Die EU-Drittstaatensubventionsverordnung – Auswirkungen auf die Transaktionspraxis

Dr. Daniel Petzold

Dr. Daniel Petzold

Die EU-Kommission schützt den Binnenmarkt. Bislang fokussierte sie sich auf EU-Kartellrecht und -Beihilferecht. Nun rücken auch Subventionen von Nicht-EU-Staaten ins Visier, mit großen Konsequenzen - nicht nur auf die Transaktionspraxis.

Die EU-Drittstaatensubventionsverordnung – Auswirkungen auf die Transaktionspraxis
Die EU-Drittstaatensubventionsverordnung – Auswirkungen auf die Transaktionspraxis

28.07.2023 | Kartellrecht

Bereits Anfang 2023 trat die EU-Verordnung 2022/2560 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen in Kraft (Drittstaatensubventionsverordnung „DSVO“, engl. foreign subsidies regulationFSR“). Ihre Regelungen entfalten ab dem 12. Juli 2023 mit Ausnahme der Anmeldepflichten (ab 12. Oktober 2023) volle Wirkung. Pünktlich hierzu hat die Europäische Kommission auch eine zugehörige Durchführungsverordnung (VO EU 2023/1441) erlassen, die vor allem eines zeigt: Es kann für Unternehmen enorm aufwändig werden, wenn sie zu einer Anmeldung eines Zusammenschlusses verpflichtet sind.

Worum geht es bei der Drittstaatensubventionsverordnung konkret?

Es werden drei Instrumente zur Meldung und gegebenenfalls auch behördlichen Prüfung von Subventionen aus Drittstaaten eingeführt: (1) anlassbezogen bei Zusammenschlüssen, (2) anlassbezogen bei öffentlichen Vergabeverfahren sowie (3) bei Verfahrenseröffnung von Amts wegen durch die Europäische Kommission. Drittstaat ist jeder Staat, der nicht Mitglied der EU ist – also auch EFTA und EWR-Staaten, die nicht zugleich EU-Mitgliedstaat sind, wie z. B. Norwegen oder die Schweiz. Nicht entscheidend ist, ob die finanzielle Subvention mittelbar oder direkt auf einen Drittstaat zurückgeführt werden kann. Daher sind auch Subventionen privater Akteure erfasst, wenn ihre Handlungen einem Drittstaat zuzurechnen sind. Wie weit diese Zurechnung in der Praxis gehen wird, ist noch offen.

I. Prüfung anlässlich von Transaktionen

Anmeldepflichten für Transaktionen können bestehen, wenn bis zu drei Jahre vor der Transaktion finanzielle Subventionen von einem Drittstaat oder von ihm zurechenbaren Einheiten an ein an der Transaktion beteiligtes Unternehmen geflossen sind.

Ein Zusammenschluss in diesem Sinne wird durch eine Fusion oder einen mittel- bzw. unmittelbaren Kontrollerwerb bewirkt. Der Kontrollbegriff orientiert sich am EU-Kartellrecht. Anmeldepflichtig wird dieser Vorgang, wenn:

Der weite Anwendungsbereich der DSVO wird daran deutlich. Bereits drittstaatliche Subventionen von mehr als EUR 50 Mio. an ein ausländisches Unternehmen eröffnet den Anwendungsbereich, wenn es ein Unternehmen mit Sitz in der EU und einem Umsatz von mehr als EUR 500 Mio. erwirbt. Es ist auch nicht erforderlich, dass die drittstaatlichen Subventionen gerade der Transaktion wegen gewährt wurden.

Die Voraussetzungen der DSVO zeigen aber auch: Die Neugründung eines Gemeinschaftsunternehmens (sog. greenfield joint venture) ist nicht erfasst, da die Neugründung zwar seinen Sitz in der EU haben kann, aber definitionsgemäß keine eigenen Umsätze haben wird. Die Kommission kann jedoch auch die Anmeldung eines Zusammenschlusses unterhalb dieser Schwellen verlangen, was dann zu einer Anmeldepflicht führt (Art. 21 Abs. 5 DSVO).

Der Begriff der finanziellen Subvention (Art. 3 Abs. 2 DSVO) ist weit gefasst und eröffnet einen entsprechend weiten Anwendungsbereich. Orientierung bietet das EU-Beihilferecht. Neben klassischen Zahlungen werden insbesondere Steuerbefreiungen, der Verzicht auf Einnahmen, vergünstigte Überlassungen aber auch die Bereitstellung oder der Erwerb von Waren und/oder Dienstleistungen erfasst. So kann bereits der Verkauf von Waren zu marktüblichen Konditionen an ein drittstaatliches Unternehmen, das einem Drittstaat zuzurechnen ist, eine Anmeldepflicht auslösen. Auch wenn der Zusammenschluss im Ergebnis wegen der Marktüblichkeit keine Wettbewerbsverzerrungen bewirkt, besteht die Anmeldepflicht.

