GmbH-Beschlüsse während Corona-Zeiten

Dr. Bernd Fluck

Dr. Bernd Fluck

Wie können GmbH-Beschlüsse im Umlaufverfahren ohne eine Gesellschafterversammlung bei Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie gefasst werden?

GmbH-Beschlüsse während Corona-Zeiten
GmbH-Beschlüsse während Corona-Zeiten

12.05.2020 | Gesellschaftsrecht

Beschlüsse in Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs) werden im Regelfall in physischen Zusammenkünften (Versammlungen) der Gesellschafter gefasst (§ 48 Abs. 1 GmbHG). Aufgrund der derzeit herrschenden Kontaktbeschränkungen und wohl noch länger andauernden medizinischen Empfehlung, physische Kontakte zu haushalts- und familienfremden Personen so weit wie möglich zu meiden, stellt sich in vielen Unternehmen die Frage, wie Beschlüsse der Gesellschafter ohne physische Präsenz der Anteilseigner gefasst werden können. Insbesondere, wenn eine entsprechende Satzungsregelung zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren oder zu einer virtuellen Gesellschafterversammlung fehlt.

Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht

Der Bundestag hat zu dieser Problematik jüngst ein Gesetz mit der Bezeichnung „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ beschlossen. Das Gesetz wurde am 27.03.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es ist seit 28.03.2020 in Kraft.

Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie – COVMG

Gemäß Artikel 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht wurde ein Gesetz mit der sperrigen Bezeichnung „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ (im Folgenden: „COVMG“) geschaffen. Das COVMG sieht weitreichende Modifikationen über die bestehenden Regeln zu Beschlussfassungen in Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs), Aktiengesellschaften, Genossenschaften, Vereinen, Stiftungen und Wohnungseigentümergemeinschaften vor (Lesen Sie dazu: Neues Gesetz ermöglicht Durchführung virtueller Gesellschafterversammlung).

Während das COVMG hinsichtlich Aktiengesellschaften in § 1 eine relativ detaillierte gesetzliche Anpassung enthält, trifft § 2 COVMG für GmbHs nur eine bruchstückhafte Regelung für Beschlussfassungen außerhalb von Gesellschafterversammlungen. Die stiefmütterliche Behandlung der GmbH durch den Gesetzgeber überrascht ein wenig angesichts der erheblichen Bedeutung der GmbH im deutschen Wirtschaftsleben. Das COVMG lässt die wesentlichen Fragestellungen, wie eine solche Beschlussfassung außerhalb einer Präsenzsitzung auf Grundlage des COVMG stattzufinden hat, ungeklärt.

Ein kurzer Überblick darüber, wie GmbH-Beschlüsse im Umlaufverfahren ohne Gesellschafterversammlung aufgrund der neuen Regelungen des COVMG gefasst werden können, soll hier dargestellt werden.

Persönlicher Anwendungsbereich

§ 2 COVMG sieht vor, dass Beschlüsse der Gesellschafter abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden können. Die Regelung gilt unmittelbar für die GmbH und die UG (haftungsbeschränkt). Die Beschlussfassungen in Aktiengesellschaften, Genossenschaften, Vereinen, Stiftungen und Wohnungseigentümergemeinschaften sind in den §§ 1, 3, 5 und 6 COVMG geregelt. Für Personen- und Personenhandelsgesellschaften wie die GbR, die OHG, die KG, die PartG und die GmbH & Co. KG enthält das COVMG keine Bestimmungen.

Zeitlicher Anwendungsbereich

Der zeitliche Anwendungsbereich des § 2 COVMG ist gemäß § 7 Abs. 2 COVMG auf Gesellschafterbeschlüsse beschränkt, die im Jahr 2020 gefasst werden. Maßgeblich hierfür dürfte der letztmögliche Zeitpunkt sein, bis zu dem Stimmen bei der Gesellschaft eingereicht werden können. § 8 des COVMG enthält eine Verordnungsermächtigung, wonach das Bundesjustizministerium durch Rechtsverordnung die Geltung des § 2 COVMG bis zum 31.12.2021 verlängern kann, wenn dies aufgrund der COVID-19-Pandemie für sachgerecht erachtet wird.

