Neue Entscheidung zu Abweichungen von Abstandsflächenvorschriften
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung, die unter Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt worden war, zurückgewiesen. Gem. Art. 63 Bayerische Bauordnung kann eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt werden, wenn dies unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar ist. Wenn die Abweichung von den Abstandsflächen rechtmäßig erteilt ist, muss dann das Bauvorhaben die nach Art. 6 Bayerische Bauordnung (BayBO) erforderlichen Abstandsfläche nicht einhalten.
Im vorliegenden Fall hatte bereits das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage des Nachbarn abgewiesen, da es die Baugenehmigung mit der erteilten Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für rechtmäßig hielt.
Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses
Der 15. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes hat mit Beschluss vom 9.02.2015 (Az. 15 ZB 12.1152) den Antrag des Nachbarn auf Zulassung der Berufung abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass eine Nachbarklage nur dann erfolgreich sein könne, wenn der Nachbar in subjektiven-öffentlichen Rechten verletzt sei, was bei einer Abweichung oder Befreiung von nachbarschützenden Vorschriften nicht stets anzunehmen sei, sondern nur dann, wenn im Einzelfall die spezifischen objektiven Voraussetzungen für die Annahme eines atypischen Sonderfalles fehlten. Der 15. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat sich so für eine Verkürzung der gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten der von Bauvorhaben betroffenen Nachbarn ausgesprochen. Nach dieser Auffassung des Senats soll der Nachbar gegen eine Baugenehmigung, die unter Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt wurde, nur dann erfolgreich klagen können, wenn diese aus bestimmten Gründen rechtswidrig ist.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 31 Baugesetzbuch (BauGB), nach dem die Klage eines Nachbarn gegen ein Bauvorhaben stets dann erfolgreich ist, wenn die Baugenehmigung unter Befreiung von nachbarschützenden Vorschriften erteilt wurde und die Baugenehmigung rechtswidrig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 31 BauGB, der sich große Teile der Literatur und zahlreiche Obergerichte angeschlossen haben, kommt es für den Erfolg der Klage dabei nicht darauf an, aus welchen Gründen sich die Baugenehmigung oder Befreiung (bzw. Abweichung) sich als rechtswidrig erweist.