Tarifliche Nachtarbeitszuschläge unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

 Christoph Valentin

Christoph Valentin

Unterschiedliche Zuschläge in Tarifverträgen für Nachtarbeit sind dann zulässig, wenn die unterschiedliche Höhe auf einem billigenswerten Motiv beruht und sich dieses aus der tarifvertraglichen Regelung selbst ergibt.

Tarifliche Nachtarbeitszuschläge unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Tarifliche Nachtarbeitszuschläge unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

24.04.2023 | Arbeitsrecht

Eine unterschiedliche Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer ist, sofern nicht bereits ein Verstoß gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit vorliegt, nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz grds. unzulässig. Liegen jedoch sachlich nachvollziehbare Gründe für die unterschiedliche Behandlung vor, können diese eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.

In der jüngeren Vergangenheit beschäftigten die Rechtsprechung insbesondere tarifvertragliche Regelungen über die unterschiedliche Vergütung von Nachtarbeit. Kernfrage war stets, ob Tarifvertragsparteien unterschiedliche Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit vereinbaren dürfen. Unter Berufung auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beanspruchten die regelmäßig in der Nacht arbeitenden Kläger in den jeweiligen Verfahren die Zahlung der Differenz zwischen dem Zuschlag für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit.

1. Unterschiedliche Zuschläge können gerechtfertigt sein

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer aktuellen Entscheidung diese Praxis der unterschiedlichen Zuschläge gebilligt, sofern sich der Grund für die unterschiedliche Höhe aus den tariflichen Regelungen selbst ergibt (BAG vom 22.02.2023 – 10 AZR 332/20). Grundsätzlich gilt jedoch, dass alle Nachtarbeit leistenden Arbeitnehmer miteinander vergleichbar sind und eine unterschiedliche Vergütung dieser Vergleichsgruppe eine Ungleichbehandlung darstellt.

2. Sachlicher Grund

Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Höhe der Zuschläge ergebe sich im konkreten Fall nach Auffassung des BAG daraus, dass der höhere Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit neben dem Schutz der Gesundheit auch dazu dienen sollte, zusätzliche Belastungen durch die fehlende Planbarkeit solcher unvorhergesehenen Arbeitseinsätze auszugleichen.

3. Keine anderweitige Kompensation

Werden diese Belastungen allerdings bereits anderweitig durch tarifvertragliche Regelungen kompensiert, so ist ein zusätzlicher finanzieller Ausgleich in Gestalt eines höheren Zuschlags nicht (mehr) sachlich gerechtfertigt. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die tarifvertragliche Regelung bei der Anordnung von Nachtarbeit zusätzlich bereits die Interessen des Arbeitnehmers – hier bei der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben (BAG vom 09.12.2020 – 10 AZR 334/20) – besonders berücksichtigt. Aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten verbietet sich dann ein weiterer Ausgleich in Gestalt eines erhöhten Zuschlags.

Unmittelbarer Handlungsbedarf ergibt sich aus der Entscheidung des BAG vom 22.02.2023 für Arbeitgeber nur, sofern derzeit Verhandlungen mit Gewerkschaften oder Betriebsräten über die Gewährung unterschiedlicher Zuschläge für vergleichbare Arbeiten geführt werden. Beizeiten sollte jedoch eine Prüfung bestehender Zuschlagsregelungen unter Berücksichtigung der jüngsten BAG-Rechtsprechung sowie bei Bedarf eine Anpassung unter Einbindung der Tarif- oder Betriebspartner erfolgen.