Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Vertragsgestaltung in der Lieferkette

Dr. Benjamin Baisch

Dr. Benjamin Baisch

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz tritt am 01.01.2023 in Kraft: Was Unternehmen künftig bei der Vertragsgestaltung in der Lieferkette beachten müssen.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Vertragsgestaltung in der Lieferkette
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Vertragsgestaltung in der Lieferkette

04.08.2022 | Commercial

Das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, nachfolgend abgekürzt als LkSG) tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Von diesem Zeitpunkt an sind Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mindestens 3.000 Arbeitnehmern verpflichtet, in ihren Lieferketten Menschrechtsverstößen oder umweltbezogenen Verstößen entgegenzuwirken. Diese Pflicht wird ab 1. Januar 2024 auf weitere Unternehmen ausgedehnt und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die mindestens 1.000 Arbeitnehmer haben. Zweck des LkSG ist es, die Einhaltung von Menschenrechten und umweltbezogenen Belangen in Lieferketten zu stärken.

Auch wenn das LkSG in erster Linie menschenrechts- und umweltbezogene Pflichten an deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000/1.000 Beschäftigten adressiert, so bedeutet dies nicht, dass die unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer in der Lieferkette das LkSG ignorieren könnten. Im Gegenteil, die Vorgaben des LkSG werden sich in vielen Fällen auf die Vertragsgestaltung in der gesamten Lieferkette auswirken und sind somit nicht nur für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten relevant, sondern auch für deren unmittelbare und mittelbare Zulieferer, mögen diese auch weniger als 1.000 Beschäftigte haben.

Unternehmen mit mehr als 3.000/1.000 Beschäftigten sind künftig verpflichtet, mittels einer Risikoanalyse die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken bei ihren unmittelbaren Zulieferern zu ermitteln (§ 5 LkSG). Stellen die Unternehmen im Rahmen ihrer Analyse solche Risiken fest, müssen sie unverzüglich angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern ergreifen (§ 6 Abs. 1, Abs. 4 LkSG). Das LkSG nennt verschiedene Präventionsmaßnahmen beispielhaft und macht hierbei auch Vorgaben für die Gestaltung der Verträge zwischen Unternehmen und unmittelbarem Zulieferer:

Nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LkSG sind Unternehmen mit 3.000/1.000 Beschäftigten verpflichtet, sich von ihren unmittelbaren Zulieferern vertraglich zusichern zu lassen, dass der unmittelbare Zulieferer „die menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen einhält und entlang der Lieferkette angemessen adressiert.“

Nach § 6 Abs. 4 Nr. 4 LkSG sind Unternehmen mit 3.000/1.000 Beschäftigten verpflichtet, mit ihren unmittelbaren Zulieferern angemessene vertragliche Kontrollmechanismen zu vereinbaren sowie deren risikobasierte Durchführung, um die Einhaltung der Menschenrechtsstrategie bei dem unmittelbaren Zulieferer zu überprüfen.

Das LkSG macht somit Vorgaben für die Vertragsgestaltung im Verhältnis zwischen Unternehmen und unmittelbarem Zulieferer, auf die nachfolgend näher eingegangen wird:

1. Vertragsgestaltung beim Abschluss von Neuverträgen

Für Verträge, die das Unternehmen und der unmittelbare Zulieferer nach Inkrafttreten des LkSG neu abschließen, ist Folgendes zu beachten:

1.1. Vertragliche Zusicherung des unmittelbaren Zulieferers

Wenn die Risikoanalyse menschenrechts- oder umweltbezogene Risiken hinsichtlich bestimmter unmittelbarer Zulieferer ergeben hat, müssen Unternehmen mit mehr als 3.000/1.000 Beschäftigten mit diesen unmittelbaren Zulieferern künftig vertraglich vereinbaren, dass der unmittelbare Zulieferer die vom Unternehmen verlangten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen einhält und entlang der Lieferkette gegenüber seinen Vorlieferanten durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen weitergibt (§ 6 Abs. 4 Nr. 2 LkSG).

In der Praxis dürfte diese vertragliche Vereinbarung regelmäßig so umgesetzt werden, dass das Unternehmen einen Lieferantenkodex (Code of Conduct) entwirft, in welchem das Unternehmen risikospezifisch bestimmte menschenrechts- und umweltbezogene Erwartungen an die Lieferkette/Zulieferer formuliert. Das Unternehmen wird diesen Lieferantenkodex dann zum Vertragsinhalt machen, indem es sich von seinen unmittelbaren Zulieferern die Einhaltung des Lieferantkodex und dessen Weitergabe an Vorlieferanten (mittelbare Zulieferer des Unternehmens) zusichern lässt. Die vertragliche Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und seinem unmittelbaren Zulieferer sollte so ausgestaltet sein, dass das Unternehmen berechtigt ist, den Lieferantenkodex bzw. die menschenrechts- und umweltbezogenen Pflichten des unmittelbaren Zulieferers nachträglich anzupassen, sofern dies aufgrund einer neuen Risikobewertung (die Risikoanalysen sind gemäß § 5 Abs. 4 LkSG mindestens einmal jährlich durchzuführen) notwendig ist.

