Corona im Arbeitsverhältnis – (leider) noch immer aktuell

 Merle Techritz

Merle Techritz

Auch weiterhin ergehen regelmäßig arbeitsgerichtliche Entscheidungen zur Umsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen in Betrieben, insbesondere zur Rechtmäßigkeit arbeitsrechtlicher Sanktionen bei Verstößen gegen betriebliche Vorgaben zum Arbeitsschutz. Da Arbeitgeber nach der am 1. Oktober 2022 in Kraft getretenen neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung weiterhin bzw. erneut verpflichtet sind, an den Pandemieverlauf angepasste betriebliche Schutzkonzepte zu entwickeln und umzusetzen, sind Unternehmen gut beraten, hier die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung im Blick zu behalten.

Corona im Arbeitsverhältnis – (leider) noch immer aktuell
Corona im Arbeitsverhältnis – (leider) noch immer aktuell

31.10.2022 | Arbeitsrecht

Seit dem 1. Oktober 2022 gilt die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung und Arbeitgeber sind erneut gehalten, mit Blick auf die Entwicklung der Infektionszahlen betriebliche Hygienekonzepte zu erstellen und die danach gebotenen Corona-Schutzmaßnahmen umzusetzen. Mit der Frage, inwieweit Arbeitgeber betriebliche Schutzkonzepte anordnen und Verstöße entsprechend arbeitsrechtlich sanktionieren können, hat sich die Rechtsprechung im laufenden Kalenderjahr im Nachgang der letzten „Infektionswellen“ bereits mehrfach beschäftigt.

Gefälschter Testnachweis kann fristlose Kündigung rechtfertigen

So hatte das Arbeitsgericht Neumünster (Urteil vom 4. August 2022 – 1 Ca 88 b/22) über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Restaurant-Mitarbeiter fristlos gekündigt worden war, nachdem er während der Geltung der 3G-Regel in der Gastronomie gefälschte Testnachweise vorgelegt hatte. Der Arbeitnehmer hatte die Tests tatsächlich nicht selbst durchgeführt, sondern auf einer Online-Plattform durch Eingabe seiner Daten kostenpflichtig erstellt. Das Gericht sah hier einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung als gegeben. In der Vorlage der gefälschten Testzertifikate lag nach Auffassung des Arbeitsgerichts ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung des 3G-Nachweises aus § 28b Abs. 1 S. 1 a.F. Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB. Ein Verstoß gegen die Nachweispflicht könne in der Pandemielage erhebliche Gefahren für die Gesundheit anderer Menschen mit sich bringen. Dabei reiche eine abstrakte Gefährdungsmöglichkeit aus, ohne dass es auf eine tatsächliche Gefährdung im konkreten Fall ankomme. Hinzu komme, dass der Arbeitnehmer durch die Vorlage der falschen Bescheinigungen auch die Arbeitgeberin in die Gefahr aufsichtsbehördlicher Sanktionen gebracht hatte, da Verletzungen der Nachweis- und Überwachungspflicht gleichzeitig Pflichtverletzungen des Arbeitgebers darstellen.

Gefälschter Impfausweis kann fristlose Kündigung rechtfertigen

Ähnlich entschied das Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 23. März 2022 – 18 Ca 6830/21) mit Blick auf den gefälschten Impfausweis einer Mitarbeiterin im Vertrieb betrieblicher Gesundheitsförderung. Die beklagte Arbeitgeberin hatte angeordnet, dass ab dem November 2021 nur noch vollständig geimpfte Mitarbeiter die Kundentermine vor Ort wahrnehmen durften, da zum Kundenkreis insbesondere auch Pflegeeinrichtungen gehörten. Die Arbeitnehmerin hatte daraufhin einen Impfnachweis vorgelegt, welcher sich im Rahmen einer nachträglichen Überprüfung als gefälscht herausstellte. Das Arbeitsgericht erachtete die daraufhin ausgesprochene fristlose Kündigung der Arbeitgeberin als wirksam, da die Arbeitnehmerin die für die Fortführung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensgrundlage durch die Täuschungshandlung verwirkt habe.

