Integrierte Projektabwicklung (IPA) – Eine Chance für (öffentliche) Auftraggeber?

Die wesentlichen Faktoren in Bauprojekten sind Zeit und Geld. Diese können auch bei großen Vorhaben besser gehandhabt werden, wenn alle Beteiligten an „einem Strang ziehen“. IPA bietet eine Möglichkeit, die verschiedenen Interessen zu bündeln - auch für die öffentliche Hand.

Integrierte Projektabwicklung (IPA)

Erfolgreiche Bauprojekte durch innovative Vertragsmodelle, moderne Planungsmethoden und eine kollaborative Projektrealisierung

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Integrierte Projektabwicklung (IPA) – Eine Chance für (öffentliche) Auftraggeber?
Integrierte Projektabwicklung (IPA) – Eine Chance für (öffentliche) Auftraggeber?

01.07.2021 | Bau- und Immobilienrecht, Vergaberecht

Große Bauvorhaben gelten allgemein als schwerfällig und problembehaftet. Die hohe technische Komplexität, die solche Vorhaben regelmäßig mit sich bringen, stellt dabei oft nur einen untergeordneten Aspekt dieser Wahrnehmung dar. Denn im Allgemeinen besteht vor allem der Eindruck, dass diese Projekte das veranschlagte Budget sprengen und weit länger in der Umsetzung benötigen als geplant. Die Ursachen dafür sind natürlich zahlreich. Eine sehr Wesentliche ist aber, dass die beteiligten Unternehmen – sowohl die Planer- als auch die bauausführende Seite – vor allem ihre eigenen Interessen gegenüber dem Bauherrn vertreten. Ziel des Einzelnen ist ein möglichst hoher Gewinn. Um etwaige Vergütungsansprüche zu sichern, werden zahlreiche Behinderungsanzeigen geschrieben und Bedenken angemeldet. Die Interessen des Einzelnen stimmen dabei nicht zwingend mit denen des Projektes überein. Probleme in der Umsetzung werden auf bilateraler Ebene zwischen dem Auftraggeber und dem jeweiligen Unternehmen geklärt, nicht aber zwischen allen Beteiligten.

Lösung: Moderne Projektabwicklung mit der Fokussierung auf den Projekterfolg

Als Lösung zur Bündelung der in einem Vorhaben bestehenden Einzelinteressen und Fokussierung auf den Projekterfolg werden moderne Projektabwicklungsformen herangezogen, die eine partnerschaftliche Abwicklung der Projekte zum Gegenstand haben. Eine dieser innovativen Projektabwicklungsformen ist die Integrierte Projektabwicklung (IPA). Bei einem IPA-Projekt wird ein Mehrparteienvertrag zwischen den Schlüsselgewerken eines Bauvorhabens bereits zu einem sehr frühen Planungszeitpunkt getroffen. In einer ersten Planungsphase bringen sich nicht nur die Planungsbeteiligten, sondern auch die maßgeblichen ausführenden Gewerke in dem Projekt ein, um eine größtmögliche Sicherheit in Bezug auf die Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Planung zu erlangen. Die Projektabwicklung erfolgt dabei in echter Kollaboration der Beteiligten und unter Anwendung eines Painshare/Gainshare-Mechanismus. Auch die Vergütung ist in gewissem Umfang an den Gesamtprojekterfolg gekoppelt. Zwar erstattet der Auftraggeber den Projektbeteiligten die ihnen tatsächlich entstehenden Kosten, die Vergütung von Allgemeinen Geschäftskosten und Wagnis und Gewinn erfolgt aber aus einem aus dem Projektbudget zugewiesenen Bonuspool, der nur ausgeschüttet wird, wenn bestimmte, von den Beteiligten definierte Projektziele erfüllt werden. Erfahrungen aus anderen Ländern, unter anderem den USA, Australien und Finnland, haben gezeigt, dass IPA-Projekte regelmäßig unter Kosteneinhaltung und innerhalb der vorgegebenen Zeit fertiggestellt werden. Zudem werden Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien vermieden, da sich realisierende Projektrisiken regelmäßig allen Parteien zugewiesen sind.

IPA bei öffentlichen Auftraggebern?

Auch für die öffentliche Hand, die an das Vergaberecht gebunden ist, stellt IPA eine umsetzbare Möglichkeit dar. Dass dies im Einklang mit den vergaberechtlichen Vorgaben der Europäischen Union möglich ist, zeigt das Beispiel Finnland.

Ein Vergabeverfahren wird dabei auf Abschluss eines IPA-Vertrages gerichtet sein. Die Bieter eines Vergabeverfahrens werden verpflichtet, im Zuschlagsfall Partei des Mehrparteienvertrages zu werden. Eine Vergabe ist grundsätzlich sowohl an einzelne Unternehmen als auch an einen Zusammenschluss von Unternehmen denkbar. Sie erfolgt dabei entweder in einem Verhandlungsverfahren oder im wettbewerblichen Dialog. Der Auftraggeber verhandelt im Verfahrensablauf entweder mit sämtlichen Bietern einen von ihm vorgegebenen Vertragsentwurf oder entwickelt mit diesen zusammen ein Vertragsmuster.

