerhebung durch den einzelnen Eigentümer wird wegen des Kostenrisikos nur selten umsetzbar sein. Am besten beraten dürften die Eigentümergemeinschaften daher damit sein, einen Vergemeinschaftungsbeschluss zu fassen – sollte dies von den Gerichten weiterhin als zulässig erachtet werden – und gleichzeitig einen Eigentümer zu bestimmen, der für den Fall, dass die Gerichte diesem Weg eine Absage erteilen, den Prozess übernimmt. Hier müsste natürlich gleichzeitig eine Regelung zur Kostentragung gefunden werden, deren Vereinbarkeit mit ordnungsgemäßer Verwaltung aber ebenfalls ungeklärt ist. Eine rechtliche Beratung ist in Anbetracht der unsicheren Situation jedenfalls unumgänglich.

3. Der Verband als „Wächter“

a) Alte Rechtslage – die Beseitigungsansprüche

Vor dem 01.12.2020 stand der Anspruch, bei Störungen im Bereich des Gemeinschaftseigentums, etwa unberechtigten baulichen Veränderungen, Beseitigung und Unterlassung nach § 1004 Abs. 1 BGB zu verlangen, dem einzelnen Eigentümer zu. Dieser konnte daher gegen den störenden Eigentümer direkt vorgehen. Gleichermaßen konnte jeder Eigentümer gemäß § 15 Abs. 3 WEG iVm § 1004 Abs. 1 BGB den Anspruch auf ordnungsgemäßen Gebrauch durchsetzen und damit vereinbarte oder beschlossene Gebrauchsregelungen innerhalb der Gemeinschaft gerichtlich geltend machen. Auch diese Ansprüche der einzelnen Eigentümer konnte die Gemeinschaft an sich ziehen und durch Beschluss vergemeinschaften.

b) Neue Rechtslage

Mit der Einführung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG nF steht nunmehr allein der Gemeinschaft der Anspruch gegen den störenden Eigentümer zu; nur die Gemeinschaft kann daher von dem „Störer“ verlangen, bauliche Maßnahmen zu beseitigen bzw. Handlungen, die nicht vom ordnungsgemäßen Gebrauch gedeckt sind, zu unterlassen. Der einzelne Eigentümer ist zur Geltendmachung nicht berechtigt und wird darauf verwiesen, zunächst gegen die Gemeinschaft vorzugehen und diese wiederum nach § 18 Abs. 2 WEG zur Ausübung ihrer Ansprüche gegen den Störer zu zwingen.

Damit hat sich der Gesetzgeber für ein zweistufiges System entschieden, das der „Wächterrolle“ der Gemeinschaft hinsichtlich der Pflichten der Eigentümer gerecht werden soll. Ob diese Zweiteilung in der Praxis für eine Entlastung der einzelnen Eigentümer sorgt, bleibt abzuwarten. Hiergegen spricht zunächst die Schwerfälligkeit des Systems „Gemeinschaft“; droht hinsichtlich eines Beseitigungsanspruchs gegen einen Eigentümer etwa die Verjährung, wird es kaum möglich sein, die Gemeinschaft, sollte sie sich sträuben, zur Geltendmachung dieses Anspruchs innerhalb der ablaufenden Frist zu zwingen.

Bereits anhängige Klagen einzelner Eigentümer, die etwa auf die Beseitigung von unzulässigen baulichen Veränderungen gerichtet sind, drohen aufgrund der weggefallenen Aktivlegitimation als unbegründet abgewiesen zu werden.

c) Handlungsempfehlungen

Auch hinsichtlich von Beseitigungsansprüchen gibt es bislang nur vereinzelte Instanzrechtsprechung, die die verschiedenen Ansichten allerdings deutlich zu Tage bringt: Vorgeprescht ist das AG Heidelberg (Verfügung vom 05.01.2021, Az.: 45 C 108/19) mit der Ansicht, dass bei einer bereits anhängigen Klage auch nach dem 01.12.2020 der einzelne Wohnungseigentümer aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes Ansprüche nach § 1004 BGB geltend machen können muss. Dieser Ansicht hat sich die 13. Zivilkammer des LG Frankfurt a.M. (Urteil vom 11.02.2021, Az.: 2-13 S 46/20) entgegengestellt und darauf verwiesen, dass Nachteile infolge von Rechtsänderungen hinzunehmen sind.

Als sicherster Weg sollte auch hier zunächst ein richterlicher Hinweis nach § 139 ZPO eingefordert werden. Teilt das Gericht die Rechtsmeinung des AG Heidelberg, ist die Klage unverändert zu lassen. Weiter besteht bei Klagen, die auf § 1004 BGB fußen, die Möglichkeit, dass bei gleichzeitigen Verstößen gegen Sondereigentum eine parallele Zuständigkeit auch des einzelnen Wohnungseigentümers vorliegt. Hierauf kann dann die Klage unverändert gestützt werden.

Steht das befasste Gericht auf dem Standpunkt – was mit der eindeutigen Wertung des Gesetzgebers zu erwarten ist –, durch die Rechtsänderung sei die Aktivlegitimation entfallen, ist der Rechtstreit für erledigt zu erklären. Die weiteren Reaktionsmöglichkeiten, die das LG Frankfurt zur Kostenabwendung benannt hat, nämlich der Parteiwechsel auf den Verband oder aber die Rückermächtigung des klagenden Eigentümers zur Geltendmachung des Anspruchs durch den Verband, dürften nur in den seltensten Fällen zum Tragen kommen.

4. Fazit

In Hinblick auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Gemeinschaft und Eigentümern wirft das neue Gesetz sowohl für anhängige als auch für noch anstehende Gerichtsverfahren eine Reihe von Fragen auf. Insbesondere in Hinblick auf Mängelansprüche, die einheitlich gegenüber dem Bauträger geltend gemacht werden sollen, ist es für Gemeinschaften zurzeit schwierig, eine rechtssichere Lösung zu finden, die der Gemeinschaft die einheitliche Durchsetzung dieser Ansprüche ermöglicht. Hier ist es an der Rechtsprechung, Klarheit zu schaffen und Licht ins Dunkel zu bringen. Bis das geschehen ist, ist es für Eigentümergemeinschaften ratsam, jedenfalls anwaltliche Beratung hinzuziehen.