Keine überspannten Substantiierungsanforderungen beim Gesamtschuldnerausgleich (BGH, Beschluss vom 10.08.2022 - VII ZR 243/19)

 Katrin Reißenweber

Katrin Reißenweber

Die Substantiierungsanforderungen an den Vortrag zur Höhe des Anspruchs eines Bauunternehmers gegen einen Architekten auf Gesamtschuldnerausgleich dürfen nicht überspannt werden (BGH, Beschluss vom 10.08.2022 - VII ZR 243/19)

Keine überspannten Substantiierungsanforderungen beim Gesamtschuldnerausgleich (BGH, Beschluss vom 10.08.2022 - VII ZR 243/19)
Keine überspannten Substantiierungsanforderungen beim Gesamtschuldnerausgleich (BGH, Beschluss vom 10.08.2022 - VII ZR 243/19)

25.10.2022 | Bau- und Immobilienrecht

I. Sachverhalt

Ein Bauunternehmer war mit der Erstellung eines Gebäudes beauftragt, für das die beklagte Architektin die Planung erstellt hatte. Nach seiner Beauftragung meldete der Bauunternehmer gegenüber der Bauherrin Bedenken im Hinblick auf die Planung der Dächer über den Balkonen an. Er erstellte schließlich selbst einen planerischen Sondervorschlag. Die Architektin prüfte diesen und gab ihn frei. Die Balkondächer, die aufgrund der Sonderplanung entstanden, waren allerdings mangelhaft. Es zeigten sich Undichtigkeiten der Balkonüberdachung und Wassereintritte.

Der Bauunternehmer sanierte sodann die Dächer entsprechend einer von ihm entwickelten Sonderlösung. Er verlangt nunmehr von der Architektin Zahlung in Höhe von 70 Prozent der Gesamtsanierungskosten.

Das Landgericht München I wies die Klage ab. Auch die Berufung der Bauunternehmerin zum OLG München blieb ohne Erfolg. Erst der Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH wurde stattgegeben.

Das OLG München hatte festgestellt, dass der Bauunternehmer und die Architektin gegenüber der Bauherrin zwar grundsätzlich als Gesamtschuldner haften. Der Bauunternehmer sei für den Mangel aufgrund seiner fehlerhaften Sonderplanung und der sich daran anschließenden fehlerhaften Ausführung verantwortlich. Die Architektin sei für die Entstehung des Mangels verantwortlich, weil sie die erkennbar mangelhafte Sonderplanung, die sie im Rahmen der beauftragten Objektüberwachung habe überprüfen müssen, freigegeben und in die Gesamtplanung eingefügt habe.

Den Vortrag zur Höhe des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich sah das OLG allerdings als nicht hinreichend substantiiert an. Der BGH widerspricht dem und verweist die Sache an das OLG zurück. Er könne nicht ausschließen, dass es zu einem für den Bauunternehmer günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es die Darlegung zur Höhe des Ausgleichsanspruchs für ausreichend substantiiert erachtet und die angebotenen Beweise erhoben hätte. Dies müsse das OLG nunmehr nachholen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei ein Sachvortrag bereits dann schlüssig, wenn der Anspruchsteller Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen. Erfülle der Parteivortrag diese Anforderungen, so könne der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden, sondern es sei in die Beweisaufnahme einzutreten.

Der Bauunternehmer habe bereits erstinstanzlich sowohl den von der Bauherrin gerügten Mangel der Balkone als auch die erfolgten Mangelbeseitigungsarbeiten dargelegt. Er habe unter Vorlage verschiedener Stellungnahmen eines Privatgutachters vorgetragen, dass die Balkone mangelhaft gewesen seien, weil es zu Feuchtigkeitseintritten durch die Balkonüberdachung gekommen sei. Er habe weiter dargelegt, dass die Beseitigung dieses Mangels letztlich auf der Grundlage einer unter seiner Beteiligung erfolgten und von der Bauherrin nach Überprüfung durch ihren Privatgutachter akzeptierten Sanierungsplanung und eines erstellten Musters vorgenommen worden sei. Die danach durchgeführten Arbeiten habe der Bauunternehmer bereits erstinstanzlich näher beschrieben und erkennbar behauptet, diese seien insgesamt zur Beseitigung des beiderseits verursachten Mangels erforderlich gewesen. Darüber hinaus habe er den einzelnen Arbeiten bestimmte Kostenanteile - teilweise unter Angabe von Montagestunden nebst Stundensätzen - zugeordnet und sei so zu einer Gesamtsumme von 301.702,22 Euro gekommen. Aus einer vorgelegten Anlage ergebe sich zudem, dass die Mangelbeseitigung sowohl durch vom Bauunternehmer beauftragte Drittunternehmer als auch durch eigene Mitarbeiter erfolgt sei.

Bereits auf der Grundlage dieser Darlegungen hätte der Vortrag des Bauunternehmers keineswegs als insgesamt unschlüssig zurückgewiesen werden dürfen. Der Umstand, dass die Rechnungen der Drittunternehmer zunächst nicht beigefügt waren, mache den Vortrag nicht unschlüssig. Hinsichtlich der seitens des Bauunternehmers selbst durchgeführten Arbeiten seien Angaben zur Anzahl der Stunden und zum Stundensatz erfolgt. Die Frage, ob die beschriebenen Maßnahmen objektiv zur Beseitigung des betreffenden Mangels erforderlich waren, sei ebenso wie die Frage, ob die hierfür geltend gemachten Kosten als objektiv erforderlich anzusehen seien, einer Beweisaufnahme zugänglich. Dies gelte auch für die Frage, ob die geltend gemachten Kosten für die Sanierungsplanung insgesamt objektiv erforderlich waren oder ob hier eine Kürzung aufgrund einer zunächst nicht akzeptierten Lösung vorzunehmen ist.

II. Einordnung der Entscheidung

Bei der vorliegenden Fallkonstellation handelt es sich nicht um den „Standardfall“ des Gesamtschuldnerausgleichs, in dem ein Gesamtschuldner den Gläubiger durch eine Geldzahlung befriedigt und dann im Innenverhältnis wiederum eine Geldzahlung von einem anderen Gesamtschuldner verlangt. Vielmehr verlangt hier ein Gesamtschuldner, der eine Mangelbeseitigung durchgeführt hat, einen finanziellen Ausgleich von einem anderen Gesamtschuldner.

Im Hinblick darauf, dass Architekt und Bauunternehmer in einer engen rechtlichen Zweckgemeinschaft verbunden sind, dass die von ihnen geschuldeten Leistungen nicht völlig verschieden sind, dass vielmehr auch die Verbindlichkeit desjenigen, der den Mangel in natura zu beseitigen hat, zu einer Verpflichtung, Schadensersatz in Geld zu leisten, werden kann, ist hier ein Gesamtschuldverhältnis anzunehmen, obwohl Architekt und Bauunternehmer verschiedene Leistungen schulden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 01.02.1965, Az. GZS 1/64).

Der BGH stellt klar, dass die Anforderungen an den Vortrag zur Höhe der auszugleichenden Kosten nicht überspannt werden dürfen. Letztlich muss der Parteivortrag einen Sachverständigen in die Lage versetzen aufzuklären, ob die durchgeführten Maßnahmen zur Mangelbeseitigung erforderlich waren. Als Basis hierfür bedarf es einer Darstellung der durchgeführten Maßnahmen selbst. Ob die Arbeiten durch den Bauunternehmer selbst oder einen Nachunternehmer durchgeführt wurden, spi