Krankheitsbedingte Kündigung (Teil 3): Betriebliches Eingliederungsmanagement

Fällt ein Arbeitnehmer für längere Zeit aus, ist der Arbeitgeber verpflichtet ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Wir liefern einen Überblick, welche Rolle das BEM-Gespräch insbesondere bei einer krankheitsbedingten Kündigung spielt.

Krankheitsbedingte Kündigung (Teil 3): Betriebliches Eingliederungsmanagement
Krankheitsbedingte Kündigung (Teil 3): Betriebliches Eingliederungsmanagement

23.07.2021 | Arbeitsrecht

Arbeitgeber ist verpflichtet ein BEM anzubieten

Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Dennoch ist ein solches vor einer krankheitsbedingten Kündigung durchzuführen, da ein BEM den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert. Bei der Durchführung eines BEM wird geschaut, ob mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen.

Der Arbeitgeber ist nach § 167 Abs. 2 SBG IX dazu verpflichtet, ein BEM anzubieten, wenn ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Die Durchführung des BEM setzt allerdings die Zustimmung des Arbeitnehmers voraus, da die Teilnahme freiwillig ist. Allein die Weigerung des Arbeitnehmers, Angaben zu seiner Erkrankung zu machen, entbindet den Arbeitgeber jedoch noch nicht von seiner Verpflichtung. Erst wenn der Arbeitnehmer nach ordnungsgemäßem Angebot eines BEM und entsprechender Aufklärung seine Teilnahme verweigert, kann von einer Aussichtslosigkeit ausgegangen und von einer Durchführung abgesehen werden. Das Unterlassen eines BEM wäre in diesem Fall „kündigungsneutral“.

Ziel und Durchführung des BEM: Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen

Ziel des BEM ist es herauszufinden, was der Grund für die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers ist und ob diese mit den Arbeitsbedingungen zusammenhängen. Im Rahmen eines Gesprächs soll der Arbeitgeber mit dem betroffenen Arbeitnehmer klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Soweit erforderlich, ist der Betriebsarzt zu der Beurteilung hinzuziehen (bei schwerbehinderten Mitarbeitern auch die Schwerbehindertenvertretung). Regelmäßig soll versucht werden, die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers über eine stufenweise Wiedereingliederung erneut herzustellen.

Wann muss der Arbeitgeber kein BEM durchführen?

Hat ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer krankheitsbedingt gekündigt, ohne ihm vorher ein BEM angeboten zu haben, wird sich dies bei der Interessenabwägung (3. Stufe) auswirken. Es steht der Vorwurf einer „vorschnellen“ Kündigung im Raum. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist bei fehlendem Angebot auf Durchführung eines BEM anzunehmen, wenn anderenfalls die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung für den Arbeitnehmer bestanden hätte. Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist bei Nichtdurchführung eines BEM nur dann Genüge getan, wenn der Arbeitgeber umfassend und detailliert vorträgt, warum weder ein weiterer Einsatz am bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen wären und der Arbeitnehmer auch nicht an einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können. Der Arbeitgeber hat demnach darzulegen, warum also ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten bzw. der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG, Urt. v. 13.05.2015 – 2 AZR 565/14).

Ein einmal ordnungsmäßig durchgeführtes BEM wirkt nicht unbegrenzt. Liegt zwischen der Beendigung des BEM und dem Ausspruch der Kündigung ein zu langer Zeitraum, besteht die Gefahr, dass das durchgeführte BEM seine Wirkung verloren hat. Ein neues BEM ist vor einem Kündigungsausspruch jedenfalls dann anzubieten, wenn ein solches mehr als Jahr zurückliegt und es in diesem Zeitraum zu einer erneuten mindestens sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit gekommen ist (LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.10.2016 – 13 Sa 356/16).

Fazit

Bietet ein Arbeitgeber keine Durchführung eines BEM an, wirkt sich dies in einem Kündigungsschutzprozess zu Lasten des Arbeitgebers aus. Denn ohne BEM kann sich dieser nicht pauschal darauf berufen, dass eine anderweitige, leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer nicht bestanden habe. Eine Kündigung wäre in diesem Fall regelmäßig unwirksam.

Weitere Beiträge zur krankheitsbedingten Kündigung

Mit dem dritten Teil des Beitrags wurde zur krankheitsbedingten Kündigung der Einfluss eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) auf die Rechtmäßigkeit der Kündigung dargestellt. In den beiden vorherigen Teilen wurden bereits das allgemeine Prüfungsschema der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung sowie die einzelnen Arten einer krankheitsbedingten Kündigung behandelt.