01.09.2020 | Arbeitsrecht
Die Einhaltung von Schutzmaßnahmen hat sich in den Betrieben weitgehend etabliert. Sitz- und Hygienekonzepte werden umgesetzt, unnötige Kontakte und Versammlungen von Arbeitskollegen vermieden sowie Reisetätigkeiten auf ein Notwendiges beschränkt. Auch bei der Infektion eigener Mitarbeiter oder einem diesbezüglichen Verdacht besteht mittlerweile Routine. Aber wie hat der Arbeitgeber zu verfahren, wenn bei einer im selben Haushalt wie der Mitarbeiter lebenden Person der Verdacht einer Infektion mit dem Erreger COVID-19 besteht und was gilt es hierbei zu beachten?
Maßnahmen bei eigenen Mitarbeitern
Bei eigenen Mitarbeitern ist zunächst eine vorrübergehende Versetzung in das Homeoffice auch gegen deren Willen denkbar, sofern der Verdacht einer Infektion besteht. Kommt eine Erbringung der Arbeitsleistung von zu Hause aufgrund der Eigenart der Tätigkeit nicht in Betracht, ist an eine bezahlte Freistellung zu denken. Dem arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch steht in diesem Falle das überwiegende Interesse des Arbeitgebers an dem Schutz der übrigen Mitarbeiter vor den Gefahren einer Ansteckung entgegen.
Mitteilungspflicht über Erkrankung von Mitbewohnern?
Im Falle der Infektion einer im selben Haushalt wie der Mitarbeiter lebenden Person mit COVID-19 bestehen allerdings noch Unsicherheiten. Dies gilt erst recht, wenn eine Infektion lediglich vermutet wird, ein Testergebnis hingegen (noch) nicht vorliegt.
Nicht hinreichend geklärt ist diesbezüglich zunächst die Frage, ob ein Mitarbeiter den Arbeitgeber hierauf von sich aus hinweisen muss. Im Falle einer nachgewiesenen Infektion spricht vieles für eine entsprechende Informationspflicht. Ob dies hingegen auch für bloße Verdachtsfälle gilt, ist derzeit noch offen. Auch hier bestehen jedoch gute Argumente für eine Aufklärungspflicht des Mitarbeiters.
Empfehlenswert erscheint es daher, Handlungsanweisungen zum Umgang im Falle einer eigenen oder der Erkrankung eines Dritten im Betrieb zu erstellen und den Mitarbeitern entsprechend bekannt zu machen.
Verhalten des Arbeitgebers
Bei einer nachgewiesenen Infektion einer im selben Haushalt lebenden Person wird bereits das zuständige Gesundheitsamt im Falle eines engen persönlichen Kontakts auch für den betreffenden Mitarbeiter eine Quarantänepflicht anordnen. Andernfalls sind nach unserer Auffassung dieselben Maßnahmen zulässig, wie im Falle des Verdachts einer Infektion des Mitarbeiters selbst.
Auch bei dem bloßen Verdacht einer Infektion eines Mitbewohners kann dem Arbeitgeber einstweilen nur zur Ergreifung von Maßnahmen geraten werden, um sich nicht schlimmstenfalls etwaigen Haftungsansprüchen ausgesetzt zu sehen. Aufgrund der erhöhten Ansteckungsgefahr mit dem Erreger ist diese Situation unseres Erachtens abermals mit dem Verdacht einer Infektion des Mitarbeiters selbst gleichzusetzen. Bereits das abstrakte Risiko einer Infektion dürfte somit derzeit ausreichen, um einseitige Anordnungen des Arbeitgebers zum Verlassen des Betriebs auch gegen den Willen des Mitarbeiters zu rechtfertigen. Ist eine Erbringung der Arbeitsleistung von zu Hause nicht möglich und kommt auch keine einvernehmliche Urlaubsgewährung in Betracht, so trägt der Arbeitgeber die Kosten der Zeiten der Freistellung.
Klare Kommunikation
Ist nach der Information eines Mitarbeiters über den Verdacht einer eigenen oder der Infektion eines Mitbewohners keine Homeoffice-Tätigkeit möglich, so sollte zunächst der einvernehmliche Abbau von Urlaubsansprüchen geprüft werden.
Ist dies nicht möglich, empfiehlt es sich zur Vermeidung von Missverständnissen eine Freistellung nur widerruflich bis zur Mitteilung eines negativen Testergebnisses, längstens jedoch für zwei Wochen auszusprechen. Ebenfalls sollte eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers ausdrücklich den Hinweis enthalten, dass hiermit etwaig bestehende Freizeitausgleichsansprüche abgegolten werden. Zu beachten ist allerdings, dass eine Anrechnung von Urlaub auf die Zeiten der widerruflichen Freistellung stets ausscheidet.
Bei der unwiderruflichen Freistellung unter Urlaubsanrechnung erscheint indes Zurückhaltung geboten. Hier sind entgegenstehende Urlaubswünsche des Mitarbeiters zu berücksichtigen. Andernfalls bestehen das Risiko der Unwirksamkeit der Urlaubsanrechnung und in der Konsequenz Übertragungs- und ggf. Abgeltungsansprüche.
Dauer der Freistellung
Eine die allgemeine Quarantänezeit von zwei Wochen überschreitende Freistellung erscheint zwar nicht geboten, jedoch sollte die Freistellung nicht vor der Mitteilung eines negativen Testergebnisses beendet werden.
Im Falle des Verdachts der Infektion eines Mitbewohners kann der Mitarbeiter ein Testergebnis hingegen überhaupt nur dann mitteilen, wenn ihm dies auch bekannt ist. Ein Anspruch des Arbeitgebers und damit eine Verpflichtung des Mitarbeiters zur Mitteilung des Testergebnisses in Bezug auf einen Mitbewohner ist hingegen rechtlich fernliegend und begegnet überdies erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken.
Hier ist der Arbeitgeber daher auf die Kooperation sowie die wahrheitsgemäßen Angaben des Mitarbeiters angewiesen. Abermals bieten sich konkrete Handlungsanweisungen an die Mitarbeiter an. So kann bspw. mitgeteilt werden, dass eine Rückkehr in den Betrieb vor der Mitteilung eines negativen Testergebnisses untersagt ist.