Neues Arbeitsschutzkontrollgesetz

Am 1. Januar 2021 ist das Arbeitsschutzkontrollgesetz in Kraft getreten. Es soll für geordnete Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sorgen und die Aufsicht des Arbeitsschutzes verbessern.

Neues Arbeitsschutzkontrollgesetz
Neues Arbeitsschutzkontrollgesetz

23.03.2021 | Arbeitsrecht

Neues Arbeitsschutzkontrollgesetz

Die Fleischindustrie steht nicht nur aufgrund ihrer unzureichenden Arbeitsbedingungen der oft aus Osteuropa stammenden Arbeiter bereits seit längerer Zeit in der Kritik. In jüngster Zeit geriet sie auch als Hotspot von COVID-19-Ausbrüchen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Bundesregierung hat Handlungsbedarf gesehen und ein Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft beschlossen. Zur Umsetzung des Programms wurde das Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) auf den Weg gebracht. Es ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten.

Hintergrund

Im Kerngeschäft der Fleischindustrie – Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung – wurde bisher ein überproportional hoher Anteil von einfach auszutauschendem ausländischem Fremdpersonal eingesetzt. Dies führte zu einer Sub-Sub-Unternehmerkette, die durch Intransparenz und prekäre Arbeitsbedingungen geprägt ist.

Bisher setzte der Gesetzgeber zur Verbesserung der Arbeits- und Gesundheitsbedingungen der Arbeitnehmer neben eigenen gesetzgeberischen Bemühungen wie dem Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) vor allem auf freiwillige Regelungen durch Selbstverpflichtungen der Branche. Dies führte jedoch zu keinen nennenswerten Verbesserungen. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz soll nun für bundeseinheitlich geordnete und sichere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sorgen und die Aufsicht des Arbeitsschutzes verbessern. Darüber hinaus enthält das Artikelgesetz auch branchenübergreifende Änderungen, u.a. im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und in der Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV).

Wesentliche Regelungen:

1. Verbot von Fremdpersonaleinsatz

Eine der zentralen Änderungen zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischindustrie dürfte das Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal in Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung sein. Nach den Änderungen des GSA Fleisch darf der Inhaber eines Unternehmens in diesem Kernbereich künftig nur noch eigene Arbeitnehmer beschäftigen. Ebenso ist die gemeinsame Führung eines Betriebes oder eine übergreifende Organisation durch zwei oder mehrere Unternehmer jetzt unzulässig. Des Weiteren bestimmen die Änderungen im GSA Fleisch, dass der Einsatz von Leiharbeitern ab dem 1. April 2021 weitestgehend und ab dem 1. April 2024 vollständig verboten wird. Die auf drei Jahre befristete Ausnahmeregelung ermöglicht es den Unternehmen, auf Grundlage eines Tarifvertrags und unter strengen Auflagen Auftragsspitzen ausschließlich in der Fleischverarbeitung durch Leiharbeit aufzufangen. Der Bundestag hat im Gesetz jedoch eine Evaluationsklausel eingebracht, die dem Gesetzgeber die Möglichkeit gibt, eine Verlängerung oder Entfristung der Tariföffnungsklausel vorzunehmen.

Das Fleischerhandwerk ist von den Regelungen zum Verbot der Fremdbeschäftigung ausgenommen. Hierunter fallen mittelständische Betriebe, die nicht mehr als 49 Personen beschäftigen, wobei das Verkaufspersonal bei der Ermittlung des Schwellenwerts nicht mitgezählt wird.

2. Arbeitszeiterfassung

Mit Ausnahme des Fleischerhandwerks müssen die Arbeitgeber der Fleischindustrie nach dem neuen GSA Fleisch den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit ihrer Belegschaft verpflichtend „elektronisch und manipulationssicher“ aufzeichnen. Diese Aufzeichnungen sind sodann elektronisch aufzubewahren. Die verschärften Voraussetzungen sollen den bisherigen gravierenden Arbeitszeitverstößen Rechnung tragen und eine wirksame Überprüfung gewährleisten, ob die Mindestlohnvorschriften der Beschäftigten eingehalten sind. Ausdrücklich wurde ferner geregelt, dass Rüst-, Umkleide- sowie Waschzeiten, soweit erforderlich und dienstlich veranlasst, als Arbeitszeit mit zu erfassen sind. Zur Sicherung des Arbeitsschutzes wurde letztlich auch der Bußgeldrahmen verdoppelt. Verstöße gegen die Zeiterfassung können nunmehr mit einer Geldbuße bis zu 30.000 Euro geahndet werden.