Eine besondere Herausforderung bietet bei solchen Vergabeverfahren die Bestimmung der Zuschlagskriterien und die daraus folgende Bewertung der Angebote. Auch bei bauausführenden Unternehmen kann dabei der Preis ein Zuschlagskriterium sein. Die Planung befindet sich im Zeitpunkt der Ausschreibung bei einem IPA-Projekt naturgemäß nicht auf dem Stand, dass ein Bauunternehmen einen Preis für die Ausführung der Leistungen insgesamt abgeben kann, der bewertet wird. Haushalterisch wird eine so frühe Ausschreibung dennoch als vergaberechtlich zulässig angesehen. Möglich ist nämlich jedenfalls eine Angabe von den Zuschlägen, die das Unternehmen im Auftragsfall beanspruchen wird und die auch eine preisvergleichende Bewertung verschiedener Bieter ermöglicht.

Dennoch wird der Preis nicht das einzige und regelmäßig nicht das wesentlichste Zuschlagskriterium bei der Ausschreibung von IPA-Leistungen sein. Maßgeblich für den Erfolg eines IPA-Projektes ist die Kollaborationsfähigkeit der Vertragsparteien. Diese wird daher auch für die Bestimmung des besten Preis-Leistungsverhältnisses eines Angebotes betrachtet werden müssen. Bewertet werden daher die „Soft Skills“ des angebotenen Projektteams. Diese stellen ein vergaberechtlich zulässiges Zuschlagskriterium dar, eine qualifizierte Auswertung dieser „Soft Skills“ bedarf jedoch besonderer Kenntnisse. Die Bewertung bezieht sich dabei auf die Teamfähigkeit des angebotenen Projektteams sowie auf deren Bereitschaft und auch Fähigkeit, sich von den gewohnten Formen der Projektabwicklung zu lösen und in einer kollaborativen Projektstruktur mit den sonstigen Beteiligten zusammenzuarbeiten. Eine Bewertung muss daher die Bewertung der persönlichen Fähigkeit des Projektteams umfassen. Dies kann beispielsweise in Form einer Art „Assessment Center“ unter Hinzuziehung eines Experten zur Bewertung des Verhaltens der einzelnen Beteiligten erfolgen.

Verträge in IPA-Projekten

In vertraglicher Hinsicht ist es wesentlich, die so als besonders geeignet ermittelten Beteiligten auch langfristig im Projekt zu binden. Dies erfolgt zum einen durch Regelungen im Vertrag, nach denen der Austausch von Projektbeteiligten auch für die Vertragsparteien nur in bestimmten Situation, wie beispielsweise längerfristigen Erkrankungen, zulässig ist. Darüber hinaus kann zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden, dass jeder seinen Projektmitgliedern besondere Anreize, wie beispielsweise Boni, bieten soll, um diese auch im Unternehmen und damit im Projekt zu halten.

Der Mehrparteienvertrag wird unabhängig davon, ob das Vorhaben durch die öffentliche Hand oder durch einen privaten Auftraggeber durchgeführt wird, jedenfalls zwischen den wesentlichen Schlüsselgewerken geschlossen. Regelmäßig werden in einem IPA-Projekt auch Methoden von Lean-Management oder BIM (Building Information Modeling) verwendet. Der Auftraggeber kann entweder vor Projektbeginn entscheiden, in welcher Form dies erfolgen soll, oder die Parteien legen gemeinsam in der ersten Projektphase fest, ob und in welcher Form sie sich dieser Möglichkeiten bedienen.

Beendigung des Projektes nach der ersten Phase möglich

In der ersten Phase der Projektabwicklung wird die Planung unter Beachtung des Budgets von den Parteien durchgeführt. Der Auftraggeber ist dabei nicht nur Auftraggeber des Projektes, sondern auch Beteiligter der IPA. Er entscheidet nach der ersten Phase jedoch allein über die Umsetzung des Projektes. Beschließt er, das Projekt nicht zur Realisierung bringen zu wollen, wird es nach der Planungsphase beendet.

Chancen durch IPA

Moderne Vertragsabwicklungsmodelle bieten Chancen für Auftraggeber, mit einem Projektteam in großen Vorhaben zusammenzuarbeiten, das keine Eigeninteressen vertritt, sondern die Projektziele erfüllt. Diese Möglichkeit bietet sich auch der öffentlichen Hand. Durch das Teilen von projektbasierten Risiken und die besondere Projektstruktur arbeiten die Projektbeteiligten zugunsten der Projektziele zusammen und können so auch bei der Realisierung von Risiken effizient reagieren.