Wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit wahrer Behauptungen

Rufschädigende, öffentliche Mitteilungen können unzulässig sein. Dies kann auch für Äußerungen gelten, die auf wahren Tatsachen beruhen.

Wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit wahrer Behauptungen
Wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit wahrer Behauptungen

19.08.2019 | IT-Recht und Datenschutz

Häufig sehen sich Unternehmen mit Aussagen von Kunden oder Wettbewerbern konfrontiert, mit denen sie nicht einverstanden sind. So geben etwa Kunden nachteilige Bewertungen über die Unternehmensinternetseite, externe Bewertungsportale oder soziale Medien ab. Es kommt aber auch vor, dass Wettbewerber andere Unternehmen herabsetzen, um sich selber besser dastehen zu lassen.

Derartige Äußerungen werden über das Internet häufig schnell weiterverbreitet, weswegen Unternehmen in kurzer Zeit auf die Äußerungen reagieren müssen. Mitunter kann es sinnvoll sein, auf die Äußerungen „schlicht“ mit einem eigenen Statement zu antworten, um die möglichen Argumente zu entkräften. Sollte dies nicht möglich oder zielführend sein, stellt sich die Frage, ob die Löschung der Äußerungen verlangt werden kann.

Zu den rechtlichen Möglichkeiten hat das Landgericht Hamburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil eine aktuelle Entscheidung getroffen:

Sachverhalt:

Die beteiligten Unternehmen bieten jeweils die Zertifizierung und Erteilung von Gütesiegeln für Biomineralwasser an. Das eine Unternehmen gab Pressemitteilungen heraus, in welchen u. a. das Siegel des anderen Unternehmens als „Schein-Bio-Siegel“ benannt wurde. Zudem wurde dem anderen Unternehmen unterstellt, die Zertifizierung und Voraussetzungen des Siegels würden für jeden Kunden individuell angepasst.

Das betroffene Unternehmen forderte die Unterlassung dieser Äußerungen. Letztlich klagte es dagegen und forderte Schadensersatz von dem veröffentlichenden Unternehmen.

Entscheidung:

Das Landgericht Hamburg hat die weitere Verbreitung der beiden genannten Äußerungen im Ergebnis untersagt. Das Unternehmen, welches die Pressemitteilungen veröffentlicht hatte, darf diese Behauptungen so nicht weiter aufstellen.

Zwar gelte auch für Unternehmen grundsätzlich die Meinungsfreiheit. Allerdings sind zwischen Unternehmen die wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten zu beachten. Äußerungen über Mitbewerber können unlauter und damit rechtswidrig sein, wenn sie die geschäftlichen Verhältnisse des Mitbewerbers herabsetzen oder verunglimpfen. Dies gelte auch für belastende Tatsachenbehauptungen, die nicht erwiesenermaßen wahr sind. Nach den Regelungen des Wettbewerbsrechts liegt die sog. Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit von Behauptungen bei dem Äußernden.

Das Landgericht Hamburg stufte die genannten Aussagen als Tatsachenbehauptungen ein, weil grundsätzlich überprüfbar sei, ob die Angaben stimmten oder nicht. Im konkreten Fall konnte das Unternehmen aber nicht beweisen, dass die zulasten des Wettbewerbers aufgestellten Behauptungen tatsächlich zutrafen. Aufgrund dieses fehlenden Nachweises wurde das Unternehmen verurteilt, die Aussagen nicht zu wiederholen (LG Hamburg, Urteil vom 09.07.2019, Az. 406 HKO 22/19).

Fazit und Einordnung:

Die neuerliche Entscheidung findet sich in einer ganzen Reihe von Entscheidungen wieder, die sich mit der Thematik Meinungsfreiheit und Tatsachenbehauptungen beschäftigen. Gerade durch die Zunahme von Online-Portalen für alle möglichen Themen und Bereiche hat es bereits eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen bis hin zum Bundesverfassungsgericht gegeben. Die Gerichte haben sich sowohl mit den Bewertungen von (vermeintlich) benachteiligten Kunden als auch Äußerungen unzufriedener Mitarbeiter sowie den Behauptungen von konkurrierenden Unternehmen befasst. Nach diesen Entscheidungen kann man zusammengefasst davon ausgegangen, dass unwahre Tatsachenbehauptungen unzulässig sind. Wahre Tatsachenbehauptungen hingegen sind grundsätzlich hinzunehmen, selbst wenn sie frühere und mittlerweile abgeschlossene Sachverhalte betreffen. Äußerungen einer Meinung, also einer subjektiven Einschätzung zu Themen, sind im Rahmen der Meinungsfreiheit sehr weitgehend geschützt und damit weitestgehend zulässig.

Die neue Entscheidung des Landgerichts Hamburg bringt insofern eine neue Note in die Diskussion, als dass es hier um Tatsachenbehauptungen ging, die möglicherweise zwar wahr waren, aber aufgrund der wettbewerbsrechtlichen Regelungen als nicht erwiesenermaßen wahr angesehen wurden. Ob sie tatsächlich wahr waren oder aber bewusst unwahr aufgestellt wurden, hat hier nicht den Ausschlag gegeben. Das äußernde Unternehmen muss also möglicherweise richtige Behauptungen aufgrund der wettbewerbsrechtlichen Eigenheiten unterlassen.

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass Unternehmen sowohl von Kunden als auch von Wettbewerbern keine Äußerungen hinnehmen müssen, die schlicht falsch sind oder das eigene Unternehmen bewusst bloß herabwürdigen. Falsche Behauptungen und reine sog. Schmähkritik, also schlichte Beleidigungen, sind und bleiben unzulässig. Meinungen, die sich nicht allein in Tatsachenbehauptungen erschöpfen, sind weitgehend zu akzeptieren, auch wenn man selber anderer Meinung sein sollte. Bei wahren Tatsachenbehauptungen ist – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Entscheidung des Landgerichtes Hamburg – maßgeblich, von wem und in welchem Kontext sie getätigt wurden. Gegebenenfalls ist hier zu prüfen, inwiefern über das Wettbewerbsrecht auch bei wahren Tatsachenbehauptungen, die nachteilig für das eigene Unternehmen sein können, gegen die Äußerungen vorgegangen werden kann.