Risiken des Bieters bei funktionaler Leistungsbeschreibung

Im Falle einer funktionalen Leistungsbeschreibung übernimmt der Bieter gegebenenfalls das Risiko einer unkalkulierbaren oder schwer kalkulierbaren Leistung. Bestehen insoweit Unklarheiten, muss der Bieter sich vor Angebotsabgabe hierüber informieren.

Risiken des Bieters bei funktionaler Leistungsbeschreibung
Risiken des Bieters bei funktionaler Leistungsbeschreibung

18.04.2018 | Bau- und Immobilienrecht

Sachverhalt

Die spätere Klägerin wurde von der Beklagten mit der Errichtung eines Brückenbauwerks für den Ausbau einer Bundesstraße beauftragt. Dem Vertrag lag die VOB/B zugrunde. Vor dem Landgericht Hannover machte sie Mehrkosten für den Einbau zusätzlichen Stahls und zwar wegen des damit verbundenen erheblichen Mehraufwandes geltend. Im Leistungsverzeichnis war unter den maßgeblichen Positionen zum Einbau von Betonstahl folgendes geregelt: „Betonstahl entsprechend statischen und konstruktiven Erfordernissen einbauen. Bauteil = Überbau. Stahlsorte BSt 500 S.“ Als Menge waren „45,00 t“ angegeben. Tatsächlich wurden jedoch über 60 Tonnen Stahl benötigt und von der Klägerin verbaut.

Entscheidung

Anders als das Landgericht Hannover, entschied das Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 15.03.2017 (Az.: 14 U 42/14), dass der Klägerin neben den Kosten für die Mehrmenge Stahl, die von der Beklagten bereits bezahlt wurden, kein Anspruch für den mit dem Einbau verbundenen Mehraufwand zustehe.

Begründung

Mit der vereinbarten Vergütung werden alle Leistungen abgegolten, die nach der Leistungsbeschreibung, den besonderen Vertragsbedingungen, den zusätzlichen Vertragsbedingungen, den allgemeinen technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen und der gewerblichen Verkehrssitte zur vertraglichen Leistung gehören. Durch die Beschreibung der von der Klägerin zu übernehmenden Bauaufgabe im Leistungsverzeichnis wurde also die Leistung konkretisiert, die mit dem Vertragspreis abgegolten ist. Dabei war nach dem eindeutigen Wortlaut zu berücksichtigen, dass vom Bieter bzw. späteren Auftragnehmer statische und konstruktive Erfordernisse für das Bauteil zu beachten sind. Für die Leistung der Klägerin musste also eine technische, wirtschaftliche, gestalterische und funktionsgerechte Lösung der Bauaufgabe gefunden werden. Dabei durfte sich die Klägerin nicht auf die Richtigkeit des Massenvordersatzes verlassen, da es sich hierbei nicht um verbindliche Angaben im Leistungsverzeichnis handelt, erst recht nicht, wenn im Zeitpunkt der Angebotsabgabe – wie im vorliegenden Fall – weder eine Statik, noch eine Konstruktionskonzeption vorliegen. Mit dieser Angabe sollte vielmehr sichergestellt werden, dass im Sinne einer den Anforderungen an Transparenz und Bestimmtheit genügenden Ausschreibung, vergleichbare Angebote abgegeben und diese von der Klägerin bewertet werden können. Bei Zweifeln hätte die Klägerin sich bei der Beklagten erkundigen müssen, was es mit der Mengenangabe von 45,00 t auf sich hatte. Denn die Klägerin hätte als Fachunternehmen wissen müssen, dass der erforderliche Bewehrungsgrad und damit der konkrete Vordersatz ohne Erstellung einer Statik nicht sicher feststellbar ist.

Fazit

Nach alledem war es also Sache der Klägerin, ob und wie sie sich der Risiken eines Vertragsschlusses vergewissert. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem riskante Leistungen nicht übernommen werden. Das übernommene Risiko, eine unkalkulierbare oder schwer kalkulierbare Leistung zu erbringen, führt im Falle des Risikoeintritts nicht zu einer richterlichen Abänderung der vertraglichen Risikoübernahme.