26.01.2021 | Bau- und Immobilienrecht
Ulrich Eix, Rechtsanwalt, IPA Experte
Ulrich Eix: Genauso sehe ich das. Integrierte Projektabwicklung, sowohl nach dem australischen Alliancing-Modell oder dem anglo-amerikanischen Integrated Project Delivery, beschreibt die ergebnisorientierte Durchführung von Bauprojekten, bestenfalls auf Basis eines einzigen Vertrags zwischen allen wesentlichen Beteiligten. Alle am Projekt beteiligten Parteien haben dadurch ein gemeinsames Ziel: den erfolgreichen Abschluss des Bauprojektes, und zwar unter Einhaltung zuvor festgelegter Kriterien, wie beispielsweise Fertigstellungszeitpunkt, Qualitätsansprüche oder Kostenhöhe. Eine funktionierende Kooperation von Beginn an spielt also eine zentrale Rolle.
Integrierte Projektabwicklung, sowohl nach dem australischen Alliancing-Modell oder dem anglo-amerikanischen Integrated Project Delivery, beschreibt die ergebnisorientierte Durchführung von Bauprojekten, bestenfalls auf Basis eines einzigen Vertrages zwischen allen wesentlichen Beteiligten.
Das hört sich spannend und herausfordernd zugleich an. Können Sie dies noch etwas genauer beschreiben?
Der Projekterfolg hängt maßgeblich von der Zusammenarbeit aller Beteiligten ab ...
Ulrich Eix: Der Projekterfolg hängt maßgeblich von der Zusammenarbeit aller Beteiligten ab und alle Projektbeteiligten tragen auch das Risiko gemeinsam. Die Entlohnung ist schlussendlich an die erfolgreiche Realisierung des Projektes gekoppelt. Kurz gesagt: Nur wenn das Gesamtprojekt erfolgreich ist, hat auch jeder einzelne Erfolg. Dies funktioniert allerdings nur, wenn durch unterschiedliche Mechanismen und Prozesse das bei den jeweiligen Parteien angesiedelte Wissen transparent gemacht wird. Die einzelnen Parteien müssen so früh wie möglich in das Projekt einbezogen und zum Austausch gebracht werden – und zwar bereits in der Planungsphase.
Von welchen Prozessen und Mechanismen sprechen Sie dabei konkret?
Ulrich Eix: Ich denke dabei an Elemente, wie den Mehrparteienvertrag als rechtliche Basis sowie die Lean-Methodik zur Maximierung der Wertschöpfung oder Building Information Modeling (BIM) als Werkzeug zur Erhöhung der Planungstransparenz. Einen wesentlichen Bestandteil bilden ohne Frage einheitliche vertragliche Rahmenbedingungen für alle zentralen Projektbeteiligten. Nur dadurch ist die Abwicklung des Projektes zu regeln. Als jemand, der sich intensiv mit Lean und seit Langem mit BIM beschäftigt, bin ich von IPA in Form von Mehrparteienverträgen als Krönung der prozessoptimierten Projektabwicklung überzeugt.
Ist eine solche Allianz von Projektbeteiligten nicht besonders konfliktbehaftet?
Ulrich Eix: Nicht mehr als bei „herkömmlichen“ Projekten. Im Gegenteil, IPA ist ein Modell, welches in jedem Fall auf eine Kultur der Zusammenarbeit und im Idealfall auf einen Haftungsverzicht zwischen den Projektbeteiligten setzt. Die einzelnen Mechanismen sollen den Kollaborationsgedanken einer „no-blame-culture“ fördern. Beispielsweise steigt die Bemühung, etwaige Zeitverzögerungen im Projektablauf bis zum Projektende wieder wett zu machen, um den Projektgewinn nicht zu schmälern. Deshalb sind übrigens im Besonderen große sowie komplexe Projekte für den IPA-Ansatz prädestiniert.
Die einzelnen Mechanismen sollen den Kollaborationsgedanken einer „no-blame-culture“ fördern.
Können Sie das genauer erläutern?
Ulrich Eix: Bei IPA in Reinform gibt es keine Einzelverträge, sondern wir sprechen von einem Vertragswerk, welches die Zusammenarbeit zwischen Beteiligten regelt. Der Individualisierungsbedarf ist dabei um einiges höher als bei klassischen Verträgen, damit die Prozesse und Strukturen im speziellen Projekt funktionieren. Zudem ist neben einem längeren Projektvorlauf auch der Aufwand für die Verwaltung des Projektkonstrukts höher als bei klassischen Ansätzen. Kleine Projekte eignen sich also nicht zwangsläufig für IPA, da der Aufwand möglicherweise nicht im Verhältnis steht. Bei großen und komplexen Projekten sei aber ganz klar gesagt: IPA bringt wahrscheinlich eine intensivere und ggf. längere Anlaufphase mit sich, führt aber nach aktuellen Erkenntnissen zu einem fristwahrenden sowie kostengünstigeren Gesamtprojekt.
