Rechtsschutzbedürfnis bei Beschlussanfechtungsklage

Dr. Bernd Fluck

Dr. Bernd Fluck

Ausnahmsweise Rechtsschutzbedürfnis erforderlich bei Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen den Beschluss einer GmbH.

Rechtsschutzbedürfnis bei Beschlussanfechtungsklage
Rechtsschutzbedürfnis bei Beschlussanfechtungsklage

28.06.2016 | Gesellschaftsrecht

Das OLG Hamm hatte vor kurzem die Gelegenheit, den zu Voraussetzungen einer Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH Stellung zu nehmen. Dabei konkretisierte es die Anforderungen an die Zulässigkeit der Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage, namentlich in Form des Rechtsschutzbedürfnisses (Urteil vom 28.10.2015 – 8 U 73/15).

Sachverhalt


Der Kläger und der Streithelfer waren die geschäftsführenden Gesellschafter der beklagten GmbH. Die Beklagte hielt am 07.05.2014 eine Gesellschafterversammlung ab. Darin wurde unter anderem unter TOP 3 beschlossen, dass die Steuerberaterkanzlei G. & Partner zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert werden sollte. Nach dem insofern nicht ganz eindeutigen Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Steuerberaterkanzlei G. & Partner zur Herausgabe dieser Unterlagen nach Beendigung des Mandatsverhältnisses nicht mehr verpflichtet war. Des Weiteren wurde unter TOP 8 ein Beschluss gefasst, wonach sämtliche Aufträge mit der Steuerberaterkanzlei G. & Partner gekündigt werden sollten, wenn die Steuerberaterkanzlei G. & Partner die nach den Tagesordnungspunkten 1 und 2 durchzuführenden Korrekturen des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2011 nicht fristgerecht erledigte. Zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 waren hingegen keine Beschlüsse gefasst worden. Der Kläger erhob erstinstanzlich Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage gegen die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 07.05.2014 und berief sich unter anderem auf die fehlerhafte Einberufung der Versammlung. Das Landgericht Münster hat der Klage erstinstanzlich stattgegeben.

Entscheidung


Auf die gegen diese Entscheidung des Landgerichts Münster gerichtete Berufung der Beklagten wies das OLG Hamm die Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen die unter TOP 3 und TOP 8 gefassten Beschlüsse ab. Grundsätzlich bedürfe es für eine Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH keines individuellen Rechtsschutzbedürfnisses des klagenden Gesellschafters. Denn die Anfechtungsbefugnis eines jeden Gesellschafters gewähre die formalisierte Befugnis, die Rechtmäßigkeit eines Gesellschafterbeschlusses mittels Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage überprüfen zu lassen. Allerdings fehle ein Rechtsschutzbedürfnis im Falle der Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse einer GmbH ausnahmsweise dann, wenn keinerlei objektives Bedürfnis für eine Nichtigerklärung des Beschlusses bestehe. Das könne etwa der Fall sein, wenn der betreffende Beschluss der Gesellschafterversammlung überholt sei und keine Wirkung mehr entfalten könne. Dies nahm das OLG Hamm hinsichtlich der Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3 und 8 an. Der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 8 habe keinen Regelungsgehalt gehabt, da nach den Tagesordnungspunkten 1 und 2 keine Beschlüsse gefasst worden seien, so dass der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 8, wonach sämtliche Aufträge mit der Steuerberaterkanzlei G. & Partner zu kündigen seien, wenn die Steuerberaterkanzlei G. & Partner die nach den Tagesordnungspunkten 1 und 2 durchzuführenden Korrekturen des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2011 nicht fristgerecht durchführten, ins Leere gehe.

Im Ergebnis das Gleiche treffe auf den unter TOP 3 gefassten Beschluss zu. Auch dieser Beschluss sei zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, worauf es für die Frage des Vorliegens des Rechtsschutzbedürfnisses ankomme, überholt gewesen, da die bislang tätige Steuerberaterkanzlei G. & Partner nicht mehr für die Beklagte tätig sei. Vor diesem Hintergrund wies das OLG Hamm die Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen diese Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der GmbH als unzulässig ab.

Fazit und Praxishinweis


Das vorliegend dargestellte Urteil des OLG Hamm vom 28.10.2015 (8 U 73/15) verdient Zustimmung. Grundsätzlich ist für eine Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen fehlerhafte Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH kein besonderes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers erforderlich. Der Gesellschafter hat allein aufgrund seiner Mitgliedschaft an der GmbH (vermittelt durch die Inhaberschaft am Geschäftsanteil) das Recht, fehlerhafte Beschlüsse der Gesellschaft zu überprüfen. Die Anfechtungsbefugnis im Rahmen der Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen mangelhafte Beschlüsse stellt sich regelmäßig als ein aus der Mitgliedschaft folgendes abstraktes Kontrollrecht der Gesellschafter dar. Lediglich ganz ausnahmsweise fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse, wenn mit der erfolgreichen Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage keinerlei Besserstellung des Gesellschafters herbeigeführt werden kann, was etwa dann der Fall ist, wenn der angegriffene Beschluss keinen Regelungsgehalt entfaltet. Sowohl der unter TOP 3 als auch der unter TOP 8 gefasste Beschluss konnten keine Rechtswirkungen zeitigen, da die zur Vorlage der entsprechenden Unterlagen aufzufordernde Steuerberaterkanzlei aufgrund der mittlerweile erfolgten Beendigung des Mandatsverhältnisses zur Vorlage der Unterlagen nicht mehr verpflichtet war und TOP 8 wiederum Beschlüsse voraussetzte, die nicht gefasst worden waren.

Für die Praxis ist die vorliegende Entscheidung insofern beachtenswert, als vor Erhebung einer Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen einen fehlerhaften Beschluss einer GmbH zunächst stets geprüft werden sollte, ob dieser Beschluss (noch) einen konkreten Regelungsgehalt enthält und Rechtswirkungen entfaltet, da anderenfalls die Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen den Beschluss bereits von vornherein unzulässig ist. Sollte hingegen nach Klageerhebung die Rechtswirkung eines angefochtenen Beschlusses wegfallen, ist darauf mit dem entsprechenden prozessualen Mittel zu reagieren. Die Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen den Gesellschafterbeschluss ist für erledigt zu erklären, da aufgrund des nachträglichen Ereignisses (Wegfall des Regelungsgehalts des Beschlusses) aufgrund des nunmehr fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses die Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen den Beschluss nachträglich unzulässig wurde. Dies hatte der Kläger im vorliegenden Verfahren bezüglich seiner Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen den unter TOP 3 gefassten Beschluss versäumt.