Aufstockungen in bestehenden Eigentümergemeinschaften unter den Voraussetzungen des neuen WEG-Rechts

 Vera Lederer

Vera Lederer

Aufstockungen von bestehenden Wohngebäuden erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit, fehlt es doch vielerorts an Baugrundstücken. Sofern das Gebäude aber nach WEG geteilt ist, wird es kompliziert. Eine Aufstockung will daher wohlüberlegt sein und setzt die vorherige genaue Prüfung der Teilungserklärung, aber auch die Bereitschaft der Eigentümergemeinschaft, die Aufstockung mitzutragen, voraus.

Aufstockungen in bestehenden Eigentümergemeinschaften unter den Voraussetzungen des neuen WEG-Rechts
Aufstockungen in bestehenden Eigentümergemeinschaften unter den Voraussetzungen des neuen WEG-Rechts

02.11.2022 | Bau- und Immobilienrecht

1. Grundsätzliche Unterscheidung zwischen Schaffung von neuem Sondereigentum und den baulichen Maßnahmen zur Aufstockung

Ziel einer Aufstockung ist regelmäßig die Schaffung von neuem Wohnraum, damit die Schaffung von neuen Sondereigentumseinheiten. Diese entstehen durch Anlegung eines neuen Grundbuchblattes, dem Wohnungsgrundbuch. Um ein solches Wohnungsgrundbuch beim Grundbuchamt neu anlegen zu lassen und damit die neue Einheit überhaupt erst im rechtlichen Sinne entstehen zu lassen, ist eine Änderung der Teilungserklärung notwendig. Die Teilungserklärung enthält nämlich die sachenrechtlichen Grundlagen jeder Eigentümergemeinschaft und bestimmt zusammen mit den Aufteilungsplänen, aus welchen Eigentumswohnungen sich die WEG zusammensetzt und wie deren Lage und Größe ist.

Die Frage, ob rechtlich eine neue Wohneinheit wirksam entstanden ist, ist streng zu trennen von der Frage, ob tatsächlich durch Baumaßnahmen abgegrenzte bewohnbare Räume geschaffen wurden.

Bei der Aufstockung in bestehenden Eigentümergemeinschaften ist daher zu unterscheiden:

2. Änderungen von Teilungserklärung und Aufteilungsplänen

Die Änderung von Teilungserklärung und Aufteilungsplänen setzt regelmäßig die Zustimmung sämtlicher Eigentümer voraus. Diese ist in grundbuchtauglicher Form beim Grundbuchamt vorzulegen, um die Änderung der Teilungserklärung vollziehen zu können.

Sofern es sich bei demjenigen, der sich eine Aufstockung vorbehalten hat, um den teilenden Eigentümer, klassischerweise den Bauträger, handelt, kann sich dieser entsprechende Vollmachten zur Änderung der Teilungserklärung im Rahmen der Kaufverträge mit den Erwerbern erteilen lassen. In der Teilungserklärung ist die Erteilung solcher Vollmachten unzulässig. Liegen entsprechende Vollmachten aus Kaufverträgen vor, wird ein erfolgreiches Aufstockungsprojekt erheblich erleichtert.

Fehlt es an wirksamen Vollmachten, benötigt der Aufstockende zur Schaffung neuen Sondereigentums die Zustimmung jedes einzelnen Eigentümers. In der Praxis stellt sich das – je nach Größe der WEG – als schwierig bis unmöglich dar. Die neu geschaffenen Räumlichkeiten bleiben dann unveräußerbar, da sie rein rechtlich betrachtet nicht als neue Wohneinheiten existieren. Ohne die vorweggenommene oder sichere Zustimmung sämtlicher Eigentümer eignet sich eine Aufstockung dann nur (beschränkt) für den Eigengebrauch des bauenden Eigentümers.

3. Bauliche Veränderungen im Zuge der Aufstockung

Anders sieht es hinsichtlich der tatsächlichen baulichen Veränderungen aus, die für eine Aufstockung erforderlich sind.

