Arbeitsrecht: Klarstellung im Urlaubsrecht für Langzeiterkrankte

Zulässige Einschränkung des Urlaubsabgeltungsanspruchs von langzeiterkrankten Arbeitnehmern – Tarifvertraglicher Übertragungszeitraum von 15 Monaten verstößt nicht gegen Unionsrecht – EuGH Urteil vom 22.11.2011 (Az.: C-214/10)

Arbeitsrecht: Klarstellung im Urlaubsrecht für Langzeiterkrankte
Arbeitsrecht: Klarstellung im Urlaubsrecht für Langzeiterkrankte

12.12.2011 | Arbeitsrecht

Sachverhalt

Der Kläger des Ausgangsverfahrens war seit 1964 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Der auf sein Arbeitsverhältnis anzuwendende Tarifvertrag sah vor, dass ein wegen Krankheit nicht genommener bezahlter Jahresurlaub nach Ablauf einer Übertragungsfrist von 15 Monaten nach dem Bezugszeitraum (Kalenderjahr) erlischt. Im Januar 2002 erkrankte der Kläger und blieb bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im August 2008 arbeitsunfähig. Im Jahr 2009 verklagte der Kläger seinen Arbeitgeber auf Abgeltung des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs für 2006 - 2008.

Nach Klage stattgebendem Urteil in 1. Instanz wies das LArbG Hamm darauf hin, dass der Urlaubsanspruch für die Jahre 2007/2008 noch bei Beendigung bestanden hätte, und dass nur der Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub für 2006 aufgrund des Ablaufs des Übertragungszeitraums erloschen sei. Es legte dem EuGH die Frage vor, ob diese Regelung und ihre Rechtsfolge mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) vereinbar sei. Der EuGH stellte fest, dass das Unionsrecht im Falle eines über mehrere Jahre arbeitsunfähigen Arbeitnehmers einer einzelstaatlichen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, die die Möglichkeit, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, auf einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten beschränkt.

Die bisherige EuGH Rechtsprechung zum Urlaubsrecht legte fest, dass eine nationale Bestimmung, mit der ein Übertragungszeitraum festgelegt wird, nicht das Erlöschen des Anspruchs des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub vorsehen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht tatsächlich die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch auszuüben. Diese Rechtsprechung hat der EuGH nun dahingehend präzisiert, dass das unbegrenzte Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub während einer mehrjährigen Arbeitsunfähigkeit nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub entsprechen würde. Mit dem Urlaub werden ein Erholungszweck und der Zweck, Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu haben, verfolgt. Diesem Zweck kann der Übergang des Urlaubs nur entsprechen, wenn er eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreitet. Darüber hinaus fehle nach Ansicht des EuGH dem Jahresurlaub seine positive Wirkung als Erholungszeit. Der Übertragungszeitraum muss dabei die Dauer des Bezugszeitraums, für den der Anspruch gewährt wird, deutlich überschreiten. Zugleich muss der Übertragungszeitraum den Arbeitgeber vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten schützen, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können. Der tarifvertragliche Zeitraum von 15 Monaten wurde insoweit als ausreichend erachtet.