3. Bereitstellung angemessener Unterkünfte

Die Unterbringung von Beschäftigten in Gemeinschaftsunterkünften muss künftig Mindeststandards genügen. Diese Regelungen gelten branchenübergreifend. Hierzu wurde die ArbStättV ergänzt und vorgeschrieben, wie die Gemeinschaftsunterkünfte zur Unterbringung von Arbeitnehmern ausgestattet sein müssen. Den Arbeitgeber trifft fortan eine umfassende Dokumentationspflicht im Hinblick auf die Bereitstellung von Gemeinschaftsunterkünften zur Ermöglichung effektiverer Kontrollen. Ferner hat er auch die Verpflichtung, angemessene Unterkünfte für Beschäftigte zur Verfügung zu stellen, gegebenenfalls auch außerhalb des Betriebsgeländes, wenn es aus Gründen der Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit oder zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit erforderlich ist. Die Anforderungen an die Ausstattung der Unterkünfte richten sich nach der Belegungszahl und Dauer der Unterbringung.

4. Mindestbesichtigungsquoten für Arbeitsschutzbehörden

Die Überwachung des Arbeitsschutzes ist nach dem ArbSchG staatliche Aufgabe. Branchenübergreifend wird nun der Vollzug im Arbeitsschutz verbessert. Getreu der Redewendung „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“ stärkt das ArbSchG künftig die Effizienz der Kontrollen. Das Gesetz sieht hierzu eine bundesweit einheitliche Mindestbesichtigungsquote von 5 % der im jeweiligen Bundesland vorhandenen Betriebe vor. Den Ländern wird durch eine schrittweise Steigerung der Besichtigungen bis zum Jahr 2026 eine Vorbereitungszeit zur Umsetzung eingeräumt. Die zuständigen Behörden haben bei der Auswahl der zu überwachenden Betriebe Art und Umfang des betrieblichen Gefährdungspotenzials zu berücksichtigen. Die in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin neu eingerichtete Bundesfachstelle für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit soll für die Umsetzung der Mindestbesichtigungsquote sorgen, die Überwachung der Arbeitsschutzaufsicht durchführen und auf dieser Grundlage Beiträge zur Berichterstattung erstellen.

Zusammenfassung

Durch das Arbeitsschutzkontrollgesetz wurde ein rechtlicher Rahmen dafür geschaffen, die in der Fleischindustrie bisher überwiegend praktizierte Sub-Sub-Unternehmerkette zu unterbinden und zu verhindern, dass sich die Unternehmen ihrer Gesamtverantwortung entziehen. Von den Regelungen sind im Wesentlichen große Unternehmen betroffen, da mittelständische Handwerksbetriebe in der Fleischverarbeitung vom Anwendungsbereich ausgenommen sind. Ziele des Artikelgesetzes sind angemessene Arbeitsbedingungen und ausreichender Gesundheitsschutz.

Ob das Arbeitsschutzkontrollgesetz die unzureichenden Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie tatsächlich beseitigen wird, bleibt abzuwarten. Ebenso offen ist, ob das neue Gesetz im Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, insbesondere im Hinblick auf das Fremdpersonalverbot im Kernbereich der Fleischindustrie und das Kooperationsverbot der Betriebe, standhalten wird. Inhaber von Betrieben in der Fleischindustrie sehen hierin einen rechtswidrigen Eingriff in die berufliche und unternehmerische Handlungsfreiheit. Anträge im Wege der einstweiligen Anordnung hat das Bundesverfassungsgericht bereits durch Beschluss vom 29. Dezember 2020 abgelehnt.