Nun ist das Thema IPA nicht neu. In den USA beispielweise werden Bauprojekte nach IPA bereits seit den 90ern umgesetzt. Auch in Finnland werden seit Jahren erfolgreich Projekte realisiert. Warum dauert das hierzulande so lange?
Ulrich Eix: Generell sind wir Deutschen hinsichtlich innovativer Management-Ansätze in sämtlichen Industriezweigen eher konservativer aufgestellt. Auch scheint bisher die Erkenntnis zu fehlen, dass Kooperation oder sogar Kollaboration in Bauprojekten zum Erfolg des Einzelnen führt. International sind wir für unsere Qualitätsarbeit bekannt und verfügen über großartige Baufirmen sowie Planungsbüros. Die jeweiligen Einzelunternehmen sind in Deutschland sehr gut aufgestellt. Allerdings funktioniert die Zusammenarbeit und Abstimmung im Bauablauf meist nicht reibungslos. In komplexen Projekten verfolgen die Beteiligten häufig ihre Partikularinteressen statt eines gemeinsamen Ziels.
Woran liegt es dann, dass IPA nun gerade jetzt in Deutschland eine bedeutendere Rolle bekommt?
Ulrich Eix: Die Projekte selbst haben sich verändert: Wir sprechen heute von enormen Großprojekten mit einer Schnelllebigkeit und extremer Komplexität. Es sind also die Zeichen der Zeit, die es notwendig machen, über neue Projektansätze nachzudenken. Individuelle Stärke allein reicht nicht mehr aus, um solch gigantische Projekte erfolgreich zu stemmen – hier ist ein hohes Maß an Kooperation und Abstimmung gefragt. Außerdem habe ich den Eindruck, dass es mittlerweile genügend misslungene Projekte gibt, die ein Umdenken und Kollaboration befeuern. Ganz zu schweigen von den Unternehmen und Personen, die das konfliktbehaftete Gegeneinander satthaben.
Es sind also die Zeichen der Zeit, die es notwendig machen, über neue Projektansätze nachzudenken.
Wo sehen Sie also die größten Herausforderungen bei IPA?
Ulrich Eix: Auf den Punkt gebracht sind die zentralen Herausforderungen, alle Beteiligten zusammenbringen, gemeinsame Interessen zu definieren sowie die Zusammenarbeit zu regeln. Und dann muss diese Kooperation während des Projekts aufrechterhalten und gemanagt werden.
Worin liegen die großen Hemmnisse, IPA tatsächlich einzusetzen?
Ulrich Eix: Neben dem Aufwand und der Zeit, welche in die Vorbereitung und das Managen eines IPA-Projekts gesteckt werden müssen, ist leider auch die rechtliche Unsicherheit ein Thema. Es ist derzeit noch nicht absehbar, wie Gerichte Mehrparteienverträge auslegen werden. Die rechtlichen Elemente von IPA sind für das deutsche Gesetz ein Novum. Ich bin aber überzeugt, dass diese Unsicherheit beherrschbar ist bzw. im Verhältnis zu den Vorteilen dieser Projektabwicklungsform hinnehmbar.
Gerade mit diesem Aspekt im Hinterkopf: Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung in Deutschland ein?
Es muss unser Ziel sein, die Individualqualität einzelner Unternehmen in der Baubranche in kooperativen Projektabwicklungsformen zu nutzen und Lust auf Projekte außerhalb von „Schützengräben“ zu machen.
Ulrich Eix: IPA wird definitiv auch in Deutschland stärker ankommen und an Bedeutung gewinnen. Es muss unser Ziel sein, die Individualqualität einzelner Unternehmen in der Baubranche in kooperativen Projektabwicklungsformen zu nutzen und Lust auf Projekte außerhalb von „Schützengräben“ zu machen. Die absolute Rechtssicherheit ist momentan zwar noch Wunschdenken. Wenn sich aber IPA/Alliancing-Projekte etablieren, halte ich es für möglich, dass der Gesetzgeber reagiert. Der deutsche Baugerichtstag hat bereits seine Empfehlung für die Aufnahme eines entsprechenden Vertragstyps in das BGB abgegeben.
Lesen Sie demnächst: Worin liegen die wichtigsten Aufgaben einzelner IPA-Projektbeteiligter?
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