Hier besteht die Möglichkeit, ein Aufstockungsrecht bereits wirksam im Rahmen der Teilungserklärung vorzusehen bzw. sich die baulichen Maßnahmen durch Mehrheitsbeschluss gestatten zu lassen.

a) Gestaltung von Teilungserklärungen hinsichtlich eines Aufstockungsrechts

Regelungen zu einem möglichen Aufstockungsrecht finden sich in der Regel dann in Teilungserklärungen, wenn der aufteilende Eigentümer, dem die Satzungsautonomie der Wohnungseigentümer zugeordnet ist, sich ein solches Recht vorbehalten und einer bestimmten Wohneinheit zugeordnet hat. Mit Einräumung eines Aufstockungsrechts als Sonderrecht wird der Aufstockungsberechtigte, ähnlich einem Sondernutzungsrecht, gegenüber den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft „verdinglicht“ privilegiert. Damit aber benötigt er zur Ausübung seines Sonderrechts, in diesem Fall zur Aufstockung, die Zustimmung der Miteigentümer gerade nicht mehr und ist mit Blick auf die tatsächliche Ausführung der Aufstockung nicht auf eine Bevollmächtigung angewiesen. Für den Aufstockungswilligen ist eine solche Gestaltung daher sehr vorteilhaft.

Aus den konkreten Regelungen der Teilungserklärung ergibt sich, ob dem Aufstockungsrecht des privilegierten Eigentümers Grenzen gesetzt sind oder ob dieser – die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit der Baumaßnahmen vorausgesetzt – nach freiem Ermessen aufstocken darf. Das ist im Einzelfall zu prüfen.

b) Aufstockung ohne entsprechende Einräumung eines Aufstockungsrechts in der Teilungserklärung

Fehlt ein Aufstockungsrecht in der Teilungserklärung, muss der Aufstockungswillige sich die geplanten baulichen Maßnahmen in der Eigentümerversammlung durch Mehrheitsbeschluss gestatten lassen. Dies stellt eine wichtige Änderung dar, die seit 01.12.2020 im WEG-Recht gilt: Nach alter Rechtslage bedurfte es auch für bauliche Veränderungen der einstimmigen Entscheidung und damit der Zustimmung sämtlicher Eigentümer. Die Hürden für eine Aufstockung waren daher auch im Bereich der tatsächlichen Ausführung sehr hoch.

Nunmehr sieht § 20 Abs. 1 WEG vor, dass jede bauliche Veränderung durch Mehrheitsbeschluss beschlossen oder einem einzelnen Eigentümer gestattet werden kann.

Wird dem Eigentümer durch Beschluss gestattet aufzustocken, so entsteht an der aufgestockten Wohnung ein sog. faktisches Sondernutzungsrecht. Dieses kommt der faktischen Einräumung von Sondereigentum nahe, da dem Eigentümer, der die Kosten der Maßnahme zu tragen hat, nach § 21 Abs. 1 S. 2 BGB auch die alleinige Nutzung zukommt. Allerdings entsteht hierdurch gerade kein Sondereigentum im rechtlichen Sinne, da hierfür, wie bereits dargestellt, die Teilungserklärung geändert und durch Eintragung ins Grundbuch neues Sondereigentum begründet werden muss. Zur Veräußerung eignen sich die neu geschaffenen Räumlichkeiten daher nicht.

