26.08.2020 | Arbeitsrecht
Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft erkrankt ist. Was aber gilt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor nicht auf den Verfall des Urlaubsanspruchs hingewiesen hat? Mit dieser Frage hatte sich das BAG kürzlich auseinanderzusetzen (BAG, Beschl. v. 7.7.2020 - 9 AZR 401/19 (A)).
Der Arbeitnehmer war im Jahr 2017 durchgehend arbeitsunfähig und begehrte die Feststellung, dass ihm noch 14 Urlaubstage aus dem Jahr 2017 zustehen. Der Arbeitgeber hatte den Arbeitnehmer weder aufgefordert, den Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen kann. Der Arbeitgeber machte geltend, dass der Urlaubsanspruch nach 15 Monaten erloschen sei. Dieser Verfall trete unabhängig von der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit ein.
15-Monatsfrist bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit
Ist ein Arbeitnehmer fortdauernd arbeitsunfähig, erlischt nach bisheriger Rechtsprechung des BAG der gesetzliche Urlaubsanspruch auf Grund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG jeweils 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres (BAG, Urt. v. 7. 8.2012 – 9 AZR 353/10).
Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers
Im Jahr 2019 hatte das BAG sodann entschieden, dass unter Berücksichtigung des Unionsrechts der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfällt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (BAG, Urt. v. 19.02.2019 - 9 AZR 423/16).
Für die Entscheidung, ob der Urlaub von dauerhaft Erkrankten nach 15 Monaten oder ggf. zu einem späteren Zeitpunkt verfällt, kommt es nach Ansicht des BAG – wieder – auf die Auslegung von Unionsrecht an. Das BAG hat deshalb dem EuGH die Entscheidung zur Vorabentscheidung vorgelegt. Ob das Unionsrecht den Verfall des Urlaubsanspruchs nach Ablauf der 15-Monatsfrist oder ggf. einer längeren Frist auch dann gestattet, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat, wird der EuGH daher künftig entscheiden.
Auswirkungen auf die Praxis
Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob der EuGH das Festhalten an der 15-Monatsfrist unter Verzicht auf die Mitwirkungsobliegenheit bei dauerhaft Erkrankten als mit dem Unionsrecht vereinbar ansehen wird. Bis zur Entscheidung des EuGHs sind Arbeitgeber weiterhin gut beraten, ihren Mitwirkungsobliegenheiten auch ggü. dauerhaft arbeitsunfähigen Arbeitnehmern nachzukommen.