24.06.2020 | Arbeitsrecht
Die erste Pandemiewelle scheint überstanden und die Wirtschaft in Deutschland atmet ein wenig durch. Aktuell heißt die Devise Rückkehr in den Betrieb und in die „Neue Normalität“. Allerdings könnte die derzeitige Ruhe trügerisch sein, denn viele Experten erwarten eine Insolvenzwelle, wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im September endet und die Wirtschaft sich bis dahin nicht wieder vollständig stabilisiert hat. Über alldem schwebt zudem das Damoklesschwert einer zweiten Pandemiewelle im Herbst.
Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen gut beraten, sich schon jetzt mit der möglichen Erforderlichkeit eines Personalabbaus im 2. Halbjahr auseinanderzusetzen, um – anders als vielleicht noch bei den Themen Kurzarbeit und Home Office – gut vorbereitet in eine solche Herausforderung starten zu können. Die Erfahrungen aus zahlreichen von uns begleiteten Personalabbau- und Restrukturierungsprojekten zeigt nämlich vor allem eines: Vorbereitung ist weit mehr als nur die sprichwörtliche halbe Miete.
Risiken minimieren und Chancen nutzen
Die mit einem Personalabbau zusammenhängenden Risiken sind oft wohlbekannt, weniger gilt dies für die ebenfalls vorhandenen Chancen. Zwar drohen neben den unerwünschten Auswirkungen einer durchzuführenden Sozialauswahl gerade bei Betrieben mit einem Betriebsrat auch zeitliche Verzögerungen durch die Verhandlungen und hohe Kosten für einen Sozialplan. Andererseits kann ein Personalabbau neben der häufig im Fokus stehenden Kostenreduzierung auch die Chance auf einen konzeptionellen und personellen Neustart bieten. Instrumente stehen mit Namensliste, Altersgruppenbildung, betrieblicher Qualifizierung, Freiwilligenverfahren oder interner Personalallokation zahlreich zur Verfügung. Nicht selten scheitert ihre Umsetzung aber an dem bereits eingetretenen zeitlichen Druck und der fehlenden Auseinandersetzung mit diesen Fragen im Vorfeld. Dies lässt sich vermeiden, indem rechtzeitig mit den internen Planspielen begonnen wird und bei Bedarf schon frühzeitig externe Berater wie Anwälte, Unternehmensberater oder andere Dienstleister eingebunden werden.
Die Bedeutung der „richtigen Geschichte“
Personalabbauten und andere Umstrukturierungen erfordern neben der rechtlichen und (personal-)wirtschaftlichen Expertise auch kommunikatives Geschick. Wenn Unternehmen Kosten reduzieren, eine motivierte Belegschaft erhalten und den Weggang von Leistungsträgern verhindern, aber auch erfolgreiche Verhandlungen mit dem Betriebsrat führen wollen, ist die kommunikative Einbettung der geplanten Maßnahmen von zentraler Bedeutung. Naturgemäß lassen sich Beschäftigte und Betriebsräte leichter von der Erforderlichkeit einschneidender Maßnahmen überzeugen, wenn ihnen deren Unvermeidbarkeit sowie der darin enthaltene Mehrwert für die verbleibende Belegschaft überzeugend dargelegt werden können. Leider messen viele Unternehmen diesem Aspekt in der praktischen Umsetzung nur eine untergeordnete Bedeutung bei und fehlt oftmals auch die Zeit, für die Entwicklung einer überzeugenden Darstellung. Erweckt aber schon die Arbeitgeberseite den Eindruck, von den aktuellen Entwicklungen überrascht zu sein und eher getrieben als vorausschauend lenkend zu agieren, führt dies im Arbeitnehmerlager nachvollziehbarer Weise oftmals zu Abwehrreaktionen und einer Pauschalverweigerung. Auch diese Situation lässt sich bei rechtzeitiger Vorbereitung gut vermeiden.
Die Gestaltung des „Spielfelds“
Personalabbauten und Restrukturierungen finden innerhalb eines unternehmens- und betriebsbezogenen Rahmens statt. Gleiches gilt für die zugehörigen Verhandlungen, insbesondere mit einem Betriebsrat. Mit dem Beginn dieser Verhandlungsphase steht der jeweilige Rahmen – das „Spielfeld“ – weitgehend fest. Vor dem Beginn der Verhandlungen hat die Arbeitgeberseite jedoch häufig die Möglichkeit, dieses „Spielfeld“ noch in ihrem Sinne zu verändern und zu gestalten. Dies betrifft sowohl die finanziellen Rahmenbedingungen als auch betriebsorganisatorische Aspekte. Beispielsweise werden Unternehmen, die in die Kurzarbeit gegangen sind, das bestehende Regelwerk genau prüfen müssen, um eine Beeinträchtigung von Personalabbau-Möglichkeiten zu vermeiden. Oftmals entscheidet weniger das Verhandlungsgeschick als vielmehr die geschickte Gestaltung des „Spielfeldes“ über den späteren Verhandlungserfolg. Auch deshalb ist es wichtig, sich nicht von den Entwicklungen überraschen zu lassen, sondern diese proaktiv anzugehen.
Im Ergebnis sprechen damit viele Gründe dafür, Personalabbauten und Restrukturierungen sorgfältig zu planen und frühzeitig externe Berater hinzuzuziehen, um das Projekt erfolgreich abschließen zu können. Im Hinblick auf das 2. Halbjahr 2020 und die gesamtwirtschaftlichen Risiken sollten Unternehmen daher überprüfen, ob die präventive Beschäftigung mit diesen Themen angezeigt sein könnte.