Die inhaltliche Prüfung anlässlich der Transaktion dreht sich um die Frage, ob Verzerrungen auf dem Binnenmarkt vorliegen, weil die drittstaatliche Subvention die Wettbewerbsposition eines Unternehmens verbessert und dadurch den Wettbewerb im Binnenmarkt potenziell beeinträchtigt (Art. 4 f. DSVO), wobei auch eine Abwägung mit positiven Auswirkungen auf dem Binnenmarkt möglich sein soll (Art. 5 DSVO).

Die DSVO sieht ein Vollzugsverbot für anmeldepflichtige Zusammenschlüsse vor (Art. 24 Abs. 1 DSVO). Wird eine erforderliche Anmeldung nicht vorgenommen (wie in der Fusionskontrolle: „gun jumping“) kann dies mit erheblichen Geldbußen bis hin zu einer Entflechtung geahndet werden. Daneben bleibt das Rechtsgeschäft zunächst unwirksam (Art. 24 Abs. 7 DSVO), was in der Praxis das größere Problem sein kann.

Die Regelungen der DSVO und das Verfahren zur Meldung und Prüfung sind stark der kartellrechtlichen Fusionskontrolle angeglichen, bestehen aber zusätzlich zu dieser. Transaktionen können daher mehrere Anmeldepflichten auslösen.

II. Prüfung anlässlich öffentlicher Vergabeverfahren

Daneben gelten besondere Regelungen für öffentliche Vergabeverfahren (Art. 27 ff. DSVO). Diese zielen darauf, eine Verzerrung des Wettbewerbs durch ungerechtfertigt günstige Angebote in Vergabeverfahren zu verhindern, wenn diese erst durch gewährte drittstaatliche Subventionen ermöglicht werden.

Anmeldepflichtig sind deswegen drittstaatliche finanzielle Subventionen, wenn der geschätzte Wert des öffentlichen Auftrags mindestens EUR 250 Mio. ohne Mehrwertsteuer beträgt und dem Bieter (einschließlich verbundener Unternehmen und ggf. sogar einschließlich der Hauptunterauftragnehmer und Hauptlieferanten) in den vergangenen drei Jahren vor der Meldung mindestens EUR 4 Mio. gewährt wurden. Dieser Wert muss von mindestens einem zuwendenden Drittstaat überschritten worden sein.

Wurden drittstaatliche finanziellen Subventionen gewährt, die jedoch diese Wertgrenze nicht erreichen, ist jedenfalls eine Erklärung über alle erhaltenen drittstaatlichen finanziellen Subventionen erforderlich und zu bestätigen, dass diese nicht der Meldepflicht unterliegen.

Die Meldung oder die Erklärung erfolgt hier gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber, der unverzüglich eine Weiterleitung an die Europäische Kommission veranlasst. Der Bieter erklärt bzw. meldet ggf. auch für einen Hauptunterauftragnehmer bzw. -lieferanten, wenn dessen wirtschaftlicher Beitrag am Angebot 20 % des Werts des Angebots überschreitet oder dieser ein wesentliches Element der Auftragserfüllung gewährleistet.

III. Prüfung von Amts wegen

Daneben kann die Europäische Kommission auch von Amts wegen eine Prüfung drittstaatlicher Subventionen einleiten (ex officio, Art. 9 DSVO) sowie die Anmeldung von Sachverhalten verlangen, welche die Anmeldepflichten anlässlich von Transaktionen nicht auslösen würden (Art. 21 Abs. 5 DSVO). Die ex officio Prüfung ermächtigt die Kommission auch, bereits vollzogene Zusammenschlüsse aufzugreifen.

Wie können wir mit Blick auf die Drittstaatensubventionsverordnung helfen?

Aufgrund der Nähe der neuen Regelungen der DSVO zur EU-Fusionskontrolle ist unsere Kartellrechtspraxis ideal positioniert, um unsere Erfahrung mit der EU-Fusionskontrolle auf das neue Anmeldeverfahren der DSVO zu übertragen. Wir unterstützen bei der Prüfung und Erfüllung von Anmeldepflichten und dem Durchlaufen von Anmeldungen bei der Europäischen Kommission gern.