Dienstreise ins Ausland: Reisezeit ist wie Arbeitszeit zu vergüten

 Claudia Knuth

Claudia Knuth

Werden Mitarbeiter auf längere Dienstreisen geschickt, wird regelmäßig ein pauschaler Tagessatz für die Vergütung zugrunde gelegt. Das Bundesarbeitsgericht (v. 17.10.2018, 5 AZR 553/17) hat jetzt festgestellt, dass auch Reisezeit über die tägliche Arbeitszeit hinaus vergütet werden muss.

Dienstreise ins Ausland: Reisezeit ist wie Arbeitszeit zu vergüten
Dienstreise ins Ausland: Reisezeit ist wie Arbeitszeit zu vergüten

13.11.2018 | Arbeitsrecht

Vom Arbeitgeber veranlasste Reisezeiten

Der Arbeitnehmer war als technischer Mitarbeiter bei einem Bauunternehmen beschäftigt. Arbeitsvertraglich war er verpflichtet auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland zu arbeiten. Für Reisetage rechnete der Arbeitgeber regelmäßig acht Arbeitsstunden ab. Der Mitarbeiter hingegen forderte die tatsächlich angefallene Reisezeit, zwischen Haustür und Einsatzort. Das Bundesarbeitsgericht stimmte diesem jetzt zu. Die Dienstreise sei vom Arbeitgeber veranlasst und ausschließlich im Interesse des Arbeitsgebers. Daher ist auch die Reisezeit zu vergüten, die über die tägliche Arbeitszeit hinaus geht. Mangels klarer vertraglicher oder tariflicher Regelungen ist auf die Vergütungserwartung abzustellen. Und diese wird nach dem Bundesarbeitsgericht grundsätzlich zu bejahen sein, wenn die Reisezeit vom Arbeitgeber veranlasst und in seinem Interesse liegt.

Grundsätze zur Vergütung von Reisezeiten

Hinsichtlich der Vergütung von Reisezeiten ist es unerheblich ob es sich um Reisezeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes handelt. Unterschieden wird grundsätzlich nur zwischen regulär vertraglicher Arbeitszeit und solcher, die darüber hinaus geht. Reisezeiten innerhalb der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit sind selbstverständlich immer zu vergüten. Hinsichtlich darüber hinausgehender Arbeitszeiten fehlt es hingegen meist an einer vertraglichen oder tariflichen Vereinbarung.

Mangels spezieller Regelungen bestimmt § 612 BGB „eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.“ Wie diese gesetzliche Regelung zu interpretieren ist, wird unterschiedlich beurteilt. Zum einem wird angenommen, dass jede Reisezeit mit einem hohen Zeitaufwand und Anstrengungen verbunden ist und daher immer vergütungspflichtig sei. Andere hingegen lehnen dies für Reisezeiten ab, in denen man nicht arbeiten und sich (wie z.B. auf einem Langstreckenflug) ausruhen kann. Teilweise soll auch die Höhe des Gehaltes miteinbezogen werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich immer wieder für eine Einzelfallbetrachtung ausgesprochen. Eine Vergütungspflicht sei stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und des Einzelfalls zu beurteilen: „Einen Rechtssatz, dass solche Reisezeiten stets oder regelmäßig zu vergüten seien, gibt es nicht.“ Im vorliegenden Fall bejahte das BAG eine Vergütungspflicht für einen Langstreckenflug nach China. Lediglich die zeitliche Verlängerung für den freiwilligen Zwischenstopp des Mitarbeiters lehnte das Gericht ab, hier sei hilfsweise die Dauer eines Direktflugs anzusetzen.

Praxishinweis

Um einer Einzelfallbetrachtung zu entgehen sollte die Vergütung von Reisezeiten von Anfang an vertraglich mit dem Arbeitnehmer oder mit dem Betriebsrat geregelt werden. Grundsätzliche Regelungen können teilweise auch dem jeweils einschlägigen Tarifvertrag entnommen werden. Mithilfe einer Betriebsvereinbarung können arbeitsvertragliche (günstigere) Regelungen nur dann verändert werden, wenn Arbeitgeber und Mitarbeiter den Umfang der Arbeitspflicht mit Auswirkung auf die Höhe der Vergütung ausdrücklich oder konkludent betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet haben.

Insbesondere beim Entwurf einer arbeitsvertraglichen Regelung ist schließlich die aktuelle Rechtsprechung zu beachten. Zum Beispiel ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers enthaltene Klausel, Reisezeiten seien mit der Bruttomonatsvergütung abgegolten, intransparent, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag nicht ergibt, welche Reisetätigkeit von ihr in welchem Umfang erfasst werden soll. Auch darf für die in einem Kalendermonat insgesamt geleistete vergütungspflichtige Arbeit der gesetzliche Anspruch auf Mindestlohn nicht unterschritten werden. Jedoch ist bei einer unmittelbaren Anreise des Mitarbeiters von seiner Wohnung zu einem außerhalb der Betriebsstätte gelegenen Arbeitsplatz regelmäßig die Zeit nicht zu vergüten, die der Mitarbeiter dabei dadurch erspart, dass er sich nicht von seiner Wohnung zum Betrieb zu begeben braucht.