OP-Maske nach tariflicher Regelung keine persönliche Schutzausrüstung in Form einer „Atemschutzmaske“

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 20. Juli 2022 – 10 AZR 41/22) hatte jüngst darüber zu entscheiden, welche Art von Schutzmasken im Arbeitsalltag einen Anspruch auf einen tariflichen Erschwerniszuschlag auslösen konnte. Der klagende Arbeitnehmer hatte den Erschwerniszuschlag mit Verweis darauf geltend gemacht, dass er bei seiner Tätigkeit in der Gebäudereinigung eine OP-Maske trage. Das BAG verneinte einen Anspruch des Klägers auf den Zuschlag und stellte fest, dass die Tarifregelung über das Tragen von persönlicher Schutzkleidung, hier insbesondere der Atemschutzmaske, während der Arbeitszeit anhand der einschlägigen Arbeitsschutzregelungen zu konkretisieren sei, insbesondere nach der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit (PSA-BV), der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel und der Corona-Arbeitsschutzverordnung. Demnach sei vom Begriff der „Atemschutzmaske“ in seiner fachtechnischen Bedeutung die medizinische Gesichtsmaske nicht umfasst, da nur solche Ausrüstungen gemeint seien, welche (auch) gegen eine Gefährdung der eigenen Sicherheit und Gesundheit schützen sollen. Diese Voraussetzung sei bei einer medizinischen Gesichtsmaske anders als bei einer FFP2- oder FFP3-Maske nicht in ausreichendem Maße erfüllt, um als persönliche Schutzausrüstung zu gelten.

Wartezeitkündigung wegen Impfverweigerung

Kürzlich entschied sodann das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 7. Juli 2022 – 5 Sa 461/21), dass ein Arbeitgeberunternehmen zulässigerweise sein Anforderungsprofil derart ausgestalten durfte, dass es in einem von ihm betriebenen Krankenhaus nur noch Pflegepersonal mit Covid-19-Schutzimpfung beschäftigt. Das Gericht hielt die im Zusammenhang mit diesem Schutzkonzept ausgesprochene Wartezeitkündigung einer ungeimpften Mitarbeiterin für sachlich begründet, da das Konzept dem Schutz vulnerabler Personengruppen diente. Ähnlich beurteilte das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 3. Februar 2022 – 17 Ca 11178/21) einen Fall, in dem ein Arbeitgeber, welcher einen Musicalaufführungsbetrieb nach dem „2G-Modell“ durchführte, einer ungeimpften Arbeitnehmerin in der Probezeit gekündigt hatte. Das gewählte unternehmerische Konzept sei insoweit weder willkürlich noch sei der Arbeitgeber aufgrund des Maßregelungsverbots nach § 612a BGB gehalten, nach rechtlicher Möglichkeit ein weniger einschneidendes, aber damit auch weniger sicheres Schutzkonzept zu wählen. Auch hier wies das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage ab.

Fazit

An Corona-Schutzkonzepte, die über die jeweils aktuellen gesetzlichen Vorgaben hinausgehen, sind regelmäßig hohe Anforderungen zu stellen. Eine Anordnung des Arbeitgebers zur Vorlage von 2G- oder 3G-Nachweisen in bestimmten Tätigkeitsbereichen oder für die Teilnahme an betrieblichen Veranstaltungen kann aber bei einem verhältnismäßigen Hygienekonzept aus konkreten Gründen des Infektionsschutzes gerechtfertigt sein. Bei Verstößen gegen eine Nachweispflicht durch gefälschte Test- oder Impfnachweise können nach der einschlägigen Rechtsprechung im Einzelfall arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur fristlosen Kündigung in Betracht kommen.