Zusätzliches Problem ist, dass nach § 21 Abs. 4 WEG jeder Sondereigentümer im Nachhinein verlangen kann, an den baulichen Veränderungen (hier: Aufstockung) teilzuhaben. Er muss zwar einen angemessenen Ausgleich an den die Maßnahme durchführenden Eigentümer leisten, hat dann aber im Gegenzug Anspruch auf eine Teilhabe auch an den Nutzungen (z.B. einem Mietzins, der durch die neu geschaffenen Räumlichkeiten erwirtschaftet werden kann). Nach einer Ansicht in der Literatur ist ein solches Teilhabeverlangen bei einer engen Verbindung zum eigenen Sondereigentum oder neuem Wohnraum unbillig; nach anderer Ansicht kann dies nicht von vorneherein so entschieden werden, da es der Prüfung im Einzelfall bedarf. Rechtsprechung hierzu gibt es bislang nicht, so dass auch für den selbstnutzenden Eigentümer nicht abschließend geklärt ist, ob er die Früchte der Aufstockung nicht nachträglich doch noch teilen muss.

Weitere Gefahr ist, dass ein Miteigentümer den Beschluss, mit dem die Maßnahmen zur Aufstockung gestattet wurden, erfolgreich gerichtlich angreift, mit der Begründung, der Beschluss verstoße gegen § 20 Abs. 4 WEG, da eine grundlegende Umgestaltung der Anlage oder aber eine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers vorliege. Die gerichtliche Ungültigerklärung des Beschlusses hätte im schlimmsten Fall einen Rückbau zur Folge. Auch hierzu fehlt es bislang an Rechtsprechung.

3. Handlungsempfehlungen für die Praxis und Folgeprobleme

Einem aufstockungswilligen Eigentümer ist zunächst anzuraten, die Teilungserklärung und etwaig vorliegende Kaufverträge auf die Einräumung eines Aufstockungsrechts sowie Vollmachten zur Änderung der Teilungserklärung detailliert zu prüfen. Sollte kein Aufstockungsrecht in der Teilungserklärung verankert und sollten keine Vollmachten erteilt sein, muss sich der Aufstockungswillige Gedanken darüber machen, ob er einen Mehrheitsbeschluss auf Gestattung der notwendigen baulichen Maßnahmen erfolgreich in der Eigentümerversammlung erwirken und ob er die Zustimmung sämtlicher Eigentümer zur Schaffung neuer Einheiten einholen kann. Ist beides zu verneinen, hat das Aufstockungsvorhaben nur wenig Chancen auf Erfolg.

Entscheidet sich der Aufstockungswillige für eine Aufstockung und gelingt ihm die Schaffung neuer Wohnungseigentumseinheiten, stellen sich eine Reihe von Folgefragen:

Das bei einer Aufstockung neu geschaffene Gemeinschaftseigentum, vereinfacht gesagt damit das neue Dach und die Außenwände des aufgestockten Geschosses, wird automatisch mit Erstellung Eigentum sämtlicher Mitglieder der WEG, damit auch der Bestandseigentümer. Eine Abnahme von Sondereigentum (Wohnung) und Gemeinschaftseigentum durch die Käufer, die die neu geschaffenen Einheiten erworben haben, hat zu erfolgen, da es sich hier um einen klassischen Bauträgervertrag über neu hergestelltes Wohnungseigentum handelt. Heißt das aber, dass auch die Bestandseigentümer eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums iSd § 640 BGB erklären müssen und sich der Aufstockende andernfalls einer immer währenden Gewährleistung ausgesetzt sieht? Nach welchen Vorschriften beurteilen sich die Mangelansprüche der Bestandseigentümer? Ein Werkvertrag besteht wohl nicht: Kann es aber sein, dass die Ansprüche der „Neueigentümer“ aus dem Bauträgervertrag und die Ansprüche der Bestandseigentümer aus dem WEG-rechtlichen Treueverhältnis völlig auseinanderfallen? Kann die WEG als Verband die Ansprüche der einzelnen „Neueigentümer“ erfolgreich an sich ziehen und so doch Ansprüche direkt gegenüber dem Aufstockenden geltend machen?

Urteile aus der Rechtsprechung zu diesen grundlegenden Fragen gibt es bislang nicht. Die Entscheidung, in einer bestehenden WEG aufzustocken, will daher gut überlegt sein und sollte immer durch eine intensive rechtliche Beratung begleitet werden.