Kein Anspruch auf Vorhaltekosten vor Zuschlagserteilung

Ein Bieter kann wegen verzögerter Zuschlagserteilung keine Entschädigung für das Vorhalten von Leistungen auf Grundlage seiner Angebotskalkulation verlangen.

Kein Anspruch auf Vorhaltekosten vor Zuschlagserteilung
Kein Anspruch auf Vorhaltekosten vor Zuschlagserteilung

21.06.2018 | Bau- und Immobilienrecht

Sachverhalt

Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung für den Ausbau einer Autobahn durch, an der sich die Klägerin als Bieter beteiligte. Die Leistungen sollten im Zeitraum von September 2004 bis April 2006 ausgeführt werden und 12 Tage nach Zuschlagserteilung beginnen. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert und der Zuschlag am 30. März 2006 erteilt.

Die Klägerin verlangt Ersatz von Vorhaltekosten für eine Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist und zwar auf Grundlage der Vertragspreise. Ohne Erfolg!

Entscheidung

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. April 2018 (Az. VII ZR 81/17) steht dem Auftragnehmer kein Anspruch auf Ersatz von Vorhaltekosten auf Grundlage der Angebotskalkulation wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren zu.

Begründung

Zunächst stellt das Gericht klar, dass dem Auftragnehmer grundsätzlich ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B zustehen kann, soweit es infolge einer verzögerten Vergabe zu einer Verschiebung der Ausführungsfristen gekommen ist. Denn die Leistungszeit hat regelmäßig Einfluss auf die Höhe der Vergütung des Auftragnehmers, so dass durch ein verzögertes Vergabeverfahren bedingte Änderungen der Leistungszeit auch zu einer Vergütungsanpassung führen müssen. Im Rahmen dessen sind Besonderheiten, wie etwa Bauerschwernisse oder Erleichterungen durch jahreszeitliche Verschiebungen unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen beider Parteien und vor dem Hintergrund, dass der Auftragnehmer der Bindefristverlängerung zugestimmt hat, zu berücksichtigen.

Hier: Kein Anspruch in Anlehnung an § 2 Abs. 5 VOB/B

Vorliegend macht die Klägerin jedoch keinen Mehrvergütungsanspruch aufgrund der Verschiebung von Ausführungsfristen geltend. Vielmehr verlangt sie Ersatz von Vorhaltekosten im Zeitraum bis zur verzögerten Zuschlagserteilung, also wegen einer Störung der vorvertraglichen Rechtsbeziehung. Damit scheidet ein Anspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B aus.

Kein Anspruch auf Schadensersatz

Ein Schadenersatzanspruch in Höhe der geltend gemachten Vorhaltekosten scheidet ebenfalls aus. Denn die Klägerin verlangt mit ihrer Klage keine etwa von ihr in Erwartung des Vertragsschlusses getätigten konkreten Aufwendungen, sondern eine Entschädigung für das Vorhalten ihrer Leistungen bis zur Erteilung des Zuschlags, die sie nach Maßgabe des § 642 BGB auf Grundlage der für die Leistung kalkulierten Vergütung berechnet hat.

Kein Anspruch aus § 642 BGB

Ein Anspruch aus § 642 BGB kommt ebenso wenig in Betracht, da in dem Zeitraum, für den die Vorhaltekosten geltend gemacht werden, noch kein Werkvertrag zwischen den Parteien bestand. Deshalb konnte die Beklagte keine Obliegenheit zur Vornahme einer bei der Herstellung des Werks erforderlichen Mitwirkungshandlung im Sinne des § 642 Abs. 1 BGB verletzen.

Kein Anspruch aus § 642 BGB analog

Auch eine entsprechende Anwendung des § 642 BGB scheidet aus, da es für eine Ausdehnung auf den vorvertraglichen Bereich bereits an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht kein Grund für eine verschuldensunabhängige Haftung des Auftraggebers bei Zuschlagsverzögerungen, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen.

Hält sich ein Bieter im Vergabeverfahren leistungsbereit, dann nimmt er die Vorhaltung seiner Leistungen deswegen in Kauf, weil er darauf hofft, dass ihm der Zuschlag erteilt wird. Insoweit handelt es sich also um Kosten der Vertragsakquise. Die Ungewissheit, ob und wann dem Bieter der Zuschlag erteilt wird, gehört zum allgemeinen Risiko eines jeden Bieters, der sich an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligt. Hinreichender Schutz wird dem Bieter dadurch gewährt, dass sein Angebot befristet ist und eine Verlängerung der Bindefrist seiner Zustimmung bedarf.

Fazit

Wird die Binde- und Zuschlagsfrist mit Zustimmung des Bieters verlängert, besteht kein Erstattungsanspruch für Vorhaltekosten auf Grundlage der Angebotskalkulation bis zur Zuschlagserteilung. Die Ausführungsfristen müssen jedoch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Parteien angepasst werden. Im Rahmen dessen kommt es dann auch darauf an, ob dem Auftragnehmer die benötigten Geräte und Mittel unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 3 und Abs. 4 VOB/B rechtzeitig zur Verfügung stehen. Zudem kommt ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung wegen der Verschiebung von Ausführungsfristen in Betracht.