Sachlicher Anwendungsbereich

Der sachliche Anwendungsbereich des § 2 COVMG erfasst Beschlussfassungen in Schrift- oder Textform. Darunter fallen insbesondere Erklärungen, die eigenhändig unterschrieben und im Original oder per Fax an die Gesellschaft übermittelt werden, aber auch Abstimmungen per E-Mail oder ein Scan des unterzeichneten Dokuments. Videokonferenzen, z.B. per Skype, Zoom, Microsoft Teams, etc., oder Telefonschalten sind demgegenüber nicht von § 2 COVMG erfasst.

Gegenständlich ist § 2 COVMG nicht auf bestimmte Beschlüsse beschränkt. Grundsätzlich können daher alle Beschlussgegenstände im Wege einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren gemäß dem modifizierten § 48 Abs. 2 GmbHG gefasst werden. Etwas anderes gilt nur für solche Beschlüsse, für die aufgrund zwingender gesetzlicher Regelungen eine Versammlungspräsenz vorgesehen ist. Dies betrifft insbesondere Beschlüsse über die Verschmelzung, die Spaltung und den Formwechsel (§ 13 Abs. 1 S. 2 UmwG, § 125 i.V.m. § 13 Abs. 1 S. 2 UmwG und § 193 Abs. 1 S. 2 UmwG). Probleme bereitet die Beschlussfassung im Umlaufverfahren auch bei solchen Beschlüssen, die einer notariellen Beurkundung bedürfen, also insbesondere bei Kapitalmaßnahmen oder satzungsändernden Beschlüssen. Eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren kommt bei solchen Beschlussgegenständen nur in Betracht, wenn die Gesellschafter ihre Stimmen vor dem beurkundenden Notar abgeben, der dann das Beschlussergebnis beurkundet.

Gesetzestechnik des § 2 COVMG

§ 2 COVMG nimmt keine unmittelbare Änderung des § 48 Abs. 2 GmbHG vor. Dies bedeutet, dass sich die Modifikation des § 48 Abs. 2 GmbHG nicht im GmbHG niederschlägt. Vielmehr tritt der Regelungsgehalt des § 2 COVMG in seinem zeitlichen Anwendungsbereich neben § 48 Abs. 2 GmbHG. Dies führt zu einer gewissen Unübersichtlichkeit der Gesetzeslage.

Konkrete Anforderungen an GmbH-Beschlüsse gemäß § 2 COVMG

§ 2 COVMG enthält keine Vorgaben darüber, wie eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren auf Grundlage dieser Vorschrift im konkreten Fall abzulaufen hat. Es ist daher weitgehend auf bereits bekannte allgemeine Grundsätze des GmbH-Rechts abzustellen.

Die Einleitung der Beschlussfassung erfolgt im Regelfall in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 1 GmbHG durch den/die Geschäftsführer. Zudem besteht eine Einberufungskompetenz der Gesellschafter nach § 50 Abs. 3 GmbH (oder einer entsprechenden Satzungsregelung), wenn der Geschäftsführer einem berechtigten Verlangen eines Gesellschafters oder Gesellschafterkreises auf Einberufung einer Gesellschafterversammlung oder Einleitung einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren nicht zeitnah nachkommt, oder ein Geschäftsführer nicht vorhanden ist.

Einleitung der Beschlussfassung

Allen Gesellschaftern ist die Möglichkeit zur Teilnahme an der Beschlussfassung zu gewähren, andernfalls ist eine wirksame Beschlussfassung nicht möglich. Demnach muss das Schreiben, welches eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren nach § 2 COVMG initiiert, an alle Gesellschafter übersandt werden. Inhaltlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren eingeleitet wird und die Stimmabgabe in Textform und / oder durch schriftliche Abgabe zu erfolgen hat. Zudem sollte darauf hingewiesen werden, dass die Beschlussfassung auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter erfolgen kann. Zudem ist ein Endtermin mitzuteilen, bis zu welchem die Gesellschafter an der Beschlussfassung partizipieren können, das heißt ihre Stimmabgaben bei der Gesellschaft einzugehen haben. Schließlich müssen die Tageordnung und die anstehenden Beschlussgegenstände hinreichend mitgeteilt werden (§ 51 Abs. 4 GmbHG).

