BEM keine formelle Voraussetzung für wirksame Versetzung

BAG sieht die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht als formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung an, auch wenn hierfür Gründe im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers maßgeblich sind. (Aufhebung des Urteils vom LAG Baden-Württemberg vom 22.11.2016)

BEM keine formelle Voraussetzung für wirksame Versetzung
BEM keine formelle Voraussetzung für wirksame Versetzung

26.10.2017 | Arbeitsrecht

Inhalt

Das Unterlassen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX als kooperativer Suchprozess zur Beschäftigungsstabilisierung führt bekanntermaßen für den Arbeitgeber im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreit zu Rechtsnachteilen in Form einer verschärften Darlegungs- und Beweislast. Kürzlich hatte das LAG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 22.11.2016, 15 Sa 76/15 entschieden, dass ein unterlassenes BEM auch zur Unwirksamkeit einer Versetzung führt, da dann die Ausübung des hierauf gerichteten Direktionsrechts schon nicht billigem Ermessen entspricht. Das BAG hat mit seiner aktuellen Entscheidung vom 18. Oktober 2017, 10 AZR 47/17, diese Rechtsprechung aufgehoben und festgestellt, dass die Durchführung des BEM keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung ist, selbst wenn der Versetzung Gründe im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers zugrunde liegen.

Sachverhalt

Der Kläger klagte auf Beschäftigung als Maschinenbediener in der Nachtschicht, nachdem ihn sein Arbeitgeber nach längerer Arbeitsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen in die Wechselschicht umgesetzt hatte. Der Umsetzung war ein Krankenrückkehrgespräch vorausgegangen, das allerdings unstreitig nicht als betriebliches Eingliederungsmanagement ausgestaltet war.

Das Arbeitsgericht Pforzheim hatte die Klage abgewiesen, da die Umsetzung in Wechselschicht arbeitsvertraglich möglich sei und billigem Ermessen entspricht. Das LAG Baden-Württemberg hat der Beschäftigungsklage stattgegeben, da die Beklagte bei Ausübung des Weisungsrechts die Grenzen billigen Ermessens überschritten hat. Die Beklagte konnte sich wegen des unterlassenen BEM, das gesetzlich genau für solche Fälle vorgesehen sei, schon nicht auf ihr betriebliches Interesse, mit der Umsetzung zu klären, ob sich in der Wechselschicht der Gesundheitszustand des Klägers bessert, im Rahmen der umfassend vorzunehmenden Interessensabwägung berufen. Die Versetzung entsprach daher schon deswegen nicht billigem Ermessen.

Das BAG hat diese Entscheidung des LAG aufgehoben, da es die Durchführung des BEM nicht als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Versetzung ansieht, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers erfolgt. Die bloße Nichtdurchführung des BEM lässt die Versetzung nicht unwirksam werden. Maßgeblich ist nach Ansicht des BAG vielmehr, ob die Weisung des Arbeitgebers insgesamt billigem Ermessen im Sinne von § 106 S. 1 GewO entspricht. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Wegen Fehlens hinreichender Feststellungen hierzu durch das LAG war dem BAG eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Die Sache wurde an das LAG zurückverwiesen.

Praxistipp

Auch wenn das BAG im Hinblick auf ein Unterlassen des BEM bei Versetzung sozusagen „Entwarnung“ gibt und weiterhin auf die umfassende Interessensabwägung im Einzelfall für die Beurteilung der Billigkeit der Ermessensentscheidung abstellt, so ist man als Arbeitgeber dennoch gut beraten, bei Vorliegen der Voraussetzungen des BEM ein solches dem Arbeitnehmer zumindest anzubieten und ggf. auch durchzuführen. Die Durchführung des BEM mag nach neuester BAG Rechtsprechung keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit der Versetzung sein, - was sie genau genommen nicht einmal bei der personenbedingten Kündigung ist -, gewinnt aber trotzdem zunehmend an Bedeutung.

Quelle: PM BAG Nr. 45/17 vom 18.03.2017