Rechtliche Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Bauprojekte

Dr. Rainer Kohlhammer

Dr. Rainer Kohlhammer

Das Coronavirus breitet sich exponentiell aus und beeinflusst auch die Wirtschaft. Es ist wahrscheinlich, dass Baustellen nicht termingerecht fertiggestellt und unter anderem auch deshalb finanzielle Nachteile entstehen werden.

Rechtliche Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Bauprojekte
Rechtliche Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Bauprojekte

16.03.2020 | Bau- und Immobilienrecht

1. Einführung

Nachdem anfänglich die Nachrichten über die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus eher eine Randnotiz waren, ist der Coronavirus mittlerweile in ganz Europa und auch in Deutschland angekommen und verbreitet sich exponentiell. In allen Bundesländern sind mittlerweile Infektionsfälle mit dem Virus (SARS-CoV-2) bestätigt worden, mit Stand 18.03.2020 sind in Deutschland 8.198 laborbestätigte Fälle bekannt (Quelle: www.rki.de). Weltweit sind 193.475 bestätigte Infektionen und 7.864 Todesfälle bekannt (Quelle: WHO, Stand 18.03.2020, 10:00 Uhr). Zwischenzeitlich gibt es auch in Deutschland 12 Todesfälle zu beklagen.

In allen europäischen Ländern werden Massenveranstaltungen untersagt bzw. Ausgangssperren oder Versammlungsverbote verhängt. Sämtliche Schulen und Universitäten sind in Deutschland mindestens bis zum Ende der Osterferien geschlossen. Die Behörden verfolgen das Ziel, die Infektionen so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verlangsamen. Soziale Kontakte sollen reduziert werden, um Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich zu reduzieren.

Zunehmend sind die Auswirkungen der COVID-19-Epidemie auch in der Wirtschaft spürbar. Das gilt demnach auch für die Bauwirtschaft.

2. Auswirkungen auf Bauprojekte

Es ist wahrscheinlich, dass finanzielle Engpässe beim Auftraggeber eintreten. Ggfls. wird Material, welches der Auftragnehmer benötigt, nicht mehr geliefert. Hinzu kann kommen, dass Arbeitskräfte nicht mehr verfügbar bzw. die Baustellen nicht mehr erreichbar sind. Letztlich können behördliche Anordnungen auf Basis des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erfolgen.

Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, dass eine vertragliche Vereinbarung zu unvorhersehbaren Ereignissen, höherer Gewalt, etc. fehlt.

2.1 Coronavirus als Fall höherer Gewalt

Nach momentanem Verständnis dürfte es sich bei dem Coronavirus, der von der WHO als Pandemie eingeordnet wurde, um einen Fall der höheren Gewalt handeln. Unter höherer Gewalt versteht die Rechtsprechung einheitlich ein Ereignis, welches keiner Sphäre einer der Vertragsparteien zuzuordnen ist, sondern von außen auf die Lebensverhältnisse der Allgemeinheit oder einer unbestimmten Vielzahl von Personen einwirkt und objektiv unabwendbar sowie unvorhersehbar ist (BGH, Urteil vom 22.04.2004 – III ZR 108/03-Starkregen). Unter diesem Begriff wird auch der Ausbruch einer schweren Krankheit gefasst (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017 – X ZR 142/15).

Grundsätzlich fällt die Materialbeschaffung in den Verantwortungsbereich des Auftragnehmers. Unterlässt er diese schuldhaft, hat der Auftraggeber einen Schadensersatzanspruch für die verzögerungsbedingt entstandenen Kosten. Sowohl der BGB-Werkvertrag, als auch der VOB/B-Werkvertrag setzen für einen solchen Schadensersatzanspruch allerdings eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Beruht die fehlende Ausstattung mit Material auf höherer Gewalt, fehlt es an einer schuldhaften Pflichtverletzung. Außerdem wird bei höherer Gewalt die dadurch betroffene Vertragspartei grundsätzlich temporär von ihren vertraglichen Leistungspflichten frei, ohne dass die andere Vertragspartei deswegen hieraus Ansprüche herleiten könnte.

Hingegen dürfte sich ein Auftraggeber wegen eines Liquiditätsengpasses wegen des Coronavirus nicht auf höhere Gewalt berufen können. Das Liquiditätsrisiko liegt bei ihm.

2.2 Bauzeitverlängerungs-/Mehrvergütungsanspruch des Auftragnehmers

Bei Vereinbarung der VOB/B bestimmt § 6 Abs. 2 Nr. 1 c), dass bei höherer Gewalt oder anderer, für den Auftragnehmer unabwendbarer Umstände, die Ausführungsfristen verlängert werden. Er dürfte im Regelfall allerdings keine finanziellen Ansprüche haben, wobei bei Anordnung von Schutzmaßnahmen das im Einzelfall zu prüfen wäre.

2.3 Loslösung vom Bauvertrag

Die einschlägigen Vorschriften des BGB und der VOB/B sehen für beide Parteien ein außerordentliches Kündigungsrecht vor. Die Beantwortung, ob das Coronavirus einen solchen Kündigungsgrund darstellt kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen beurteilt werden.

Weiterhin sieht die VOB/B in § 6 Abs. 7 Satz 1 ein Kündigungsrecht für beide Parteien vor, wenn die Unterbrechung der Bauausführung länger als drei Monate dauert bzw. wenn absehbar ist, dass die Unterbrechung mehr als drei Monat dauern wird.

Ob im reinen BGB-Bauvertrag dem Besteller wegen Unmöglichkeit ein Rücktrittsrecht zusteht, ist im Einzelfall zu prüfen. Nach herrschender Auffassung werden im VOB/B-Vertrag diese Regelungen durch die spezielleren Kündigungsregelungen verdrängt.

2.4 Anordnung von Behörden

Die behördlichen Möglichkeiten zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren nach dem IfSG können sehr weitreichend und ggfs. auch über Quarantänemaßnahmen gegenüber dem Personal (§ 30 IfSG) hinausgehen. Welche Auswirkungen sich daraus für Auftragnehmer ergeben können (Bauzeitverlängerungsanspruch bzw. darüber hinaus Mehrvergütungsanspruch z.B. nach § 2 Abs. 5/6 VOB/B) wird ebenso im Einzelfall zu prüfen sein.

3. Fazit

Derzeit lässt sich abstrakt - mit Ausnahme, dass es sich bei bereits geschlossenen Bauverträgen beim Coronavirus um eine Fall höherer Gewalt handeln dürfte - keine eindeutige Aussage hinsichtlich der sonstigen rechtlichen Auswirkungen auf den Bauvertrag treffen.

Darüber hinaus dürfte sich die Bewertung der Gerichte hinsichtlich solcher Bauverträge, die nach Bekanntwerden des Coronavirus geschlossen wurden, in Bezug auf die Einstufung als höhere Gewalt ändern. Ein Berufen auf einen unvorhersehbaren Umstand dürfte nicht mehr möglich sein.

Es ist daher zu empfehlen, vertragliche Vereinbarungen zu höherer Gewalt bzw. außergewöhnlicher Ereignisse zu treffen.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei den vorstehenden Ausführungen lediglich um eine abstrakte Darstellung von möglichen rechtlichen Auswirkungen handelt, die eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann. Sofern Sie eine individuelle Beratung wünschen steht Ihnen unsere Praxisgruppe Real Estate jederzeit gerne zur Verfügung.