Frist für die Stimmabgabe

Ungeklärt ist, welcher Zeitraum für die Frist vorzusehen ist bis wann den Gesellschaftern die Möglichkeit eingeräumt werden muss, an der Beschlussfassung mitzuwirken. § 2 COVMG regelt das nicht. Dies ist bedenklich, da durch die Bestimmung einer sehr kurzen Frist der Geschäftsführer bzw. der Beschlussinitiator gegebenenfalls steuern kann, welcher der Gesellschafter die Möglichkeit hat, an der Beschlussfassung teilzunehmen. Auf diese Weise könnten trotz formaler Beteiligung an der Beschlussfassung unerwünschte Gesellschafter umgangen werden. Zum Beispiel, wenn die Beschlussfassung für den Zeitraum einer Urlaubsabwesenheit eines Gesellschafters angesetzt und die Äußerungsfrist sehr kurz bemessen wird.

Bei § 48 Abs. 2 GmbHG in seiner ursprünglichen Fassung wird ein Fristerfordernis für die Beschlussfassung aus Gründen des Minderheitenschutzes nicht relevant. Eine Beschlussfassung ist im Umlaufverfahren nach dieser Regelung nur möglich ist, wenn sämtliche Gesellschafter mit der Beschlussfassung im Umlaufverfahren einverstanden sind. Die Rückäußerungsfrist sollte für die Beschlussfassung im Umlaufverfahren analog zu den gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vorgaben für die Einberufungsfrist für eine Gesellschafterversammlung erfolgen. Auf diese Weise kann das Risiko einer unwirksamen Beschlussfassung aufgrund einer zu kurzen Frist vermieden werden. Denn diese Regelungen zur Einberufungsfrist für Gesellschafterversammlungen sehen einen Zeitraum vor, in welchem die Gesellschafter im Regelfall damit rechnen müssen, dass eine Beschlussfassung stattfindet, und der für eine Vorbereitung auf die Beschlussfassung als ausreichend angesehen wird. Der früheste zeitlich mögliche Termin für die Rückäußerung ist demnach der erstmögliche Tag für eine Gesellschafterversammlung unter Wahrung der Ladungsfrist.

Satzungsmäßiges Quorum für die Beschlussfähigkeit

Sofern die Satzung der betroffenen Gesellschaft ein sogenanntes Quorum für die Beschlussfassung vorsieht, das heißt eine Regelung, wonach eine Gesellschafterversammlung nur dann beschlussfähig ist, wenn eine bestimmte Anzahl an Gesellschaftern anwesend ist, die zusammen einen bestimmten Anteil am Stammkapital in sich vereinen, sollte diese Anforderung auch für eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren nach § 2 COVMG gewahrt werden. Wenn also bis zum Ablauf der zunächst gesetzten Abstimmungsfrist nicht ausreichend viele Gesellschafter an der Abstimmung teilnehmen, damit das satzungsmäßig festgelegte Beschlussquorum erreicht wird, ist regelmäßig zeitnah eine zweite Beschlussfassung zu initiieren, die dann ohne Rücksicht auf das bei der Abstimmung vertretene Stammkapital beschlussfähig ist.

Form der Mitteilung an die Gesellschaft

Ungeklärt ist zudem, in welcher Form die Mitteilung an die Gesellschaft über die Beschlussfassung im Umlaufverfahren, das heißt die Initiierung der Beschlussfassung, zu erfolgen hat. Auch insofern sieht § 2 COVMG keine Regelung vor und es ist nicht hilfreich, auf die für § 48 Abs. 2 GmbHG entwickelten Grundsätze abzustellen, da dort ein Formerfordernis aufgrund der Mitwirkung aller Gesellschafter keine Bedeutung erlangt. Daher ist es empfehlenswert, auf die satzungsmäßigen oder gesetzlichen Formvorschriften für die Einberufung eine Gesellschafterversammlung zurückzugreifen. Mangels erleichternder Satzungsregel ist daher die Beschlussfassung im Umlaufverfahren nach § 2 COVMG gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 GmbHG mittels eingeschriebenen Briefs an die der Gesellschaft zuletzt mitgeteilte Adresse des jeweiligen Gesellschafters zu richten.

