04.10.2016 | Gesellschaftsrecht
Inhalt
Die Einziehung von Geschäftsanteilen der Gesellschafter einer GmbH ist in § 34 GmbHG geregelt. Für eine wirksame Einziehung von Geschäftsanteilen (= Amortisation) ist erforderlich, dass diesbezüglich eine Regelung im Gesellschaftsvertrag besteht (§ 34 Abs. 1 GmbHG), die Grundsätze der Kapitalerhaltung gemäß §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG nicht verletzt werden sowie die Einziehung entweder mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erfolgt oder ein in der Satzung bestimmter sachlicher Grund für eine Einziehung vorliegt (= Zwangseinziehung). Darüber hinaus ist die Einziehung nur zulässig, wenn die Stammeinlagen auf die betroffenen Geschäftsanteile bereits vollständig einbezahlt wurden (vgl. § 19 Abs. 2 GmbHG).
Die Einziehung erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter. Mit der Einziehung entsteht regelmäßig zugunsten des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung gegen die Gesellschaft. Nach früherer Rechtsprechung stand der Einziehungsbeschluss unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung der vollständigen Abfindung an den ausgeschlossenen Gesellschafter (= sog. Bedingungslösung), d.h. die Einziehung wurde erst wirksam, nachdem der Ausgeschlossene im Hinblick auf seinen Abfindungsanspruch vollständig befriedigt worden ist. Mit Urteil vom 24.01.2012 (Az. II ZR 109/11) hat der BGH in Abkehr von dieser Bedingungslösung entschieden, dass der Einziehungsbeschluss – unbeschadet einer anderweitigen Satzungsregelung – nicht erst mit der Leistung der Abfindung, sondern bereits mit dem Zugang des Beschlusses bei dem betroffenen Gesellschaft wirksam werde. Wird die Zahlung der Abfindung etwa durch Ratenzahlungsvereinbarungen über einen längeren Zeitraum gestreckt, entsteht dadurch die Frage nach der Zuordnung des Risikos einer eintretenden Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft in dem Zeitraum zwischen der Beschlussfassung über die Einziehung und der vollständigen Zahlung der Abfindung
In der erwähnten Entscheidung des BGH vom 24.01.2012 (Az. II ZR 109/11) hat der BGH diesbezüglich festgestellt, dass die in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter dem ausgeschlossenen Gesellschafter für die Abfindung persönlich haften, wenn sich nach dem Einziehungsbeschluss die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft dergestalt ändern, dass die Abfindung nicht mehr ohne Verletzung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes geleistet werden könne und die verbliebenen Gesellschafter die Gesellschaft fortsetzten, anstatt sie aufzulösen. Indessen war nach dieser Entscheidung weitgehend unklar, aus welchem Rechtsgrund die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Abfindung folgt, welche konkreten Voraussetzungen hierfür bestehen, sowie welche Reichweite eine solche persönliche Haftung hat.
In der hier zu besprechenden Entscheidung des BGH vom 10.05.2016 (Az. II ZR 342/14) hat der BGH diese Punkte präzisiert.
Sachverhalt
Der der Entscheidung des BGH zugrunde liegende Sachverhalt stellt sich in gekürzter Form wie folgt dar:
Die Gesellschafter A und B beschlossen mit Zustimmung des C die Einziehung dessen Geschäftsanteils an der Gesellschaft. Die Gesellschafterversammlung beschloss ferner, dem C als Abfindung je EUR 300.000,00, fällig in drei Raten, zu zahlen. Die Gesellschaft leistete die ersten beiden Raten der Abfindung an C. Hinsichtlich der dritten Rate wurde dem A kurz vor deren Fälligkeit durch die Gesellschaft mitgeteilt, dass sie zur Zahlung nicht in der Lage sei. Auf Antrag der Gesellschaft wurde nahezu acht Monate später das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet.
C verlangte sodann gerichtlich von A und B persönlich als Gesamtschuldner Zahlung der letzten Abfindungsrate in Höhe von insgesamt EUR 300.000,00 nebst Zinsen. Das Landgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht verurteilte die Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von je EUR 75.000,00 nebst Zinsen. Dagegen wehrten sich die Beklagten mit ihrer Revision vor dem BGH.
Entscheidung des BGH
Der BGH stellte fest, dass alleine die Erklärung der Gesellschaft, sie sei zur Zahlung der dritten Rate der Abfindung nicht in der Lage, keinen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagten, die Gesellschafter A und B, begründen könne.
Maßgeblich für die Begründung der persönlichen Haftung der Gesellschafter sei der Gedanke der Billigkeit. Die Gesellschafter könnten nicht einerseits dem ausgeschiedenen Gesellschafter die Abfindung unter Berufung auf die Kapitalbindung der Gesellschaft verweigern, andererseits jedoch nicht anderweitig dafür sorgen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden könne, etwa weil sie die Gesellschaft treuwidrig fortsetzen, anstatt sie aufzulösen. Die persönliche Haftung der Gesellschaft entstehe folglich erst, wenn die verbliebenen Gesellschafter sich in der genannten Weise treuwidrig verhalten, also in dem Zeitpunkt, ab dem die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen sei.
Alleine eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft, die dazu führe, dass die Abfindung nicht mehr aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden könne, führe nicht zu einer persönlichen Haftung der Gesellschafter. Dadurch verwirkliche sich nur das generelle Risiko, das der von der Einziehung betroffene Gesellschafter generell und insbesondere mit einer Stundung der Abfindungszahlung, eingegangen ist.
