Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern zulässig

Dr. Bernhard Noreisch LL.M.

Dr. Bernhard Noreisch LL.M.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds für (höchstens) fünf Jahre nach einer einverständlichen, auch ohne besondere Gründe erfolgten Amtsniederlegung grundsätzlich mit § 84 Abs. 1 AktG vereinbar ist. Es komme allein darauf an, dass sich der Aufsichtsrat nicht länger als dies nach § 84 Abs. 1 AktG zulässig ist bindet und mindestens alle fünf Jahre über die Verlängerung der Amtszeit eines Vorstandsmitglieds eine Entscheidung fällt.

Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern zulässig
Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern zulässig

30.10.2012 | Venture Capital / M&A

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds für (höchstens) fünf Jahre nach einer einverständlichen, auch ohne besondere Gründe erfolgten Amtsniederlegung grundsätzlich mit § 84 Abs. 1 AktG vereinbar ist. Es komme allein darauf an, dass sich der Aufsichtsrat nicht länger als dies nach § 84 Abs. 1 AktG zulässig ist bindet und mindestens alle fünf Jahre über die Verlängerung der Amtszeit eines Vorstandsmitglieds eine Entscheidung fällt.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, an der zwei verfeindete Familienstämme beteiligt sind, beabsichtigte, die Bestellung zweier Vorstandsmitglieder vorzeitig zu verlängern. Die aktuelle Amtszeit der beiden Vorstandsmitglieder wäre erst in drei Jahren ausgelaufen. In der unmittelbar bevorstehenden Hauptversammlung sollte ein neuer Aufsichtsrat gewählt werden. Der Aufsichtsrat beschloss in dieser Situation, die beiden Vorstände unter einvernehmlicher Aufhebung ihrer noch laufenden Bestellung für jeweils weitere fünf Jahre erneut zu Vorstandsmitgliedern zu bestellen. Nachdem der Aufsichtsrat am folgenden Tag neu besetzt wurde, scheiterte im Anschluss eine Abberufung dieser beiden Vorstandsmitglieder an einer Pattsituation im Aufsichtsrat. Der Kläger hat beantragt, die Nichtigkeit dieser Aufsichtsratsbeschlüsse festzustellen.   

Entscheidung

Das Aktienrecht regelt in § 84 Abs. 1 AktG hierzu Folgendes:

„Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden kann. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichtsratsbeschluss vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt.“

Der Deutsche Corporate Governance Index regelt hierzu in Nr. 5.1.2, dass eine Wiederbestellung vor Ablauf eines Jahres vor dem Ende der Bestelldauer bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung nur bei Vorliegen besonderer Umstände erfolgen soll.

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied nun, dass ein Aufsichtsratsbeschluss, wie er im vorliegenden Fall gefasst wurde, grundsätzlich mit § 84 Abs. 1 AktG vereinbar ist. Weder die Historie der Normentstehung noch deren Sinn und Zweck forderten eine andere Auslegung. Allein maßgeblich sei, dass sich der Aufsichtsrat nicht länger als dies nach § 84 Abs. 1 AktG zulässig ist bindet und mindestens alle fünf Jahre über die Verlängerung der Amtszeit eines Vorstandsmitglieds eine Entscheidung fällt. Auch komme es nicht darauf an, ob durch einen derart vorgezogenen Aufsichtsratsbeschluss ein etwa zeitnah neu besetzter Aufsichtsrat an diese Entscheidung des Aufsichtsrats in der alten Besetzung gebunden werde. Auch gäbe es kein schutzwürdiges Recht des Aufsichtsrats in seiner jeweiligen personellen Zusammensetzung, den Vorstand ohne Rücksicht auf die Laufzeit der Bestellungen mit Mitgliedern seines Vertrauens zu besetzen.

Praxishinweis

Die Klarstellung des BGH in dieser Angelegenheit ist zu begrüßen. Dennoch stellt sie keinen Freibrief für Aufsichtsräte zur jederzeitigen Neubestellung von Vorstandsmitgliedern dar. Jeder Aufsichtsrat ist und bleibt bei den im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidungen dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Insofern ist auch bei der Entscheidung über eine vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern stets zu prüfen und zu beachten, ob diese auch im Gesellschaftsinteresse liegt.