31.01.2022 | IT-Recht und Datenschutz
VERBRAUCHERVERTRAG ÜBER DIGITALE PRODUKTE
Mit dem neuen Kaufrecht wurde ein neuer Vertrag – der Verbrauchervertrag über digitale Produkte – geschaffen, der in den neu eingeführten §§ 327 ff. BGB n.F. geregelt ist. Damit verfügt das BGB seit dem 1. Januar 2022 über ein eigenes Kaufrecht für digitale Produkte inklusive eigenem speziellen Gewährleistungsrecht.
Doch was genau sind digitale Produkte? Kurz gesagt, handelt es sich um die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen. Dies sind Inhalte, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Sie umfassen u. a. Computerprogramme, Apps sowie Video-, Audio- und Musikdateien. Erfasst sind aber auch Dienstleistungen, wie Social-Media- und Messenger-Dienste, Plattformen oder Datenbanken. Da-bei ist unerheblich, ob die Bereitstellung über körperliche Datenträger (beispielsweise CDs oder USB-Sticks) oder in nicht körperlicher Form erfolgt. Ausschlaggebend ist der im Vordergrund stehende digitale Charakter.
BEREITSTELLUNG VON PERSONENBEZOGENEN DATEN ALS GEGENLEISTUNG
Damit die Verbraucherschutzvorschriften der §§ 312 ff BGB sowie der neu eingeführten §§ 327 ff BGB n.F. zur Anwendung kommen, wird vorausgesetzt, dass sich ein Verbraucher als Gegenleistung zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet.
Ob und inwiefern eine Leistung an die Bereitstellung personenbezogener Daten gekoppelt werden kann, war bisher höchst umstritten. Bisweilen hielten die Aufsichtsbehörden die Bereitstellung von personenbezogenen Daten als Bezahlung für unzulässig. Dieser Ansicht folgt der Gesetzgeber nun ausdrücklich nicht.
Mit § 312 Abs. 1a BGB sowie § 327 Abs. 3 BGB schafft der Gesetzgeber nun eine erstmalige Regelung, welche die Bereitstellung personenbezogener Daten mit einer Geldleistung gleichstellt. Der Anwendungsbereich des Verbraucherschutzes wird da-mit in beträchtlichem Maße erweitert.
Das Gesetz sieht nur dann eine Ausnahme vor, wenn der Unternehmer die bereitgestellten Daten ausschließlich zur Vertragserfüllung oder aufgrund rechtlicher Anforderungen verarbeitet.
DER NEUE SACHMANGELBEGRIFF
Auch der Sachmangelbegriff im Kaufrecht gem. § 434 BGB wurde grundlegend modernisiert.
Bislang genügte es für die Mangelfreiheit, wenn die Kaufsache der vereinbarten Beschaffenheit entsprach oder zumindest die üblicherweise zu erwartende Beschaffenheit aufwies und sich für die gewöhnliche Verwendung eignete. Eine subjektive Vereinbarung ging den objektiven Erwartungen damit vor. Die Neufassung erweitert nun die Voraussetzungen einer Mangelfreiheit. Eine Sache ist nach § 434 BGB n.F. nur mangelfrei, wenn sie bei Übergabe den subjektiven und den objektiven Anforderungen entspricht. Damit müssen die subjektiven und objektiven Anforderungen nun kumulativ und nicht mehr nur alternativ vorliegen.
Gerade bei dem Verkauf von B-Ware, Ausstellungsstücken und gebrauchten Artikeln ist besondere Vorsicht geboten. Eine negative Beschaffenheitsvereinbarung kann gegenüber Verbrauchern nur noch unter strengen Voraussetzungen erfolgen. Der Verkäufer muss den kaufenden Verbraucher eigens und vor Abgabe seiner Vertragserklärung über die negative Abweichung ausdrücklich und gesondert informieren. Ins-besondere sind entsprechende Regelungen in AGB oder vor-angekreuzte, deaktivierbare Kästchen im Onlinehandel als Information für den Käufer nicht ausreichend.
