Arbeitsrecht (AGG): Benachteiligungsvermutung bei Schwerbehinderung

Drohende Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - Prüfpflicht zur Besetzung freier Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen auch für private Arbeitgeber – BAG, Urteil vom 13.10.2011 (Az.: 8 AZR 608/10)

Arbeitsrecht (AGG): Benachteiligungsvermutung bei Schwerbehinderung
Arbeitsrecht (AGG): Benachteiligungsvermutung bei Schwerbehinderung

27.10.2011 | Arbeitsrecht

Drohende Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - Prüfpflicht zur Besetzung freier Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen auch für private Arbeitgeber – BAG, Urteil vom 13.10.2011 (Az.: 8 AZR 608/10)

Sachverhalt

Der mit einem Grad von 60 % schwerbehinderte Kläger hatte sich mit einer kaufmännischen Berufsausbildung, einem Fachhochschulstudium der Betriebswirtschaft und einer Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst bei der beklagten Gemeinde auf eine ausgeschriebene Stelle für eine Mutterschaftsvertretung beworben. Die Beklagte besetzte die Stelle anderweitig, ohne zuvor zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Auch eine Kontaktaufnahme zur Agentur für Arbeit erfolgte nicht. Der Kläger verlangte von der Beklagten eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, da die Beklagte ihn wegen seiner Behinderung benachteiligt habe.

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, das BAG hob die Entscheidung auf und verwies an das LArbG zurück, damit dieses über die Höhe der Entschädigung entscheiden kann. Die Beklagte hatte entgegen der Verpflichtung aus § 81 Abs. 1 SGB IX vor der Stellenbesetzung nicht überprüft, ob diese Stelle mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Sie hatte auch versäumt, sich frühzeitig mit der Agentur für Arbeit in Verbindung zu setzten, um auch Arbeitslose oder arbeitssuchend gemeldete schwerbehinderte Menschen berücksichtigen zu können.

Diese Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen besteht für alle Arbeitgeber unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat oder bei seiner Bewerbung diesen Status offenbart hat. Eine Verletzung dieser Prüfpflicht ist ein Indiz dafür, dass der Arbeitgeber einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung benachteiligt hat. Diese nach dem AGG ausreichende Benachteiligungsvermutung konnte von der Beklagten nicht widerlegt werden, so dass dem Kläger ein Anspruch auf eine Entschädigung zusteht.