Bundesverfassungsgericht: Möglichkeit zur Erhebung von vorteilsausgleichenden Abgaben muss zeitlich begrenzt sein.

Dr. Christian Braun

Dr. Christian Braun

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 (Az.: 1 BvR 2457/08) entschieden, dass vorteilsausgleichende kommunale Abgaben (insbesondere Beiträge für die Umlegung des Investitionsaufwandes für die öffentliche Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie für die wegemäßige Erschließung) nicht zeitlich unbefristet erhoben werden dürfen.

Bundesverfassungsgericht: Möglichkeit zur Erhebung von vorteilsausgleichenden Abgaben muss zeitlich begrenzt sein.
Bundesverfassungsgericht: Möglichkeit zur Erhebung von vorteilsausgleichenden Abgaben muss zeitlich begrenzt sein.

10.04.2013 | Öffentliches Recht

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 (Az.: 1 BvR 2457/08) entschieden, dass vorteilsausgleichende kommunale Abgaben (insbesondere Beiträge für die Umlegung des Investitionsaufwandes für die öffentliche Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie für die wegemäßige Erschließung) nicht zeitlich unbefristet erhoben werden dürfen.

Die Entscheidung ist vor folgendem Hintergrund zu sehen: Für die Bebaubarkeit eines Grundstückes ist u.a. eine gesicherte Erschließung erforderlich. Dies erfordert neben der wegemäßigen Erschließung die Wasserver- und Abwasserentsorgung. Im Hinblick auf den Vorteil, den die Grundstückseigentümer durch die Herstellung der Erschließungsanlagen erhalten (Schaffung bzw. Erhaltung von Baurecht), sehen die Kommunalabgabengesetze bzw. das Baugesetzbuch eine anteilige Beteiligung der Grundstückseigentümer an den Investitionskosten der Erschließungsanlagen vor. Voraussetzung für die Umlegung der Erschließungskosten ist wiederum eine wirksame kommunale Beitragssatzung.

Für die Erhebung der Beiträge ist in der Abgabenordnung vorgesehen, dass die Verjährung der Beitragsforderungen mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt (§ 170 AO), in dem die Forderung entstanden ist und vier Jahre später abläuft (§ 169 AO). Da es den Gemeinden oft nicht gelingt, innerhalb dieses Zeitraums wirksame Beitragsatzungen zu erlassen, haben die Bundesländer abweichende Regelungen zu den §§ 169, 170 AO erlassen. In Bayern wurde im Kommunalabgabengesetz (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b DBuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG) vorgesehen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem eine gültige Satzung bekannt gemacht worden ist.

Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung von Beitragsbescheiden stellen die Verwaltungsgerichte mithin zwar häufig fest, dass die erlassene Satzung unwirksam ist. Dies führte bisher jedoch nicht dazu, dass die Kläger hier abschließend von einer Beitragszahlungsverpflichtung freigestellt wurden. Für die Gemeinden bestand in Bayern bisher vielmehr auf Grundlage der gesetzlichen Regelung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b DBuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG zeitlich unbegrenzt die Möglichkeit, eine neue Satzung in Kraft zu setzen und auf Grundlage dieser neuen Satzung wiederum einen erneuten Beitragsbescheid zu erlassen. Gegen diesen erneuten Beitragsbescheid konnten die betroffenen Grundstückseigentümer insoweit auch keine Verjährung einwenden, da der Bayerische Gesetzgeber angeordnet hat, dass die Verjährung erst nach der Bekanntgabe einer wirksamen Satzung zu laufen beginnt. Mit dieser Regelung verfolgt der Bayerische Gesetzgeber den Zweck, Einnahmeausfälle bei den Gemeinden weitgehend auszuschließen. Folge dieser gesetzlichen Anordnung war allerdings wiederum, dass Bürger hier häufig auch noch nach Jahrzehnten unerwartet mit Beiträgen für lange zurückliegende Maßnahmen in Anspruch genommen wurden. Die Regelung des Bayerischen Gesetzgebers wurde nunmehr einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterzogen. Dieses hat festgestellt, dass eine unbegrenzte Möglichkeit der Inanspruchnahme mit kommunalen Abgaben zum Vorteilsausgleich gegen das Gebot der Rechtsicherheit (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verstößt. Der Einzelne muss darauf vertrauen dürfen, nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis zur Beitragserhebung nicht bzw. nicht rechtmäßig in Anspruch genommen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat weiter entschieden, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung dieses verfassungswidrigen Zustands zur Verfügung stehen. Als Frist für eine Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands hat das Bundesverfassungsgericht den 1. April 2014 festgelegt. Soweit der Gesetzgeber innerhalb dieser Frist keine Neureglung erlässt, wird Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b DBuchst cc Spiegelstrich 2 BayKAG nichtig.

Es bleibt mithin abzuwarten, ob und wenn ja welche gesetzliche Regelung der Bayerische Gesetzgeber erlassen wird. Zwischenzeitlich kann den Adressaten von Beitragsbescheiden nur empfohlen werden, sich gegen diese Beitragsbescheide zur Wehr zu setzten, soweit hier Beiträge für Maßnahmen bzw. Vorteile erhoben werden, die bereits vor vielen Jahre realisiert wurden bzw. eingetreten sind.