ISO 19600 – Leitlinien für ein Compliance-Management-System

Erstmals globale Geltung beanspruchende Compliance-Leitlinien veröffentlicht. Geschäftsleiter von Unternehmen müssen dafür sorgen, dass Regeltreue in ihrem Unternehmen gelebt wird. ISO 19600 gibt Hilfestellungen.

ISO 19600 – Leitlinien für ein Compliance-Management-System
ISO 19600 – Leitlinien für ein Compliance-Management-System

24.06.2015 | Compliance & Internal Investigations

Mit den Leitlinien ISO 19600 wurden erstmals internationale Normen geschaffen, die Leitlinien bei der Etablierung und Ausgestaltung von Compliance-Management-System bieten.

Der Standard wurde am 5. Dezember 2014 als ISO-Norm veröffentlicht. „Herausgeber“ ist die „International Organization for Standardization (ISO)“, wobei in dem für die ISO 19600 zuständigen Projektkomitee Compliance-Spezialisten vieler verschiedener Länder vertreten waren. Die Idee hinter der ISO 19600-Norm ist (wie generell bei ISO-Normen) das Ziel der Effizienzsteigerung im Wirtschaftsleben. Die Bestandteile der ISO-Norm sind zumeist als „Soll-Vorschriften“ ausgestaltet, nicht zuletzt deshalb, weil ein international anwendbares Regelwerk nicht die Besonderheiten jeder einzelnen Rechtsordnung berücksichtigen kann. Manche der in der ISO 19600-Norm aufgelisteten „Soll-Vorgaben“ sind beispielsweise nach deutschem Recht unstreitig verpflichtend, so etwa die Vorgabe, als Geschäftsleiter eines Unternehmens die unternehmensspezifischen Compliance-Risiken zu identifizieren. Der ISO 19600-Standard gibt aber als Leitfaden Empfehlungen zur Einrichtung, Entwicklung, Umsetzung, Bewertung und Verbesserung eines wirkungsvollen Compliance-Management-Systems (CMS).

Aufgrund der Tatsache, dass die Empfehlungen in der ISO 19600-Norm allgemein gehalten sind, lassen sich die unternehmensspezifischen Besonderheiten (Größe des Unternehmens, Branche, unternehmensspezifische Compliance-Risikolage) unschwer bei der Einsetzung, Verbesserung oder Weiterentwicklung eines CMS berücksichtigen.

Die Leitlinien der ISO 19600 haben nicht nur den ökonomischen Vorteil, effizient und kostenbewusst die Einrichtung eines CMS überhaupt zu ermöglichen, sie tragen vielmehr auch dazu bei, dass ein bereits bestehendes CMS kostengünstig und dennoch effektiv weiterentwickelt werden kann. Für große und global agierende Unternehmen hat ISO 19600 den Vorteil, dass aufgrund seiner nicht rechtsformspezifischen Ausgestaltung die Möglichkeit eröffnet wird, den Besonderheiten des einzelnen Landes, in dem die einzelnen Konzerngesellschaften agieren, Rechnung zu tragen.

Auch in juristischer Hinsicht bietet die Norm ISO 19600 viele Vorteile: Geschäftsleiter von Unternehmen gleich welcher Rechtsform müssen sich damit beschäftigen, Risiken für die Regeltreue des Unternehmens und der Unternehmensmitarbeiter zu identifizieren und Strukturen zu etablieren, um diese Risiken zu minimieren (sog. Legalitätspflicht). Befolgen Geschäftsleiter die sie adressierende Legalitätspflicht, indem sie unter anderem ein CMS etablieren, auf seine Effektivität hin überprüfen und weiterentwickeln, so bestehen gute Chancen, sich im Falle eines Regelverstoßes durch Mitarbeiter hinsichtlich der eigenen Überwachungspflicht exkulpieren zu können. Für die effektive Etablierung und effiziente Nutzung eines CMS können damit die Leitlinien der ISO 19600 äußerst hilfreich sein. Aufgrund ihrer Bestandteile gibt ISO 19600 einen guten „Leitfaden“, welche wesentlichen Gesichtspunkte bei der Einrichtung, Ausgestaltung und Weiterentwicklung eines CMS zu beachten sind; ein Abgleich mit dem insoweit höchst relevanten Urteil des Landgerichts München I vom 10. Dezember 2013 (Az. 5 HK O 1387/10) belegt, dass hier sehr ähnliche Themen in den Blick genommen werden.

Damit lässt sich zusammenfassend festhalten, dass ISO 19600 einen wesentlichen Beitrag zu der in Deutschland und international gegenwärtig lebhaft geführten Compliance-Diskussion leistet. Es werden erstmals globale und umfassende Leitlinien zur Schaffung, Etablierung, Bewertung und Verbesserung von CMS geschaffen, so dass auch Geschäftsleiter kleinerer oder mittelständischer Unternehmen eine solide Basis vorfinden, um ihren Pflichten angemessen nachzukommen.