26.01.2021 | Arbeitsrecht
Eine gesetzliche Impfpflicht gegen das Corona-Virus gibt es bislang in Deutschland nicht. Aber was gilt im Arbeitsrecht? Kann ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter zu einer Impfung verpflichten oder die Einstellung von einem Impfnachweis abhängig machen? Und welche freiwilligen Alternativen können den betrieblichen Gesundheitsschutz verbessern?
Keine Impfpflicht im bestehenden Arbeitsverhältnis
Mangels gesetzlicher Impflicht kommt auch eine betriebliche Impflicht zur Zeit nicht in Betracht. Eine entsprechende Weisung (§ 106 GewO) des Arbeitgebers wäre unzulässig. Denn jede Impfung stellt dem Grunde nach eine Körperverletzung dar, die nur im Ausnahmefall gerechtfertigt ist. Zudem ist als weiteres Grundrecht die allgemeine Handlungsfreiheit betroffen. Die Entscheidung über eine Impfung ist eine höchst individuelle. Der Arbeitgeber muss sich in der Regel aus solchen persönlichen, außerdienstlichen Angelegenheiten heraushalten. Auch eine arbeitsvertragliche Impfpflicht dürfte an dieser Hürde scheitern.
Hinzu kommt Folgendes: Die Corona-Impfung schützt zwar vor der Erkrankung selbst. Ob sie auch verhindert, dass der Geimpfte das Virus aufnimmt und weitergibt, ist bislang jedoch nicht geklärt. Wenn eine Weitergabe durch Geimpfte aber nicht sicher ausgeschlossen ist, erscheint eine Impflicht unverhältnismäßig. Sollten sich hier neue Erkenntnisse ergeben, wäre auch eine betriebliche Impfpflicht neu zu bewerten. Unter Umständen könnten Ungeimpften strengere Schutzmaßnahmen auferlegt werden oder ihnen der Zugang zu bestimmten Gemeinschaftsräumen wie der Kantine verwehrt bleiben.
Aktuell darf die Impfverweigerung nicht an arbeitsrechtliche Konsequenzen geknüpft werden. Denn nach § 612 a BGB darf ein Arbeitnehmer nicht benachteiligt werden, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.
Etwas anderes kann allenfalls in Bereichen gelten, in denen Arbeitnehmer Kontakt mit besonders vulnerablen Gruppen haben (Ärzte, Pflegepersonal etc.). Hier kann eine betriebliche Impflicht – nach dem Vorbild der Masernimpfung – möglicherweise bereits jetzt zulässig sein.
Kein Impfnachweis als Einstellungsvoraussetzung
Auch bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen kann der Impfnachweis eine Rolle spielen. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob der Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren nach einer Corona-Impfung fragen darf. Das hängt davon ab, ob die Kenntnis vom Impfstatus für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses zwingend erforderlich ist oder ob der Schutz der Beschäftigten und sonstigen Personen auch anderweitig sichergestellt werden kann (§ 9 Abs. 2 lit. b DSGVO, § 26 Abs. 1, 3 BDSG). Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (Beschäftigungsart, Kontakt zu Personen etc.). Jedenfalls für besonders sensible Bereiche dürfte die Kenntnis erforderlich sein. Die Frage wäre damit zulässig und eine Einstellung könnte unter Umständen unter Hinweis auf den fehlenden Impfschutz abgelehnt werden.
Auch im IfSG findet sich mit § 23 a IfSG eine passende Rechtsgrundlage, die aber bislang nur für besonders gefährdete Bereiche im Gesundheits- und Pflegebereich (Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegedienste etc.) gilt. Danach darf der Arbeitgeber „personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden.“ Die Maßnahme muss erforderlich sein, was wiederum nur der Fall ist, wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen und die Infektionsgefahr bei der Arbeit nicht anders kontrolliert werden kann (z.B. durch Schnelltests und die Einhaltung der AHA-Regeln).
Betriebliche Anreizsysteme als lohnenswerte Alternative
Eine Alternative bieten betriebliche Anreizsysteme, mit denen freiwillige Impfungen belohnt und damit die Impfbereitschaft in der Belegschaft gesteigert werden kann. In Betracht kommt zum Beispiel ein freiwilliges betriebliches Impfprogramm mit kostenfreier Impfung durch einen Betriebsarzt oder die Gewährung von sogenannten „Impfprämien“.
Die Zahlung einer Impfprämie kommt für freiwillig geimpfte Mitarbeiter in Betracht, die dem Arbeitgeber hierüber einen Nachweis erbringen. In den USA gewähren unter anderem die dortigen Ableger der deutschen Discounter Aldi und Lidl bereits heute solche Boni. In Bezug auf den Impfnachweis sind die datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten, insbesondere dürfte eine Aufnahme des Impfnachweises in die Personalakte unzulässig sein. Bei der Einführung einer Impfprämie kann zudem ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen. Schließlich ist zu beachten, dass in Bezug auf die Impfprämie keine Differenzierung nach der Beschäftigungsart (Voll- sowie Teilzeitbeschäftigte, Minijobber, Werksstudenten etc.) erfolgen sollte: Andersfalls dürfte es sich um eine sachgrundlose Benachteiligung handeln. Denn für den Infektionsschutz am Arbeitsplatz spielen Status und Beschäftigungsgrad keine Rolle.
Beachtet man diese Grundsätze, kann ein betriebliches Anreizsystem eine gute Möglichkeit sein, die Impfbereitschaft seiner Mitarbeiter zu fördern.
Schnelltests als sinnvolle Ergänzung
Alternativ oder zusätzlich kann das Infektionsrisiko am Arbeitsplatz durch regelmäßige und kostenlose Schnelltests gesenkt werden. Auch hier sollte vorrangig auf Freiwilligkeit gesetzt werden. Ausnahmen kommen wiederum bei ärztlichen und pflegerischen Tätigkeiten in Betracht. Auch wenn ein Mitarbeiter coronatypische Erkältungssymptome wie Husten, Fieber, Schnupfen oder Atembeschwerden aufweist, kann die Anordnung eines Corona-Schnelltest vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein. Vorrangig sind aber auch hier mildere Mittel wie eine Beschäftigung des Arbeitnehmers im Homeoffice in Betracht zu ziehen.