Die Aufnahme des Lieferantenkodex in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Unternehmens ist nicht empfehlenswert. Es ist zwar denkbar, dass der Lieferantenkodex auch mittels AGB vertraglich vereinbart werden kann. Dies setzt jedoch stets voraus, dass der unmittelbare Zulieferer dem in den AGB des Unternehmens enthaltenen Lieferantenkodex zustimmt. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn die AGB des unmittelbaren Zulieferers eine Abwehrklausel enthalten. Es ist daher vorzugswürdig, den Lieferantenkodex außerhalb von AGB zu vereinbaren.

Hat ein unmittelbarerer Zulieferer mehrere Abnehmer, die jeweils mehr als 3.000/1.000 Beschäftigte haben, kann er ein großes Interesse daran haben, dass er nicht mit jedem Abnehmer unterschiedliche Lieferantenkodizes vereinbart, da er sich dadurch sonst verpflichten würde, mit seinem Vorlieferanten oder seinen Vorlieferanten unterschiedliche Lieferantenkodizes zu vereinbaren. Für den unmittelbaren Zulieferer kann es daher von Vorteil sein, selbst einen risikospezifischen Zulieferkodex mit menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen zu formulieren und diesen mit seinen Abnehmern zu vereinbaren. Ob dies in der Praxis gelingen wird, ist letztlich eine Frage der Verhandlungsstärke.

1.2. Vertragliche Kontrollmechanismen des Unternehmens

Wie bereits angesprochen, sieht das LkSG vor, dass sich Unternehmen vertragliche Kontrollmechanismen gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern vorbehalten (§ 6 Abs. 4 Nr. 4 LkSG). Unternehmen müssen sich daher künftig umfassende Auditrechte von ihren unmittelbaren Zulieferern vertraglich einräumen lassen, so dass es dem Unternehmen möglich ist, in der Produktionsstätte des unmittelbaren Zulieferers vor Ort die menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Belange zu kontrollieren (siehe § 6 Abs. 4 Nr. 4 LkSG).

1.3. Freistellungsklauseln

Es ist zwar nicht durch das LkSG vorgegeben, aus Sicht des Unternehmens aber sinnvoll, mit dem unmittelbaren Zulieferer eine Freistellung zu vereinbaren. Eine solche Freistellungklausel hätte zur Folge, dass der unmittelbare Zulieferer das Unternehmen von allen Verpflichtungen und Schäden freistellen müsste, die daraus resultieren, dass der unmittelbare Zulieferer seine vertraglichen menschenrechtsbezogenen oder umweltbezogenen Pflichten verletzt hat.

Für unmittelbare Zulieferer sind solche Freistellungsklauseln sehr nachteilig, da sie hierdurch gegenüber dem Unternehmen verschuldensunabhängig auf Freistellung haften, wenn sie ihre menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflichten verletzt haben.

1.4. Kündigungsklauseln

Gemäß § 7 Abs. 3 LkSG müssen Unternehmen mit mehr als 3.000/1.000 Beschäftigten die Geschäftsbeziehung zum unmittelbaren Zulieferer in bestimmten Fällen beenden, z.B. wenn schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen oder umweltbezogene Verletzungen des unmittelbaren Zulieferers vorliegen.

Aus Sicht des Unternehmens ist es daher ratsam, mit dem unmittelbaren Zulieferer außerordentliche Kündigungsgründe im Vertrag zu vereinbaren, und zwar für den Fall, dass der unmittelbare Zulieferer gegen seine menschenrechtsbezogenen oder umweltbezogenen Pflichten verstößt.

2. Vertragsgestaltung bei bestehenden Verträgen

Lieferverträge, die Unternehmen mit mindestens 3.000/1.000 Beschäftigten und ihre unmittelbaren Zulieferer bereits vor dem 1. Januar 2023 abgeschlossen haben oder abschließen werden und die auch nach dem 1. Januar noch andauern, müssen vom Unternehmen erst noch an die neue Rechtslage des LkSG angepasst werden.

Hierzu muss das Unternehmen mit dem unmittelbaren Zulieferer die oben beschriebenen Zusicherungen (siehe Ziff. I.1.) und Auditrechte (siehe Ziff. I.2.) vereinbaren. Sofern das Unternehmen weder ein vertragliches noch ein gesetzliches Recht zur einseitigen Vertragsänderung hat, was in der Regel so sein wird, bleibt dem Unternehmen nur die Möglichkeit, mit dem unmittelbaren Zulieferer über eine Vertragsänderung zu verhandeln. Falls der unmittelbare Zulieferer sich weigert, müsste das Unternehmen prüfen, ob es die Geschäftsbeziehung beenden kann und müsste, sofern keine andere Möglichkeit bleibt, die Geschäftsbeziehung kündigen und, sofern gewünscht und möglich, einen geänderten Vertrag neu abschließen.

Wir beraten Sie gerne bei der Vertragsgestaltung. 

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