Der BGH stellte ferner klar, es stelle keinen Grund für die persönliche Haftung der Gesellschafter dar, wenn die Gesellschaft nicht zahle, obwohl sie nach den §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG zahlen dürfe. Der Streit um die Zahlung der Abfindung könne auf völlig unterschiedlichen Gründen beruhen, so dass sich lediglich dasjenige Risiko verwirkliche, dass die Gesellschaft die Abfindung nicht freiwillig zahle. Solange die Gesellschaft, so der BGH, nicht gemäß den §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG an der Zahlung gehindert sei, scheide eine persönliche Haftung der verbleibenden Gesellschafter aus.
Indessen werde – bei Vorliegen der dargestellten Voraussetzungen – eine persönliche Haftung der verbliebenen Gesellschafter auch dann begründet werde, wenn die Einziehung mit Zustimmung des ausgeschlossenen Gesellschafters erfolgt ist. Der Grund der persönlichen Haftung, bestehe bei einer Einziehung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters in gleicher Weise, wie bei einer Zwangseinziehung.
Im Hinblick auf die Reichweite einer etwaigen persönlichen Haftung der verbliebenen Gesellschafter wies der erkennende Senat darauf hin, dass es der Gesellschaft unbenommen bleibe, abweichende Vereinbarungen hinsichtlich der subsidiären Haftung der in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter zu treffen. Es sei nicht grundsätzlich geboten, dass die Gesellschafter dafür Sorge tragen, dass der ausgeschiedene Gesellschafter seine Abfindung auch dann in voller Höhe erhalte, wenn die Gesellschaft wegen einer Verschlechterung ihrer Vermögenslage aufgrund des Kapitalerhaltungsgrundsatzes die Abfindung nicht mehr leisten könne. Jedoch selbst ohne eine solche Satzungsregelung oder Vereinbarung müsse der ausgeschiedene Gesellschafter hinsichtlich seines Abfindungsanspruchs nur so gestellt werden, wie er bei einer der Treuepflicht entsprechenden Auflösung der Gesellschaft stehen würde.
Zusammenfassung
Die Entscheidung des BGH ist aus anwaltlicher Sicht sowie aus Sicht der Gesellschaft und der in ihr verbleibenden Gesellschafter zu begrüßen, da sie Rechtsgrund, Voraussetzungen und Reichweite der persönlichen Haftung der in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter im Hinblick auf den Abfindungsanspruch eines aus der Gesellschaft ausgeschlossenen Gesellschafters konkretisiert. Demgegenüber verschärft sie die Risiken des von der Amortisation betroffenen Gesellschafters.
Der BGH stellt als Rechtsgrund für eine persönliche Haftung der Gesellschafter im Hinblick auf den Abfindungsanspruch eines ausgeschlossenen Gesellschafters auf die unter den Gesellschaftern bestehende Treuepflicht ab.
Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine persönliche Haftung der in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter für die Abfindung ist nach dem BGH erforderlich, dass
- die Gesellschaft wegen der Schutzfunktion der §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG (Kapitalerhaltungsgrundsatz) die Abfindung nicht zahlen darf und
- die Gesellschafter nicht anderweitig dafür sorgen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann oder sie die Gesellschaft fortsetzen, anstatt sie aufzulösen.
Liegen diese Voraussetzungen vor, kommt – nach dem BGH – eine persönliche Haftung der Gesellschafter nicht nur bei einer Zwangseinziehung in Betracht, sondern auch bei einer Einziehung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters.
Die Reichweite der persönlichen Haftung beschränkt der BGH schließlich auf dasjenige, was der ausgeschlossene Gesellschafter bei rechtzeitiger Auflösung der Gesellschaft erhalten hätte.
Praxishinweise
Für die Praxis ergeben sich daraus folgende Hinweise:
Ein von der Einziehung betroffener Gesellschafter sollte, sofern das möglich ist, tunlichst Ratenzahlungsvereinbarungen hinsichtlich seiner Abfindung vermeiden, weil dann der Abfindungsanspruch grundsätzlich sogleich mit dem Wirksamwerden der Einziehung fällig wird. Ist die Gesellschaft bereits zu diesem Zeitpunkt wegen der §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG zur vollständigen Leistung der Abfindung nicht in der Lage, ist der Einziehungsbeschluss regelmäßig nichtig (§ 241 Nr. 3 AktG analog).
Aus Sicht der in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter gilt es, bis zur vollständigen Erfüllung der Abfindung stets zu prüfen, ob der Kapitalerhaltungsgrundsatz der Zahlung der Abfindung entgegensteht. Sofern dies der Fall ist, kommt eine persönliche Haftung der in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter zum Entstehen, wenn sie darüber hinaus die Gesellschaft treuwidrig fortsetzen, anstatt sie aufzulösen, oder sie nicht anderweitig die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft wiederherstellen. Solange hingegen die Grundsätze der Kapitalerhaltung gemäß der §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbH einer Zahlung der Abfindung nicht entgegenstehen, haften die Gesellschafter nicht persönlich für die Abfindung, auch dann nicht, wenn sie die Zahlung der Abfindung aus anderen Gründen verweigern.
Aus anwaltlicher Sicht sollte im Zusammenhang mit Einziehungsbeschlüssen auf das Risiko der persönlichen Haftung der Gesellschafter hingewiesen werden. Ferner empfiehlt sich – jedenfalls bei der Zwangseinziehung – eine Regelung in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, wonach die persönliche Haftung der Gesellschafter für den Abfindungsanspruch des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters ausgeschlossen wird. Eine solche Regelung ist nach dem BGH zulässig.