22.05.2018 | Bau- und Immobilienrecht
Der BGH entschied am 09.05.2018 über die Frage, ob eine komplette Rückabwicklung eines Kaufvertrags im Wege des sog. großen Schadensersatzes auch nach bereits erklärter Minderung noch möglich sei – und verneinte dies.
Der Entscheidung lag ein Kaufvertrag über ein KFZ zu Grunde, bei dem sich diverse Mängel zeigten. Nachdem die Käuferin davon ausging, dass diese auf eine herstellungsbedingte Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs zurückzuführen seien, erklärte sie unter Berufung hierauf gegenüber der Verkäuferin die Minderung i. H. v. 20% des Kaufpreises. Da sich in der Folgezeit wiederum weitere Mängel zeigten, verlangte sie von der Verkäuferin sodann statt der Minderung Ersatz des ihr durch die Nichterfüllung des gesamten Vertrages entstandenen Schadens sowie die Rückgewähr bereits erbrachter Leistungen („großer Schadensersatz“).
Der BGH entschied, dass ein Käufer, der die Minderung erklärt, damit zum Ausdruck bringt, die mangelhafte Sache behalten und - statt den Kaufvertrag rückabzuwickeln - durch Herabsetzung des Kaufpreises das Äquivalenzinteresse zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherstellen zu wollen. Mit der wirksamen Ausübung der Minderung hat die Käuferin das ihr vom Gesetz eingeräumte Wahlrecht zwischen Festhalten am und Lösen vom Vertrag "verbraucht" und sich entschieden – für ein Festhalten am Vertrag. Er gibt damit gegenüber dem Vertragspartner zu erkennen, die mangelhafte Leistung behalten und einen etwaig finanziellen Ausgleich hierfür zu wollen.
Raum für eine Rückabwicklung des Vertrags nach bereits erklärter Minderung bestünde insofern gerade nicht mehr. Denn Rücktritt und Minderung stehen also in einem Ausschließlichkeitsverhältnis, denn im Gesetz heißt es: „Statt zurückzutreten, kann der Besteller die Vergütung durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer mindern.“ Und dabei macht es keinen Unterschied, ob neben der Minderung der Rücktritt erklärt oder der sog. große Schadensersatz verlangt wird, denn auch mit Letzterem gibt der Käufer zu erkennen, nicht mehr am Vertrag festhalten zu wollen.
Die vom 8. Zivilsenat angestellten Erwägungen sind auch für das Werkvertragsrecht anwendbar, da die werkvertraglichen Gewährleistungsrechte in § 634 BGB bereits im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung weitgehend an die des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts angeglichen wurden. Der Besteller muss demnach bei Vorliegen einer mangelhaften Leistung entscheiden, ob er trotz des Mangels am Vertrag festhalten will oder nicht. Dieses Wahlrecht steht ihm zu. Will er das, kann er entweder den Werklohn mindern oder die Liquidation des mangelbedingten Minderwerts über die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs erreichen. Will er sich hingegen vom Vertrag lösen, muss er den Rücktritt hiervon erklären oder einen auf Ersatz des ihm durch die Nichterfüllung des gesamten Vertrages entstandenen Schadens (= Gesamtwert des Werks in Geld und Rückgabe des Werks) geltend machen („großer Schadensersatz“).
Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen neben der Leistung oder ein etwaig entgangener Gewinn bleiben dabei weiterhin auch bei erklärter Minderung noch möglich. So steht es auch im Gesetz. Ausgeschlossen ist nur der Rechtspfad, der dem Besteller die Möglichkeit einräumt, sich vom Vertrag zu lösen – es sei denn, dass ein neuer Mangel vorliegt, für den der Besteller erneut vor die Wahl gestellt wird, am Vertrag festhalten oder sich hiervon lösen zu wollen.