Neu ist auch der sogenannte „digitale Mangel“ bei Verbraucherverträgen. Anzuwenden sind die Vorschriften der §§ 475b bis 475e BGB auf Sachen, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder Dienstleistungen enthalten, dass sie ihre Funktionen ohne die digitale Komponente nicht erfüllen können. Hierunter fallen insbesondere Smartphones, PCs oder Tablets oder intelligente Haushaltsprodukte wie Saugroboter. Auch moderne Kfz können unter den Begriff fallen.
Unternehmer werden fortan über einen bestimmten Zeitraum verpflichtet, über Aktualisierungen zu informieren und diese bereitzustellen. Die Dauer dieser Verpflichtung ist gesetzlich nicht geregelt und wird am jeweiligen Einzelfall zu bemessen sein. Kommt der Unternehmer dieser Pflicht nicht nach, ist die Sache mangelhaft und begründet für den Verbraucher Gewährleistungsrechte.
Eine abweichende Vereinbarung oder ein Ausschluss der Aktualisierungspflicht ist nur unter Einhaltung strenger Voraussetzungen möglich.
WEITERE ÄNDERUNGEN IM VERBRAUCHSGÜTERKAUFRECHT
In seinen Neuregelungen stärkt der Gesetzgeber abermals die weiteren Gewährleistungsrechte für den Verbraucher. Wichtig – vor allem für die praktische Umsetzung – sind folgende Änderungen:
Die Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers bei anfänglichen Mängeln wird von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. Damit muss der Verkäufer nun zwölf Monate nach Übergabe der Kaufsache beweisen, dass diese mangelfrei war.
Kennt der Käufer den Mangel bei Vertragsschluss, so ist für diesen nach § 442 BGB das Gewährleistungsrecht ausgeschlossen. Diese Regelung gilt fortan nicht mehr für Verbraucher. In der Praxis werden auch hier vor allem bei dem Verkauf von B-Ware besondere Vorkehrungen zu treffen sein.
Darüber hinaus entfällt bei Verbrauchergeschäften hinsichtlich der Geltendmachung von Schadenersatz und Rücktritt das Erfordernis zur Fristsetzung der Nacherfüllung. Sobald der Verbraucher den Unternehmer über den Mangel informiert, beginnt eine fiktive angemessene Nacherfüllungsfrist für den Verkäufer. Nach Ablauf ist der Käufer ohne weiteres berechtigt, die vorgenannten Rechte auszuüben.
Garantieerklärungen müssen Verbrauchern künftig auch ohne Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Es muss u. a. klargestellt werden, dass die gesetzlichen Gewährleistungsrechte unberührt bleiben und die Inanspruchnahme der Garantierechte unentgeltlich ist.
Letztlich ändern sich auch die Verjährungsfristen für Mängelansprüche bei Verbrauchsgüterkäufen. Zeigt sich ein Mangel innerhalb der Gewährleistungszeit, tritt die Verjährung frühestens vier Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Darüber hinaus sieht das Gesetz eine weitere Hemmung vor, wenn der Unternehmer während der Verjährungsfrist einen geltend gemachten Mangel durch Nacherfüllung beseitigt. In diesem Fall tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen des Mangels erst nach Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde.
WAS IST NUN ZU TUN?
Die rechtlichen Änderungen führen zu weitgehenden praxisrelevanten Folgen. Diese bringen insbesondere neue Pflichten für Unternehmen mit sich.
In jedem Fall ist Händlern, Verkäufern und Herstelllern zu raten, nicht nur ihr Produktangebot, sondern auch vor allem Ihre Vertragsmuster, AGB und Garantierklärungen an die neuen Anforderungen anzupassen. Abweichungen in AGB, die gegenüber Verbrauchern nachteilig wirken, sind unzulässig und werden auch zukünftig einer AGB-Kontrolle nicht standhalten. Es drohen insbesondere Abmahnungen durch Verbraucherschutzverbände.
Selbst wenn Sie nicht Hersteller eines Produkts sind, sollten Sie Ihre Verträge mit Ihren Lieferanten und Herstellern prüfen, um einen Gleichlauf Ihrer Pflichten gegenüber Ihren Kunden sowie Ihrer Rechte gegenüber dem Lieferanten/Hersteller sicherzustellen.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. André Schmidt und Kristina Gutzke.