09.12.2014 | Bau- und Immobilienrecht
Sachverhalt
Der BGH (Bundesgerichtshof) hatte darüber zu entscheiden, ob eine Glasfassade, bei der Nickelsulfid-Einschlüsse nicht vollständig ausgeschlossen werden können, mangelhaft ist und welche Mängelrechte dem Auftraggeber im Falle der Mangelhaftigkeit zustehen.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die spätere Beklagte verpflichtete sich gegenüber der späteren Klägerin u.a. zur Erstellung einer Glasfassade. In der Leistungsbeschreibung heißt es hierzu:
„Durch den Auftragnehmer ist nachzuweisen, dass die zur Verwendung kommenden vorgespannten Glasscheiben keine zerstörenden Einschlüsse (z.B. Nickelsulfid) haben. Alle ESG-Scheiben sind einem fremdüberwachten Heißlagerungstest (Heat-Soak-Test) als ESG-H gemäß Bauregelliste zu unterziehen. […]“
Nach Ausführung der entsprechenden Leistungen gingen an verschiedenen Stellen Scheiben zu Bruch. Mit ihrer Klage macht die Klägerin in erster Linie einen Vorschussanspruch zur Mängelbeseitigung geltend.
Entscheidung
Mit Urteil vom 08.05.2014 (VII ZR 203/11) hat der BGH entschieden, dass die Leistung zwar mangelhaft ist (vgl. dazu unter Ziffer 1), eine Beseitigung der Mängel jedoch wegen Unmöglichkeit nicht in Betracht kommt. Der Klägerin stehe allenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz zu (vgl. dazu unter Ziffer 2).
1. Mangelhafte Leistung
Ein Werk ist mangelhaft, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist (§ 633 Abs. 2 Satz 1 BGB). Zur vereinbarten Beschaffenheit gehören alle Eigenschaften des Werks, die nach der Parteivereinbarung zur Herbeiführung des vertraglich geschuldeten Erfolgs dienen. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang nicht allein die zur Erreichung des Erfolgs vereinbarte Leistung oder Ausführungsart, sondern in erster Linie die vereinbarte Funktionstauglichkeit für den vertraglich definierten, vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch.
Kurz gesagt: Erbringt der Auftragnehmer die vertraglich vereinbarte Leistung oder Ausführungsart unter Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik, ohne die vertraglich vereinbarte Funktionstauglichkeit herbeizuführen, liegt ein Mangel vor (sog. funktionaler Mangelbegriff).
Welche Funktion des in Auftrag gegebenen Werks die Parteien nach dem Vertrag vereinbart oder vorausgesetzt haben, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. §§ 133, 157 BGB).
Vorliegend sind die von der Beklagten montierten Glasscheiben mangelhaft, da Glasscheiben geschuldet waren, bei denen kein Risiko von Brüchen aufgrund von Nickelsulfid-Einschlüssen besteht. Dies folge – so der BGH – aus der Leistungsbeschreibung, die den erkennbaren Willen der Klägerin zum Ausdruck bringe, die erheblichen Gefahren durch berstende oder herabfallende Glasscheiben vollständig auszuschließen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte – wie in der Leistungsbeschreibung vorgesehen – einen Heat-Soak-Test durchgeführt hat. Denn dieser war nicht geeignet, die Freiheit der Glasscheiben von Nickelsulfid-Einschlüssen zu garantieren. Nach dem funktionalen Mangelbegriff ist jedoch allein die vereinbarte Funktionstauglichkeit und nicht die vertraglich vereinbarte Leistung oder Ausführungsart maßgeblich (s.o.).
2. Rechtsfolge
Die von der Klägerin geltend gemachten Mängelansprüche kommen gegenwärtig jedoch nicht in Betracht, da die Beseitigung des Mangels unmöglich ist.
Ein vollständiger Ausschluss von Nickelsulfid-Einschlüssen ist technisch nicht zu gewährleisten. Damit kann auch die vereinbarte Funktionalität nicht erreicht werden. Der Wirksamkeit des Vertrages steht die Verpflichtung zur Herstellung eines unmöglichen Werks allerdings nicht entgegen (vgl. § 311 a BGB), so dass ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 634 Nr. 4, 311 a Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, wird das Berufungsgericht nach Zurückweisung durch den BGH zu entscheiden haben.
Praxishinweis
Besteht das Risiko, dass die vereinbarte Ausführung zur Herbeiführung der vertraglich vereinbarten Funktionstauglichkeit nicht geeignet ist, sollte der Auftragnehmer auf dieses Risiko unbedingt hinweisen und mit dem Auftraggeber einen vertraglichen Ausschluss des Risikos vereinbaren.