Interessenabwägung bei Vernichtung eines Werkes

Der BGH hat nun erstmals überhaupt klargestellt, dass bei der Zerstörung eines Werkes, eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Eigentümers und des Urhebers stattzufinden hat.

Interessenabwägung bei Vernichtung eines Werkes
Interessenabwägung bei Vernichtung eines Werkes

20.08.2019 | Bau- und Immobilienrecht

Inhalt

Eine höchstrichterliche Entscheidung darüber, ob bei Vernichtung oder Zerstörung eines Werkes Rechte des Urhebers beeinträchtigt werden, gab es bisher nicht. Deswegen wurde zur rechtlichen Bewertung solcher Fälle die herrschende Auffassung, dass man dem Eigentümer die Vernichtung im Regelfall nicht versagen könne, auf ein obiter dictum des Reichsgerichts aus dem Jahr 1912 (RGZ 79, 397) gestützt. Dem hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 21.02.2019 – I ZR 98/17 eine klare Absage erteilt.

Sachverhalt

Im Fall „HHole (for Mannheim)“ ging es um eine Rauminstallation, die sich vom Erdgeschoss über mehrere Stockwerke – durch Löcher in der jeweiligen Raumdecke – vertikal bis zum Dach des Museumsgebäudes erstreckte. Dieser Gebäudetrakt sollte in einen Raum ohne Zwischendecken umgebaut werden. Zwangsläufig musste die Rauminstallation entfernt und damit zerstört werden. Hiergegen klagte die Künstlerin. Gestützt auf das Entstellungsverbot (§ 14 UrhG), begehrte sie Unterlassung und Wiederherstellung.

Entscheidung

Die Klägerin hat zwar kein Recht bekommen, da die Vernichtung im konkreten Fall zulässig war. Das Gericht nutzte jedoch die Gelegenheit, um klarzustellen, dass die „Vernichtung“ eines Werkes von § 14 UrhG erfasst sei und damit immer eine Interessenabwägung zu erfolgen habe. Eine andere Bewertung dürfe sich nach Auffassung des Gerichts aber schon allein wegen der beeinträchtigen Grundrechte nicht ergeben.

Schließlich kann sich der private Eigentümer auf das eigentumsschützende Grundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Die öffentliche Hand kann gegebenenfalls auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG stützen.

Für den Urheber hingegen streitet die in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verbürgte Kunstfreiheit, die nicht nur den Schaffensprozess („Werkbereich“), sondern auch die für die Begegnung mit der Kunst erforderliche Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks („Wirkbereich“) schützt (vgl. BVerfGE 30, 173 [189] – Mephisto; BVerfGE 119, 1 – Esra, mwN).

Diesen grundrechtlichen Wertungen wird nunmehr Rechnung getragen, indem die Vernichtung als Beeinträchtigung des Werkes von § 14 UrhG erfasst und damit die im Tatbestandsmerkmal der „berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen“ des Urhebers angelegte Interessenabwägung eröffnet ist.

Praxishinweis

Aufgrund dieser – für Architekten und Eigentümer – wegweisenden Entscheidung hat bei jeder Vernichtung oder Zerstörung eines Werkes von nun an eine Interessenabwägung zu erfolgen. Das Gericht hat es nicht versäumt, hierfür einen Leitfaden mit auf den Weg zu geben.