Freiwerden von Stellplätzen durch Nutzungsänderung?

Wird durch eine teilweise Nutzungsänderung der Stellplatzbedarf des gesamten Gebäudes reduziert, wenn zwischenzeitlich die Stellplatzanforderungen gesenkt wurden?

Freiwerden von Stellplätzen durch Nutzungsänderung?
Freiwerden von Stellplätzen durch Nutzungsänderung?

16.08.2018 | Bau- und Immobilienrecht

Hintergrund

Die Stellplatzanforderungen wurden in den letzten Jahren in vielen Ländern und Gemeinden reduziert. Vor dem Hintergrund der geänderten Bedürfnisse und Anforderungen (Sharing Economy) sowie auch Umweltfragen (Feinstaub und Diesel) ist auch in Zukunft eher mit einer Absenkung der Anforderungen an notwendige Stellplätze bei baulichen Anlagen zu rechnen. Solche Änderungen sind aber auch für Bestandsimmobilien zu beachten. Dies nämlich immer dann, wenn sich Umbauten oder Nutzungsänderungen ergeben, die Auswirkungen auf die Stellplatzanforderungen nach sich ziehen (können). Nicht hinreichend geklärt war bislang, wie diese Neuberechnung bei Teil-Nutzungsänderungen erfolgen muss.

Der Fall

Der Eigentümer einer Gewerbeimmobilie erweiterte im Jahr 2013 den Mietvertrag mit dem Betreiber eines Fitness-Studios um Flächen im 1. OG. Hierfür wurde eine entsprechende Nutzungsänderung (Büro zu Fitness) beantragt. Beigelegt wurde eine Stellplatzberechnung, die – unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich von der Gemeinde (hier: LHS München) abgesenkten Stellplatzanforderungen (Reduzierung auf 75%) – für das gesamte Gebäude ein „Freiwerden“ von Stellplätzen vorsah. Die Gemeinde verlangte demgegenüber den Nachweis (bzw. die Ablöse) von 4 weiteren Stellplätzen. Zu betrachten sei lediglich die insoweit reine Nutzungsintensivierung im 1. OG.

Die Entscheidung

Nachdem bereits das VG der Klage des Eigentümers gegen die entsprechende Auflage stattgab, hat nunmehr der VGH mit Urteil vom 02.05.2018 (AZ: 2 B.18 458) bestätigt, dass auch in Fällen einer nur teilweisen Nutzungsänderung eine (fiktive) Stellplatzberechnung für das gesamte Gebäude auf Basis der zu dieser Zeit geltenden Rechtslage erfolgen muss. Nur wenn diese Gesamt-Neuberechnung zum Ergebnis komme, dass nicht hinreichend Stellplätze vorhanden sind, können in der Tektur-Genehmigung weitere Stellplätze zur Auflage gemacht werden.

Praxishinweise

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Eigentümer und Planer im Fall der Änderung von Bestandsgebäuden künftig zwingend eine neue Stellplatzberechnung auf Basis der aktuellen Rechtslage bezogen auf das Gesamtgebäude vornehmen sollten. Wenn sich die Anforderungen an die Stellplatzzahl seit der letzten Genehmigung geändert haben, kann nur so sicher beurteilt werden, ob neue Stellplätze gefordert werden können oder ggf. sogar Stellplätze frei werden (die dann zum Beispiel auch verkauft oder anderweitig genutzt werden können). Aber Achtung: „frei“ werden wohl nur solche Stellplätze die bisher an die zu ändernden Flächen „gebunden“ waren (im Fall: die für das 1.OG). Soweit Flächen / Nutzungseinheiten von der Tektur hingegen nicht berührt sind, unterliegen diese Stellplätze weiter der Bestandskraft und werden nur „fiktiv“ frei. Tatsächlich frei werden diese nur dann, wenn die zugehörigen Flächen ebenfalls tektiert werden. Dann sind allerdings auch alle aktuellen Baubestimmungen im Übrigen (zum Beispiel: erhöhte Brandschutzanforderungen) einzuhalten. Einem reinem Tektur-Antrag nur zum Freirechnen der Stellplätze (ohne tatsächliche Änderungen) dürfte das Sachbescheidungsinteresse fehlen und dieser daher abgelehnt werden.