Formwechsel in eine SE: Auf die praktizierte Mitbestimmung kommt es an

Das LG Frankfurt a.M. hat im Beschluss vom 23. November 2017 (Az.: 3-05 O 63/17) entschieden, dass es bei einem Formwechsel in eine SE für die Frage der Mitbestimmung im Aufsichtsrat auf die vor dem Formwechsel praktizierte Mitbestimmung und nicht auf die abstrakte Rechtslage ankommt.

14.06.2018 | Venture Capital / M&A

Die Europäische Aktiengesellschaft SE (Societas Europaea) erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Nach Angaben der Hans Böckler Stiftung wurden im Jahr 2017 in Deutschland 53 operativ tätige Gesellschaften in Form der SE durch einen Formwechsel oder eine Verschmelzung gegründet (vgl. Hans Böckler Stiftung, SE-Datenblatt – Stand 31.12.2017). Im Jahr 2016 haben bereits Unternehmen wie HelloFresh und windeln.de die Umwandlung in eine SE vollzogen. Ein wesentlicher Grund für die zunehmende Beliebtheit ist die Vermeidung der Mitbestimmungsregeln des DrittelbG oder des MitbestG. In diesem Zusammenhang ist auch ein Beschluss des LG Frankfurt a.M. vom 23. November 2017 (Az.: 3-05 O 63/17) zu sehen, der im Folgenden kurz vorgestellt werden soll:

Sachverhalt

Ein klagender Aktionär war der Auffassung, dass bei der in eine SE umgewandelten Gesellschaft ein mitbestimmter Aufsichtsrat nach den Vorschriften des DrittelbG bzw. des MitbestG zu bilden sei, da vor dem Formwechsel in die SE die Gesellschaft (eine AG deutschen Rechts) über verschiedene Tochtergesellschaften insgesamt über 1.046 Arbeitnehmer beschäftigt habe (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG). Zum Zeitpunkt der Beantragung und Eintragung der Umwandlung in die SE in das Handelsregister bestand bei der Gesellschaft kein mitbestimmter Aufsichtsrat.

Entscheidung

Das LG Frankfurt a.M. hat in seinem Beschluss vom 23. November 2017 (Az.: 3-05 O 63/17) den Antrag des Aktionärs auf Feststellung, dass bei der SE ein mitbestimmter Aufsichtsrat nach den Vorschriften des DrittelbG bzw. des MitbestG zu bilden ist, als unbegründet zurückgewiesen. Das Gericht begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

  1. Mit der Umwandlung in eine SE sind die Mitbestimmungsregeln des DrittelbG oder des MitbestG nicht mehr anwendbar. Die Mitbestimmung in den Unternehmensorganen der SE ist abschließend im SEBG geregelt (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 SEBG).
     
  2. Richtet sich die Mitbestimmung mangels Vereinbarung über die Abreitnehmerbeteiligung nach der gesetzlichen Auffanglösung (§§ 35 Abs. 1, 34 Abs. 1 Nr. 1 SEBG), hat sich der Aufsichtsrat nach der Umwandlung in eine SE nach den zuletzt angewandten gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen. Dies gilt selbst dann, wenn die bei der umzuwandelnden Gesellschaft praktizierten Vorschriften zu Unrecht angewandt wurden. Es kommt ausschließlich auf die in der Gesellschaft praktizierte Mitbestimmung und nicht auf die abstrakte Rechtslage an. Wurde der gegebenenfalls rechtswidrige Zustand nicht rechtzeitig vorher durch ein Statusverfahren korrigiert, wird dieser Zustand eingefroren (§ 35 Abs. 1 SEBG).

Fazit und Ausblick

Die Ausführungen des LG Frankfurt a.M. decken sich mit den teilweise in der Literatur vertretenen Auffassungen. Was bedeutet dies für Unternehmen? Sollte die Entscheidung des LG Frankfurt a.M. rechtskräftig werden und sich diese Rechtsauffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung durchsetzen, besteht für Unternehmen die Möglichkeit, einen bisher gegebenenfalls rechtswidrigen Zustand zu legalisieren. Das Verfahren ist beim OLG Frankfurt a.M. anhängig (Az.: 21 W 29/18).