Vorläufiger Rechtsschutz gegen Einziehungsbeschluss

Dr. Bernd Fluck

Dr. Bernd Fluck

Das Kammergericht versagte im vergangenen Jahr in mehreren Entscheidungen den vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Einziehungsbeschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH.

Vorläufiger Rechtsschutz gegen Einziehungsbeschluss
Vorläufiger Rechtsschutz gegen Einziehungsbeschluss

12.07.2016 | Gesellschaftsrecht

Das Kammergericht Berlin hatte im letzten Jahr mehrfach die Gelegenheit, zu Fragen des vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen Einziehungsbeschluss Stellung zu nehmen. Der betroffene Mehrheitsgesellschafter wendete sich dreimal im Wege einstweiliger Verfügungen gegen einen ihn aus der Gesellschaft ausschließenden Einziehungsbeschluss. Das Landgericht Berlin gab erstinstanzlich seinem vorläufigen Rechtsschutzbegehren gegen den Einziehungsbeschluss stets statt. Der 23. Senats des Kammergerichts hob alle drei Entscheidungen des Landgerichts Berlin auf und lehnte vorläufigen Rechtsschutz des Mehrheitsgesellschafters gegen den Einziehungsbeschluss in allen Fällen letztinstanzlich ab (Beschluss vom 06.01.2015 – 23 W 2/15; Beschluss vom 24.08.2015 – 23 U 20/15; Urteil vom 10.12.2015 – 23 U 99/15).

Sachverhalt


Der den Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalt stellt sich in gekürzter Form wie folgt dar: Der Verfügungskläger war als Mehrheitsgesellschafter mit 58,5 % an der Verfügungsbeklagten beteiligt. Weitere Anteile hielten ein Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von 15 % sowie 20 weitere Minderheitsgesellschafter, in erster Linie Mitarbeiter des Unternehmens sowie deren Familienangehörige. Geschäftsführer waren Dr. J. sowie der Sohn des verfügungsklagenden Mehrheitsgesellschafters, W.

Im Lauf des Jahres 2014 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Geschäftsführer Dr. J. einerseits und dem Verfügungskläger andererseits, unter anderem über die Zusammenarbeit der verfügungsbeklagten Gesellschaft mit den Unternehmen der Familie des Mehrheitsgesellschafters. Für Gesellschafterversammlungen, die auf den 06.01.2015 und 07.01.2015 annonciert worden waren, ließ sich der Mehrheitsgesellschafter unter Vorlage eines ihm Reiseunfähigkeit bescheinigenden ärztlichen Attests entschuldigen. Gleichwohl fassten die Minderheitsgesellschafter unter Berufung auf die Missbräuchlichkeit der Abwesenheit des Mehrheitsgesellschafters auf beiden Versammlungen notariell beurkundete Beschlüsse über die Einziehung des Geschäftsanteils des Mehrheitsgesellschafters. Sie begründeten diese Einziehungsbeschlüsse mit angeblich begangenen Pflichtverletzungen des Mehrheitsgesellschafters, deren tatsächliches Vorliegen im einstweiligen Verfügungsverfahren bis zuletzt unklar blieb.

Am 06.08.2015 wurde die vom Notar eingereichte neue Gesellschafterliste, wonach der Verfügungskläger nicht mehr als Gesellschafter der Gesellschaft ausgewiesen wurde, ins Handelsregister aufgenommen. Ferner wurde der Gesellschafterliste aufgrund eines Beschlusses des Landgerichts Berlin ein Widerspruch zugeordnet. Im Nachgang an die Einziehungsbeschlüsse und die Änderung der Gesellschafterliste hielten die Minderheitsgesellschafter ohne den ausgeschlossenen Mehrheitsgesellschafter Gesellschafterversammlungen ab und beschlossen darin weitgehende Änderungen in Bezug auf den Geschäftsanteil des Ausgeschlossenen (erhöhte Mehrheitserfordernisse bei Beschlussfassungen, berufslebenslanges Geschäftsführungs-Sonderrecht zugunsten Dr. J., Beschränkung der Vererblichkeit von Geschäftsanteilen und Kündigung der exklusiven Vertriebspartnerschaft zwischen der verfügungsbeklagten Gesellschaft und einem Familienunternehmen des vormaligen Mehrheitsgesellschafters).

Der Mehrheitsgesellschafter ging mehrfach im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Einziehungsbeschluss und seine Konsequenzen vor. Zunächst begehrte er im Vorfeld der Versammlung, den anderen Gesellschaftern im Wege einstweiliger Verfügung zu untersagen, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Sogleich im Nachgang der Gesellschafterversammlungen beantragte der Gesellschafter einstweilige Verfügungen, die auf die Untersagung der Einreichung der neuen Gesellschafterliste gerichtet waren. Nachdem schließlich die geänderte Gesellschafterliste, welche den (vormaligen) Mehrheitsgesellschafter nicht mehr als Gesellschafter auswies, in den Registerordner im Handelsregister aufgenommen worden war, ging er schließlich erneut im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Einziehungsbeschluss vor und begehrte, die Gesellschaft durch einstweilige Verfügungen dazu zu verpflichten, eine korrigierte Gesellschafterliste mit ihm als Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen sowie ihn vorläufig weiterhin als Gesellschafter zu behandeln.

