Brexit – der Exit für die in Deutschland ansässigen Ltds.?

Das Referendum für den sog. „Brexit“ und die sich daran nunmehr anschließenden Folgen bis hin zu einem vollständigen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union werfen weitreichende Fragen für die in Deutschland ansässigen Ltds. auf. Über die Jahre hatte sich – beruhend auf der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit – die sog. Gründungstheorie durchgesetzt. Aufgrund dessen bot die Ltd. auch in Deutschland einen umfassenden Haftungsschirm. Im Hinblick auf das Brexit-Referendum ist darauf in Zukunft möglicherweise kein Verlass mehr. Es besteht Handlungsbedarf.

Brexit – der Exit für die in Deutschland ansässigen Ltds.?
Brexit – der Exit für die in Deutschland ansässigen Ltds.?

08.09.2016 | Gesellschaftsrecht

Die „Limited“ oder Ltd. erfreut sich in Deutschland nach wie vor großer Beliebtheit. Hintergrund ist, dass eine Gründung relativ schnell und kostengünstig möglich ist – spezialisierte Agenturen aus England helfen in der Regel gerne weiter. Zwar hat der deutsche Gesetzgeber mit der Rechtsform der „UG (haftungsbeschränkt)“ ein deutsches Pendant daneben gesetzt, doch ist die Beliebtheit der Ltd. ungebrochen.

Am 23.06.2016 haben die Briten im sog. „Brexit-Referendum“ gegen einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union gestimmt. Dies wirft die Frage auf, wie die bislang aus Großbritannien stammenden Ltds. in Zukunft zu behandeln sind.

Gegenwärtig genießen Ltds., die nach englischem Recht gegründet und im Companies House (Gesellschaftsregister) eingetragen sind, selbst dann, wenn sie ihre Geschäftstätigkeiten hauptsächlich in Deutschland ausführen und auch hier die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden, eine volle Anerkennung der Rechtsform. Das bedeutet, dass es für die Beurteilung, wer wie haftet und wer Vertragspartner im Außenverhältnis ist, bei der englischen Ltd. auf das englische Gesellschaftsrecht ankommt. Es besteht also der nach englischem Recht bestehende Haftungsschirm („corporate veil“). Dies beruht letztlich auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs („Centros“ und „Überseering“) und wird als Gründungstheorie bezeichnet, weil für die Beurteilung der oben genannten Fragen die Rechtsordnung des Gründungslandes der Gesellschaft (hier also Großbritannien) maßgeblich ist.

Bis der Europäische Gerichtshof allerdings die maßgeblichen Urteile erlassen hat, war in Deutschland die sogenannte Sitztheorie vorherrschend. Diese besagte, dass es für die Frage, nach welchem Recht eine Gesellschaft zu beurteilen ist, maßgeblich auf das Recht des Verwaltungssitzes ankommt. Hat also eine Ltd. ihren Verwaltungssitz in Deutschland und übt auch dort die wesentlichen Geschäftstätigkeiten aus, so würde man unter Anwendung der Sitztheorie deutsches Gesellschaftsrecht anwenden müssen. Die Ltd. kann indes nicht in ein deutsches (Handels-)Register eingetragen werden. Nachdem die Ltd. also weder im als GmbH noch als Kommanditgesellschaft im Handelsregister eingetragen ist, ist sie nach der Sitztheorie als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder als OHG zu behandeln. Das hat für die Gesellschafter der Ltd. die überraschende und oftmals in finanzieller Hinsicht verheerende Folge, dass kein Haftungsschirm besteht, sondern vielmehr die sog. akzessorische Haftung nach deutschem Gesellschaftsrecht greift, der Gesellschafter also in vollem Umfang für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch genommen werden kann. Es bestehen dann also massive Haftungsrisiken.

Gegenwärtig ist noch nicht abzusehen, in welche Richtung sich die weiteren Verhandlungen der Europäischen Union mit Großbritannien entwickeln und welche Auswirkungen dies auch für die in Deutschland ansässigen Ltds. zeitigen wird. Denkbar ist sowohl, dass Sonderregelungen getroffen werden, die im Ergebnis die bestehende Rechtslage weitgehend unberührt lassen; denkbar ist demgegenüber auch, dass Großbritannien in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht fortan wie ein Drittstaat (also nicht Mitgliedsstaat der Europäischen Union) zu behandeln ist mit der Folge, dass die fehlende Handelsregistereintragung die persönliche Haftung der Gesellschafter oder – im Falle einer Einmanngesellschaft – die Behandlung als Einzelkaufmann ebenfalls mit vollem Haftungsrisiko zur Folge hat.

Vor diesem Hintergrund kann in dieser Allgemeinheit gegenwärtig nur angeraten werden, die laufende Debatte genau zu verfolgen und die ggf. erforderlichen Schritte in Abstimmung mit versierten rechtlichen Beratern frühzeitig zu gehen. Nach deutschem Recht stehen verschiedene Rechtsformen wie beispielsweise die GmbH oder die Aktiengesellschaft zur Verfügung; sollte weiterhin der Wunsch nach nur sehr geringem Kapitalbedarf bestehen, kommt auch die UG (haftungsbeschränkt) in Betracht, jedoch sind hier Vor- und Nachteile gründlich abzuwägen. Auch Personengesellschaften, die einen Haftungsschutz bieten, sind als neu zu wählende Rechtsform denkbar.