Insolvenzantrag = Recht zur Kündigung!?

Nach § 8 Abs. 2 VOB/B kann der Auftragnehmer den VOB/B-Bauvertrag kündigen, wenn Insolvenzantrag gestellt ist. Umstritten bleibt, ob diese Regelung wirksam ist.

Insolvenzantrag = Recht zur Kündigung!?
Insolvenzantrag = Recht zur Kündigung!?

16.09.2014 | Bau- und Immobilienrecht

Rechtlicher Hintergrund:


§ 8 Abs. 2 VOB/B bestimmt unter anderem, dass der Auftraggeber den Vertrag kündigen kann, wenn vom Auftragnehmer oder zulässigerweise vom Auftraggeber oder einem anderen Gläubiger Insolvenzantrag (§§ 14 und 15 InsO) gestellt ist.

Nach § 103 InsO hat der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht, ob er einen nicht erfüllten gegenseitigen Vertrag erfüllen will oder nicht. § 119 InsO untersagt abweichende Vereinbarungen.

Vor diesem Hintergrund ist streitig, ob § 8 Abs. 2 VOB/B wirksam ist. Dies ist insbesondere der Fall, seit der BGH am 15. November 2012 entschieden hat, dass vergleichbare Klauseln in Stromlieferungsverträgen unwirksam seien (IX ZR 169/11).

Die Fälle:


Hierzu sind jüngst erneut zwei Entscheidungen ergangen, die eine Wirksamkeit bejahen. Sowohl das OLG Koblenz (Urteil vom 5. Mai 2014 – 12 U 231/13) als auch das OLG Celle (Urteil vom 5. März 2014 – 7 U 114/13) hatten sich mit der Frage zu befassen, ob ein auf § 8 Abs. 2 VOB/B gestützte Kündigung wirksam ist. Die Auftraggeber klagten aus einer Bürgschaft auf Zahlung der angefallenen Fertigstellungsmehrkosten. Die jeweiligen Bürgen wendeten ein, § 8 Abs. 2 VOB/B und damit auch die darauf gestützte Kündigung seien unwirksam.

Die Entscheidungen:


Das OLG Celle urteilte, dass die Kündigung wirksam war. § 8 Abs. 2 VOB/B verstoße nicht gegen § 119 InsO. Hieran ändere auch das Urteil des BGH vom 15. November 2012 nichts, da die Fallgestaltungen nicht vergleichbar sein.

Ebenso entschied das OLG Koblenz, dass § 8 Abs. 2 VOB/B wirksam sei, unter Verweis auf die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum. Zudem sei in diesem Fall zu beachten, dass zum Zeitpunkt der Kündigung seit 9 Monaten Stillstand auf der Baustelle geherrscht habe und der Bürgin es schon daher verwehrt sei, sich auf eine Umgehung Wahlrechts nach § 103 InsO zu berufen.

Praxishinweise:


Auch wenn mit diesen Entscheidungen die Zahl der Entscheidungen wächst, die eine Wirksamkeit einer Kündigung aufgrund eines Insolvenzantrags gegen den Auftragnehmer bejahen, ist in der Praxis davon abzuraten, eine Kündigung allein hierauf zu stützen. Zum einen ist die Wirksamkeit des § 8 Abs. 2 VOB/B weiterhin nicht höchstrichterlich geklärt. Insbesondere das seit der VOB/B 2006 bestehende Kündigungsrecht auch bei einem Fremdantrag begründet eine Missbrauchsgefahr und ist daher auch AGB-rechtlich höchst bedenklich. Zum anderen kann es im Einzelfall auch schwerfallen festzustellen, ob der Insolvenzantrag „zulässigerweise“ gestellt wurde. Vorzugswürdig erscheint es für den kündigungswilligen Auftraggeber daher, andere Kündigungsgründe zu schaffen. Insbesondere sollte die Leistungsbereitschaft des Unternehmers durch entsprechende Anschreiben und Kontrolle der Arbeiten sichergestellt werden und bei fehlender / unzureichender Ausführung die Kündigung hierauf (ergänzend) gestützt werden.