07.04.2015 | Vergaberecht
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber schreibt für die Erweiterung seiner Kläranlage als Los 1 die „Bautechnik Belebung/Nachklärung“ europaweit aus. Der zu vergebene Auftrag umfasst u. a. eine Pfahlgründung. Unter Position 01.04.005 des Leistungsverzeichnisses sind 313 Bohrpfähle zu einem Einheitspreis mit der Angabe u. a. des gewählten Pfahldurchmessers anzubieten. Diese Angaben werden wie folgt abgefragt:
„01.04.005 Ortbeton-Vollverdrängungsbohrpfahl, […]
Ortbeton-Vollverdrängungsbohrpfahl nach DIN EN 12699 herstellen mit folgenden Parametern:
Gebrauchslast: Gemäß Anlage-Plan mit Auflagekräften.
Der Pfahldurchmesser ist so zu wählen, dass die angegebene Gebrauchslast gesichert aufgenommen wird. Sollte bei der statischen Berechnung/Prüfung (Pos. 01.04.002) eine Durchmesseränderung erforderlich werden, berechtigt dies nicht zur Kostennachforderung.
gew. Pfahldurchmesser ……. mm“
Den Ausschreibungsunterlagen ist ein Plan beigefügt, in dem für jeden Pfahl die errechnete Gebrauchslast angegeben ist. Nebenangebote sind nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen.
Die Antragstellerin nimmt an dem Vergabeverfahren teil und trägt zu vorstehender Position als Pfahldurchmesser „38/44“ ein, womit sie Durchmesser in cm-Angaben bezeichnet.
Die Antragsgegnerin schließt das Angebot der Antragstellerin aus, weil diese einen Bohrpfahl mit einem Durchmesser von 380 mm angeboten habe und ein solcher Bohrpfahl – im Gegensatz zu einem Bohrpfahl mit einem Durchmesser von 440 mm - die Auflagekraft in Teilbereichen nicht aufnehmen könne.
Nachdem die Antragsgegnerin die Rüge der Antragstellerin wegen des erfolgten Ausschlusses zurückgewiesen hatte, leitet die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren gegen die Antragsgegnerin ein. Die Vergabekammer gibt der Antragstellerin recht, weil das Angebot der Antragstellerin dahingehend habe verstanden werden könne, dass diese die Pfähle mit zwei verschiedenen Durchmessern angeboten habe und – unstreitig - Pfähle mit einem Durchmesser von 440 mm- geeignet gewesen seien, die angegebene Gebrauchslast aufzunehmen. Die Antragsgegnerin hätte daher eine Aufklärung vornehmen müssen. Die Antragsgegnerin wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer
Entscheidung
Mit Erfolg! Nach Auffassung des OLG Celle ist der Nachprüfungsantrag unbegründet. Das Angebot der Antragstellerin sei gem. § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 b) VOB/A i. V. m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A zwingend auszuschließen, weil die Antragstellerin durch die Angabe eines Pfahldurchmessers von „38/44“ cm bei der gebotenen Auslegung ihres Angebotes fehlerhaft einen Schaftdurchmesser von 380 mm angeboten habe und die Pfähle damit entgegen der Vorgabe in Position 01.04.005 Abs. 3 des LV die aus dem den Ausschreibungsunterlagen beigefügten Plan zu den Gebrauchslasten ersichtlichen Auflagerkräfte nicht gesichert aufnehmen könnten. Aufgrund des danach eindeutigen Angebots kam eine Aufklärung nicht in Betracht.
Das Gericht weist darauf hin, dass nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung und rechtswissenschaftlichen Literatur eine nach § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen vorliege, wenn das Angebot eines Bieters eine Vorgabe des Leistungsverzeichnisses nicht einhält, was insbesondere der Fall ist, wenn die Vertragserfüllung durch einen Bieter mittels des von ihm angegebenen Verfahrens offensichtlich von Vornherein ausgeschlossen ist. Das Gericht weist zudem auf die davon abweichende Meinung hin, nach der ein Angebot, welches den technischen Anforderungen aus den Vergabeunterlagen nicht genügt, als Nebenangebot zu betrachten sei. Es stellt schließlich fest, dass dieser Meinungsstreit im vorliegenden Fall zu keinem abweichenden Ergebnis führt, da nach den Vergabeunterlagen Nebenangebote nur in Verbindung mit einem (zulässigen) Hauptangebot zugelassen waren und ein solches mangels den technischen Anforderungen der Position 01.04.005 LV entsprechenden Angaben zum Durchmesser nicht vorliege.
Das Gericht weist schließlich darauf hin, dass vorliegend auch keine Nachforderung nach § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A in Betracht kommt. Nach dieser Regelung sind fehlende geforderte Erklärungen oder Nachweise vom Auftraggeber nachzufordern. Nach Auffassung des Gerichtes bestand mangels einer fehlenden Erklärung i. S. v. § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A vorliegend eine solche Nachforderungsmöglichkeit nicht. Erklärungen fehlen in diesem Sinne, wenn sie entweder gar nicht vorgelegt wurden, unvollständig sind, oder sonst formalen Anforderungen nicht entsprechen. Das gleiche gelte, wenn sie unklar und widersprüchlich sind und ihnen aus diesem Grund die für die Beurteilung des Angebots benötigten Informationen nicht entnommen werden können. Das Gericht stellt fest, dass an solchen Mängeln die fragliche Erklärung der Antragstellerin nicht gelitten habe. Insbesondere sei das Angebot nicht unklar gewesen. Auch wenn der von der Antragstellerin angebotene Bohrpfahl mit einem Schaftdurchmesser von 380 mm und einem Spitzendurchmesser von 440 mm nicht zu den üblichen Durchmesserkombinationen gezählt habe, sei diese Erklärung doch bei der gebotenen Aufklärung eindeutig zu bestimmen.
Praxishinweis
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass Bieter bei der Erstellung ihrer Angebote mit höchster Sorgfalt vorgehen sollten. Selbst wenn ein Bieter mit seinem Angebot unbeabsichtigt von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweicht, führt an einem zwingenden Ausschluss seines Angebots regelmäßig kein Weg dran vorbei. Insbesondere hilft in einem solchen Fall § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nicht weiter, da bei einer – selbst nach Auslegung zur ermittelten – klaren Abweichung des Angebots von den Ausschreibungsunterlagen keine Erklärung oder Nachweise „fehlen“.