BGH-Urteil: Wohnungseigentümergemeinschaften bleiben prozessführungsbefugt!

 Vera Lederer

Vera Lederer

Eigentümergemeinschaften können auch zukünftig Ansprüche gegen Bauträger an sich ziehen und so Mängelansprüche gebündelt geltend machen. Der einzelne Wohnungseigentümer bleibt bei der Durchsetzung seiner Ansprüche entlastet.

BGH-Urteil: Wohnungseigentümergemeinschaften bleiben prozessführungsbefugt!
BGH-Urteil: Wohnungseigentümergemeinschaften bleiben prozessführungsbefugt!

28.04.2023 | Bau- und Immobilienrecht

Alte und neue Rechtslage nach WEG-Novelle

Vor Neuregelung des Wohnungseigentümergesetzes (WEG) zum 01.12.2020 war es jeder Eigentümergemeinschaft möglich, Ansprüche des einzelnen Erwerbers aus einem Bauträgervertrag durch Mehrheitsbeschluss „an sich zu ziehen“. Durch einen solchen Vergemeinschaftungsbeschluss konnten insbesondere die Ansprüche des Einzelnen wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums auf die Gemeinschaft übertragen werden (sog. „gekorene“ Ausübungsbefugnis). In der Praxis wurde von dieser Möglichkeit, insbesondere vor dem Hintergrund der Kostenteilung, aber auch der Entlastung des einzelnen Eigentümers, häufig Gebrauch gemacht.

Damit war für den Rechtsverkehr nicht immer eindeutig, wer Inhaber solcher Ansprüche war. Entsprechend wurde die gekorene Ausübungsbefugnis mit Inkrafttreten der WEG-Novelle durch den Gesetzgeber abgeschafft; gemäß § 9a Abs. 2 WEG waren der Gemeinschaft nur noch sog. „geborene“ Ansprüche eindeutig zugordnet.

Bei laufenden Verfahren stellte sich damit die Frage, ob mit Inkrafttreten der WEG-Novelle die klagende Gemeinschaft rückwirkend ihre Prozessführungsbefugnis verlor. Gleichzeitig war auch für die Zukunft ungewiss, ob Vergemeinschaftungsbeschlüsse überhaupt noch wirksam gefasst werden konnten.

BGH-Urteil vom 11.11.2022, Az. V ZR 213/21

Der BGH hat entschieden, dass die nach alter Rechtslage durch Vergemeinschaftungsbeschluss entstandene Prozessführungsbefugnis der klagenden WEG auch durch die Gesetzesänderung während des laufenden Verfahrens nicht entfallen ist.

Zwar lässt sich die Prozessführungsbefugnis nicht aus der geborenen Ausübungsbefugnis nach § 9a Abs. 2 WEG herleiten. Es verbleibt aber bei der Situation wie nach alter Rechtslage: Mängelansprüche des Einzelnen gegen den Bauträger können weiterhin durch Beschluss von der Eigentümergemeinschaft wirksam an diese gezogen werden. Die Kompetenz für solche Vergemeinschaftungsbeschlüsse leitet der BGH aus der Befugnis der Gemeinschaft, das Gemeinschaftseigentum zu verwalten, und der Pflicht, das Gemeinschaftseigentum zu erhalten, § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG, her. Weiter führt er die Gesetzesbegründung an, nach der der Gesetzgeber ausdrücklich an der bisherigen Rechtsprechung des BGH zum Bauträgerrecht festhalten möchte. § 9a Abs. 2 WEG steht nach Auffassung des BGH einer Vergemeinschaftung durch Beschluss daher nicht entgegen.

Bewertung und Ausblick

Dogmatisch lässt das Urteil zweifeln, sollte doch die gekorene Ausübungsbefugnis nach dem Willen des Gesetzgebers zur verbesserten Rechtsklarheit gerade abgeschafft werden. Richtigerweise aber hat der BGH den Vergemeinschaftungsbeschlüssen trotz aller Bedenken auch zukünftig seinen Segen erteilt.

Die Entscheidung entspricht den Bedürfnissen der Praxis, da einzelne Eigentümer kaum allein und auf eigene Kosten wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums gegen einen Bauträger vorgehen würden. Diese Aufgabe der Gemeinschaft zuordnen zu können und damit auch die Kosten auf alle Eigentümer, die hiervon profitieren, zu verteilen, ist richtig und vor allem praktikabel. Für eine erfolgreiche Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Bauträger ist es aber nach wie vor immens wichtig, solche Beschlüsse sorgfältig zu formulieren. Andernfalls riskieren die Eigentümer den Wegfall der Prozessführungsbefugnis und damit die Klageabweisung.

Änderung des WEG zum 01.12.2020

Änderung des WEG zum 01.12.2020

Der Gesetzgeber hat die Frage, welche Ansprüche der Gemeinschaft und welche dem einzelnen Eigentümer zugewiesen sind, neu geregelt. Das hat Auswirkungen auf anhängige Verfahren: Es droht die Unbegründetheit der Klage mangels Aktivlegitimation.