Abwerbeverbote (no poach agreements) sind vertragliche Vereinbarungen, keine Führungskräfte und Mitarbeiter des Vertragspartners einzustellen oder zur Anbahnung von Beschäftigungsverhältnissen anzusprechen.
Bekannt geworden sind derartige Kartellabsprachen durch Verstöße in den Vereinigten Staaten, durch die bekannte Technologie-Konzerne des Silicon Valley ihre wertvollsten Mitarbeiter schützen wollten. Im Ergebnis blieben diese Verstöße zwar weitgehend folgenlos für die Unternehmen, führten jedoch zu einem deutlichen Bekenntnis der US-amerikanischen Kartellbehörden, derartige Absprachen künftig klar zu verfolgen.
Das Europäische Kartellrecht hat dieses Bekenntnis inzwischen nachvollzogen. Zwar gibt es auf europäischer Ebene noch keine Behördenentscheidung, die sich ausschließlich mit Wettbewerbsbeschränkung auf einem Personalmarkt beschäftigt. Dies wird aber nicht mehr lang auf sich warten lassen. Ein im Mai 2024 erschienener Beitrag im competition policy brief der Europäischen Kommission dürfte richtungsweisend sein und enthält eindeutige Botschaften.
Was man daher wissen sollte:
- Abwerbeverbote zwischen Unternehmen sind bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen und grundsätzlich kartellrechtlich verboten.
- Dies gilt auch dann, wenn die Unternehmen keine Wettbewerber hinsichtlich der von ihnen hergestellten und/oder vertriebenen Produkte und Leistungen sind, weil der hier relevante Wettbewerbsmarkt die Nachfrage nach Personal ist.
- Es ist grundsätzlich unerheblich, ob ein Abwerbeverbot auf ein aktives Abwerben beschränkt ist.
- Es ist unwahrscheinlich, dass eine Rechtfertigung durch Effizienzgewinne gelingt (sog. Einzelfreistellung).
- Die unseres Erachtens einzige erfolgversprechende Möglichkeit, ein Abwerbeverbot zu rechtfertigen, ist über die Figur der sog. „notwendigen Nebenabreden“ (ancillary restraints). Danach müsste das Abwerbeverbot einem kartellrechtsneutralen Hauptvertrag unmittelbar dienen, mit diesem untrennbar verbunden und objektiv erforderlich für die Durchführung des Hauptvertrags sein. Dies erfordert einen gewissen Begründungsaufwand, ist aber z. B. im Kontext von Unternehmensverkäufen im Einzelfall möglich.
Oft werden Abwerbeverbote noch standardmäßig in bestimmte Vertragstypen für Kooperationen und Transaktionen aufgenommen. Es ist spätestens jetzt an der Zeit, diese Praxis zu hinterfragen und zu einer einzelfallbezogenen Betrachtung zu wechseln. Denn der Regelfall ist es gerade nicht, dass ein Abwerbeverbot unproblematisch ist, sondern vielmehr, dass es der kartellrechtlichen Rechtfertigung bedarf.