Satzungsregelungen zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren

Außerdem ist fraglich, wie mit der Situation umzugehen ist, wenn die GmbH-Satzung vergleichbare Regelungen zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren oder gar über virtuelle Gesellschafterversammlungen enthält. Hierbei wird danach zu differenzieren sein, ob und inwieweit diese Satzungsregelungen über den sachlichen Regelungsgehalt von § 2 COVMG hinausgehende Modalitäten für Beschlussfassungen außerhalb physischer Gesellschafterversammlungen vorsehen. Soweit dies der Fall ist, bleibt die satzungsmäßig vorgesehene Art der Beschlussfassung von § 2 COVMG unberührt, da § 2 COVMG für solche Beschlussfassungen (zum Beispiel Videokonferenzen) keine Bestimmung enthält. Soweit sich die entsprechende Satzungsregelung zur Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen hinsichtlich der konkreten Art der Beschlussfassung (in Schrift- oder Textform) mit § 2 COVMG deckt, kommt es darauf an, ob die Satzungsregelung strengere Anforderungen an die Beschlussfassung enthält als § 2 COVMG oder nicht. Ist dies der Fall, zum Beispiel weil die Beschlussfassung in Textform nur mit Zustimmung von 75 % des bei der GmbH vorhandenen Stammkapitals möglich sein soll, dürfte der weniger strengen Regelung des § 2 COVMG gegenüber der strengeren Satzungsregel Vorrang zukommen, da es gerade der Zweck des § 2 COVMG ist, Beschlussfassungen außerhalb von Gesellschafterversammlungen während der CORONA-19-Pandemie zu erleichtern.

Erforderliche Mehrheit der Stimmen

Hinsichtlich der für die Beschlussfassung erforderlichen Mehrheiten bleibt es bei den allgemeinen Regeln. Das heißt auch die Beschlüsse im Verfahren nach § 2 COVMG werden mit den durch die gesetzlich oder satzungsmäßig vorgesehenen Stimmenmehrheiten, im Regelfall also mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (vgl. § 47 Abs. 1 GmbHG), gefasst.

Mitteilung des Beschlussergebnisses

Um Transparenz über die Beschlusslage in der GmbH zu schaffen ist den Gesellschaftern das Ergebnis der Beschlussfassung mitzuteilen. Die Kompetenz für die Mitteilung des Beschlussergebnisses liegt nach hier vertretener Auffassung beim Beschlussinitiator, regelmäßig also dem Geschäftsführer oder den Minderheitsgesellschaftern nach § 50 Abs. 3 GmbHG. Die wohl herrschende Meinung im juristischen Schrifttum sieht die Beschlussfeststellungskompetenz demgegenüber auch bei Beschlussfassungen im Umlaufverfahren beim Versammlungsleiter.

Fazit

§ 2 COVMG sieht Erleichterungen für Beschlussfassungen außerhalb von Gesellschafterversammlungen von GmbHs vor, die gerade in der aktuellen Krisensituation zu begrüßen sind, wobei es sinnvoll gewesen wäre, auch die Möglichkeit von Telefon- oder besser noch Videokonferenzen einzubeziehen, da dies dem Leitbild einer Gesellschafterversammlung mit Diskussionsmöglichkeit noch näher käme. Die rudimentäre Ausgestaltung der Vorschrift stellt den Rechtsanwender zunächst vor einige Unklarheiten. Diese können jedoch weitgehend durch Rückgriffe auf allgemeine Prinzipien und Grundsätze des GmbH-Beschlussrechts gelöst werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Regelung auch über die Zeit der aktuellen Kontaktbeschränkungen hinaus durchsetzen wird.