Die Entscheidungen des Kammergerichts


In allen drei einstweiligen Verfügungsverfahren hat das Kammergericht den vorläufigen Rechtsschutz gegen den Einziehungsbeschluss versagt. Die im Vorfeld der Gesellschafterversammlung auf die Untersagung der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste gerichtete einstweilige Verfügung wies das Kammergericht mit Beschluss vom 06.01.2015 (23 W 2/15) als unzulässige „Untersagung auf Vorrat“ und unter Hinweis auf die Möglichkeit nachgelagerten Rechtsschutzes zurück. Die im Zeitraum zwischen der streitigen Gesellschafterversammlung und der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in den Registerordner zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Einziehungsbeschluss ebenfalls auf die Untersagung der Einreichung der geänderten Gesellschafterliste zum Handelsregister gerichtete einstweilige Verfügung, wies das Kammergericht mit Beschluss vom 24.08.2015 (23 U 20/15) ebenfalls zurück, und argumentierte unter anderem, dass das Verbot, eine neue Gesellschafterliste bei dem Registergericht einzureichen, nicht als geeignete und zulässige Maßnahme vorläufigen Rechtsschutzes erachtet werde, da effektiver und ausreichender vorläufiger Rechtsschutz gegen streitige Einziehungsbeschlüsse durch die Zuordnung eines Widerspruchs gemäß § 16 Abs. 3 GmbH erlangt werden könne. Schließlich versagte das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 10.12.2015 (23 U 99/15) auch nach Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister einstweiligen Rechtsschutz des Mehrheitsgesellschafters gegen den Einziehungsbeschluss und wies die vom Verfügungskläger beantragte Verpflichtung der Gesellschaft, eine korrigierte, ihn wieder als Gesellschafter ausweisende Gesellschafterliste, zum Handelsregister einzureichen sowie ihn weiterhin als Gesellschafter zu behandeln, mit größtenteils fadenscheinigen Argumenten zurück.

Stellungnahme

Die Argumente des Kammergerichts können an dieser Stelle nicht einzeln aufgegriffen und widerlegt werden, da dies den vorliegenden Rahmen sprengen würde (ausführlich dazu in der Ausgabe „Recht Aktuell“ 2/2016). An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass durch die Möglichkeit des Widerspruchs gemäß § 16 Abs. 3 S. 4 GmbHG im Falle der Einziehung des Geschäftsanteils durch Beschluss der Gesellschafterversammlung – entgegen der Auffassung des Kammergerichts – keineswegs ausreichender und effektiver Rechtsschutz gewährt wird. § 16 Abs. 3 GmbHG erfasst den Fall der Einziehung des Geschäftsanteils nicht, denn die Vorschrift schützt lediglich vor einem gutgläubigen Erwerb des Geschäftsanteils, wenn anstelle des materiell-berechtigten Gesellschafters ein anderer Gesellschafter in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Im Fall der Einziehung eines Geschäftsanteils erscheint demgegenüber keine andere Person anstelle des materiell-berechtigten Gesellschafters in der Gesellschafterliste. Infolge der Einziehung geht der Geschäftsanteil des Berechtigten unter, so dass er ersatzlos aus der Gesellschafterliste gelöscht wird. Es kommt insofern weder ein gutgläubiger Wegerwerb des Geschäftsanteils in Betracht noch schützt § 16 Abs. 3 GmbHG den unberechtigterweise ausgeschlossenen Gesellschafter anderweitig vor etwaigen negativen Veränderungen seines Geschäftsanteils.

Fazit und Praxishinweis


Die vorstehenden erläuterten Entscheidungen des Kammergerichts verdeutlichen, in welche zeitlichen Stufen und durch welche Modalitäten vorläufiger Rechtsschutz gegen Einziehungsbeschlüsse bewirkt werden könnte. Bereits im Vorfeld der Gesellschafterversammlung, bei welcher eine Einziehung des Geschäftsanteils zu erwarten ist, können grundsätzlich einstweilige Verfügungen beantragt werden, die darauf abzielen, der Gesellschaft zu untersagen, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen sowie die einzelnen Gesellschafter zu verpflichten, in der Gesellschafterversammlung gegen den Einziehungsbeschluss zu stimmen. Im Zeitraum zwischen der Gesellschafterversammlung und der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in den Registerordnern kann vorläufiger Rechtsschutz gegen den Einziehungsbeschluss dadurch bewirkt werden, dass im Wege einstweiliger Verfügung die Gesellschaft verpflichtet wird, den Gesellschafter weiterhin als Gesellschafter zu behandeln sowie der Gesellschaft untersagt wird, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Schließlich könnte nach Aufnahme der Gesellschafterliste, die den Ausgeschlossenen nicht mehr als Gesellschafter aufweist, ins Handelsregister vorläufiger Rechtsschutz gegen den Einziehungsbeschluss dadurch bewirkt werden, dass die Gesellschaft verpflichtet wird, eine korrigierte Gesellschafterliste, welche den Ausgeschlossenen wieder als Gesellschafter ausweist, zum Handelsregister einzureichen sowie ebenfalls ihn weiterhin als Gesellschafter zu behandeln. Das Kammergericht hat hingegen in den oben besprochenen Entscheidungen sämtlichen vorläufigen Rechtsschutz gegen den Einziehungsbeschluss versagt und den Verfügungskläger auf die Hauptsache verwiesen. Dabei sind die Argumente des Kammergerichts nicht ansatzweise überzeugend. Insbesondere greift die Auffassung des Kammergerichts nicht, effektiver und ausreichender Rechtsschutz sei bereits durch die Möglichkeit des Widerspruchs gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG gewahrt, da diese Vorschrift den Fall der Einziehung eines Geschäftsanteils nicht erfasst. Es bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidungen des Kammergerichts auf den Einzelfall beschränkt bleiben.