Die HOAI-Mindestsatzvermutung ist europarechtswidrig!

 Gerrit Sieber

Gerrit Sieber

Auch bei einer mündlichen Honorarvereinbarung können die Mindestsätze nach der HOAI nicht mehr geltend gemacht werden, da § 7 Abs. 5 HOAI europarechtswidrig ist.

Die HOAI-Mindestsatzvermutung ist europarechtswidrig!
Die HOAI-Mindestsatzvermutung ist europarechtswidrig!

11.11.2019 | Bau- und Immobilienrecht

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 4. Juli 2019 zu der Europarechtswidrigkeit der Mindest- und Höchstsatzregelungen der HOAI schlägt sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur hohe Wellen. Die Frage, ob dieses Urteil bereits in laufenden Verfahren von nationalen Gerichten umgesetzt werden muss, liegt nach divergierenden obergerichtlichen Urteilen dem BGH zur Entscheidung vor. Daneben ist hoch umstritten, ob auch § 7 Abs. 5 HOAI europarechtswidrig ist. Diese Frage hat das LG Bonn mit Urteil vom 18. September 2019 – 20 O 299/16 (noch nicht rechtskräftig) nun positiv beantwortet.

Sachverhalt

Ein Architekt wurde mit der Erbringung von Planungsleistungen beauftragt. Die Parteien einigten sich dabei mündlich auf ein Pauschalhonorar. Einen schriftlichen Vertrag schlossen sie nicht. Nachdem der Architekt seine Leisungen fertiggestellt hatte, rechnete er nach den Mindestsätzen der HOAI ab. Er machte geltend, dass die mündliche Honorarvereinbarung nicht wirksam sei und gemäß § 7 Abs. 5 HOAI daher der Mindestsatz geltend gemacht werden könne. Dies sah der Auftraggeber anders und verweigerte die Zahlung. Hierauf erhob der Architekt eine Mindestsatzklage vor dem Landgericht Bonn.

Entscheidung

Das Landgericht Bonn wies die Klage ab! Es nimmt Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Juli 2019, mit welchem dieser die Unionsrechtswidrigkeit der Honorarregelungen der HOAI festgestellt hat. Unerheblich sei, dass der EuGH in dem Urteil nur auf § 7 Abs. 1 bis Abs. 4 HOAI verwiesen habe. Zwischen § 7 Abs. 5 HOAI und § 7 Abs. 1 HOAI bestehe eine untrennbare systematische Verknüpfung. Hieraus folge, dass auch § 7 Abs. 5 HOAI europarechtswidrig und somit unwirksam sei. Daher sei unerheblich, dass die Parteien die Honorarvereinbarung nicht schriftlich bei Auftragserteilung getroffen haben. Die mündliche Vereinbarung sei vielmehr wirksam, weshalb dem Planer auch nur das vereinbarte Pauschalhonorar zustehe.

Praxishinweis

Die Frage der Wirksamkeit von § 7 Abs. 5 HOAI ist in der Praxis von enormer Bedeutung. Die sog. Mindestsatzklagen machen einen großen Anteil der gerichtlichen Streitigkeiten im Architektenrecht aus. Bei diesen kann der Mindestsatz gem. § 7 Abs. 5 HOAI eingeklagt werden, wenn keine schriftliche Honorarvereinbarung im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze bei Auftragserteilung getroffen wurde. Sollte dieses Erfordernis nun entfallen, können die Mindestsätze nicht mehr geltend gemacht werden, wenn irgendeine Honorarvereinbarung geschlossen wurde. Diese kann sowohl formlos als auch zeitlich nach dem Vertragsschluss zustande kommen.

Im Ergebnis vermag die Auffassung des LG Bonn, dass auch § 7 Abs. 5 HOAI europarechtswidrig ist, zu überzeugen. Rechtssicherheit gibt es mangels einer höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch noch nicht. Daher wäre es zu begrüßen, wenn der BGH auch hierzu Stellung beziehen würde. Gleiches gilt für die Frage, wie das Honorar zu berechnen ist, wenn keine Honorarvereinbarung getroffen wurde. Ob in diesem Falle die HOAI-Mindestsätze als übliche Vergütung geschuldet werden, ist ebenfalls umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden.